Crashkurs DJ.Studio #1: In den sozialen Netzwerken ist momentan DJ.Studio Pro eine heiß diskutierte KI-unterstützte DJ-Software. Sie dient zum Generieren von Mixtapes mit Übergängen nach den klassischen Regeln der DJ-Kunst. Grund genug, dem Programm einen Crashkurs zu widmen, um euch Funktionen und Workflow näher zu bringen.
Vorab zur Entwarnung: Hinter DJ.Studio Pro versteckt sich kein Autopilot zum Auflegen. Vielmehr erleichtert die Software das „Aufnehmen“ von Mixtapes, sei es für die Autofahrt, für eine private Party, das Warm-up im Club, zur Publizierung auf Online-Plattformen oder als „Geschenk“.
Die Wertschätzung dürfte allerdings mit dem generierten Mix nicht mehr so groß wie vor 30 Jahren ausfallen, dafür ist das Erstellen des Mixtapes zu einfach geworden. Aber glücklicherweise finden mit dem DJ.Studio Pro die stundenlangen Sessions ein Ende, die durch viele misslungene Blenden und dem damit einhergehenden Neubeginn des Aufnahmeprozesses besonders Vinyl-DJs den Frust förmlich ins Gesicht schrieb.
Mit DJ.Studio Pro machen Mixtapes echt Spaß, es geht einfach und wahnsinnig schnell von der Hand, sodass man selbst ein paar Minuten vor Türöffnung im Club noch schnell einen Mix zusammenmischen lassen kann.
Die ersten Schritte mit DJ.Studio
Wie bereits im Test erwähnt, könnt ihr DJ.Studio Pro zwei Wochen kostenlos ausprobieren, danach geht’s an Portemonnaie. Wie tief, richtet sich nach der Version, ob Lite oder Pro und ob ihr bei einer Rabatt-Aktion zuschlagt.
Für dich ausgesucht
Nach dem Download der Software gilt es, einen Account anzulegen, in dem ihr hinterlegt, ob und mit welcher DJ-Software ihr eure Musik sonst auflegt und damit verwaltet. Entsprechend übernimmt DJ.Studio Pro deren Ordner. Anderenfalls könnt ihr die Songs für den Mix einfach von der Festplatte importieren. Selbst von YouTube, Spotify und Beatsource beziehungsweise Beatport Link lässt sich Streaming-Music verwenden.
Für meinen Testmix habe ich 17 Tracks aus ähnlichen elektronischen Genres von meiner lokalen Festplatte ausgewählt. Mit dem Importieren werden zugleich die Tonart und BPM analysiert. Im zweiten Schritt kontrolliert das eingebettete Mixed In Key die Tonart und legt das Energy-Level fest, ein wichtiger Indikator für die Dramaturgie meines Sets.
Anschließend sind die Tracks in der Playlist-Ansicht zu finden. Der Reiter „Mood“, der für die Harmonie zwischen den Tracks steht, dokumentiert, welche Tracks wie harmonieren und welche nicht. Klickt man auf eins der Symbole, wird umgehend erklärt, wofür jedes einzelne steht und welche Tonarten alternativ passt. Sollte ein Kreuz zu sehen sein, das für „Solve“, sprich „Lösung“, steht, schlägt euch DJ.Studio Pro harmonisch passende Tracks vor.
DJ.Studio: Kriterien für den Mix
Den Automix-Button gedrückt, ploppt ein Fenster mit diversen Parametern auf. Unter dem Reiter „Playlist Ordering“ gewichtet ihr den Mix mehr auf eine chronologisch steigende BPM-Zahl oder auf die Harmonie anhand der Tonarten (Key). Ich habe mich für die vorgeschlagene 50/50-Einstellung entschieden.
Beim Harmonic-Mixing könnt ihr zudem zwischen Mood oder Fuzzy wählen. „Mood“ steht für durchgängig harmonische, nach den Regeln des Camelot-Mixing-Wheels praktizierte Übergänge. Hingegen im „Fuzzy“-Modus werden nach dem Camelot-System nur die unmittelbar direkt an einer Tonart angrenzenden Keys für die Harmonie berücksichtigt, alle anderen ignoriert das Programm, sodass auch Disharmonien entstehen können. Mit dem Fuzzy-Mode erstellte Mixes empfiehlt DJ.Studio Pro weniger zu Party-Zwecken, sondern mehr als Playlist oder für Radio-Shows.
Auch die Übergänge können unter „Transitions“ euren Vorstellungen angepasst werden, wie die Länge der Blende, der Start- und Endpunkt für den Mix sowie der Track-Beat-Mode (Default, Vinyl, Re-Pitch). Da ich aber zunächst auf dem schnellsten Weg einen Mix von der Software erstellen lassen möchte, belasse ich es bei den automatischen Empfehlungen.
Blenden und Timing
- Hinweis: Wenn ihr Extended Versions für den Mix verwendet, ist die Harmonie mitunter egal, da die Intros und Outros in der Regel nur aus Beats bestehen, die von der Tonart und damit der Harmonie neutral sind. Setzt die Software die Blende auf die ersten und letzten acht Takte des Tracks, spielt die Harmonie kaum eine Rolle.
Die zu wählende Zeit von 30 Sekunden, einer Minute beziehungsweise fünf Minuten bestimmt die Dauer zum Generieren der Kombinationen des Mixes. Je höher die Zeiteinstellung und je mehr Tracks ausgewählt sind (DJ.Studio Pro empfiehlt mehr als zehn), desto mehr Varianten wertet die Software aus, um euch das Bestmögliche vorzuschlagen. Zu guter Letzt wählt ihr aus, ob der erste und letzte zum Mix hinzugefügte Track bei allen generierten Kombis gleich sein soll.
17 Tracks = 451 Millionen DJ.Studio Kombinationen
Für meinen Mix aus 17 Tracks sucht die Software innerhalb von 30 Sekunden aus sagenhaften 223 Millionen, in einer Minute aus 451 Millionen Mixkombinationen „den perfekten Mix“ aus.
In der Playlist fällt in der Spalte „Mood“ die aufkommende Harmonie auf. Dramaturgisch beginnt der erstellte Mix mit dem langsamsten, aber auch vom Energy-Level ruhigsten Track. Weitere Tracks mit dem gleichen Tempo, aber einem höheren Energy-Level verteilen sich etwas später im Mix, da sie aufgrund ihrer Tonart nicht direkt im Anschluss harmoniert hätten.
- Hinweis: Man sollte nicht blind dem berechneten Energy-Level einer Software, sondern lieber mehr seinen eigenen Ohren und dem Bauchgefühl vertrauen. Ich nutze schon seit etlichen Jahren Mixed In Key und war schon häufiger anderer Meinung als das Programm, wie euphorisch ein Track auf mich wirkt.
Obwohl das Set vom Tempo recht chronologisch zusammengestellt wird und die Tracks sich meistens nur um ein bis zwei BPM unterscheiden, treten Differenzen von bis zu sieben BPM auf, da die Software die Tracks vorrangig zu Gunsten der Harmonie anordnet.
Zudem übernimmt die Software nicht jeweils das gepitchte Tempo des Vorgänger-Tracks, wie man beim Auflegen eigentlich praktiziert, sondern kehrt stets zur Original-Geschwindigkeit zurück.
Schneller Check der Blenden
Zu den größten Vorteilen von DJ.Studio Pro zählt der Workflow, mit dem die Preset-Übergänge superschnell angehört und auch ausgetauscht beziehungsweise angepasst werden können. Dafür geht ihr am besten in die Carousel-Ansicht, die optisch ein bisschen an iTunes erinnert, wo ihr durch den Mix wischt und auf die Blenden zugreift. Auf das Transition-Fenster geklickt, wird nicht nur die Blende gestartet, sondern es werden auch vier Presets angeboten.
Bass Swap: eine Crossfader-Blende samt Wechsel der Bässe zur Hälfte
Crossfade: eine softe Blende, wie mit einem weich eigenstellten Crossfader
High to Low: Der laufende Track wird mit einem Lowpass-Filter aus- und der neue Track mit einem Highpass-Filter eingeblendet
Low to High: Der laufende Track wird mit einem Highpass-Filter aus- und der neue Track mit einem Lowpass-Filter eingeblendet
Abgesehen vom Crossfade-Mode, der an eine gewöhnliche Softblende erinnert, klingen die anderen drei recht authentisch, denn ein DJ würde es beim Übergang auch nicht anders praktizieren.
Als Voreinstellung gibt die Software eine Blende innerhalb von acht Takten, sprich einer Phrase vor. Aber sie kann auch auf die Hälfte verkürzt oder auf sechzehn oder sogar 32 Takte verlängert werden.
- Tipp: Checkt jeden Übergang vor allem auf die Struktur der Songs. Denn bei einigen Blenden fiel mir auf, dass sie nicht immer auf die letzten acht Takte der Mix erfolgte, sondern mitunter etwas später, wodurch der Folgetrack nicht strukturtreu eingemischt wird. Aber ihr korrigiert dies ganz leicht durch Verschieben des Tansition-Fensters in der Wellenform-Ansicht.
Automix made by DJ.Studio Pro
Ich bin mit meinem ersten Automix made by DJ.Studio Pro wahrlich zufrieden. Sicherlich hätte ich manch anderen Track oder Übergang anders platziert. Dennoch ist der Mix mehr als nur spielreif. Generell würde ich der Software aber nicht blind vertrauen, denn vereinzelt wurde die Bass-Drum auf die Snare gelegt, was sich aber ratzfatz anpassen lässt.
Wer einen solchen von DJ.Studio Pro erstellten Mix für professionelle Zwecke zum Streuen in den sozialen Netzwerken nutzen möchte, der sollte dem Mix auf jeden Fall auch noch mehr seine eigene Note aufdrücken. Wie das funktioniert, verrät euch der nächste Crashkurs.