Hardware-Liveacts kennen das Problem: Sie stellen ihre Drummachines und Synthesizer auf die Bühne und jammen wie die Hölle, aber dann kommt der DJ, steckt seinen USB-Stick in den Player und gleich klingt es ernüchternd viel fetter. Na klar, die Tracks des DJs sind gemastert. Könnte man da nicht einen superkleinen und sehr gut klingenden Masteringkompressor/Limiter auf Tour mitnehmen? Und gibt es sowas überhaupt?
Details
Das dachte sich auch Martin Stimming aus Hamburg, seines Zeichens sehr erfolgreicher Produzent, Liveact und Musikinstrumentenerklärer – seine Videos für electronicbeats.com gehören zu den besten und sympathischsten Instrumentendemos auf YouTube weltweit.
Um mit seinen hardwarebasierten Auftritten auf dem Drucklevel der DJs mithalten zu können, suchte er auf dem Markt nach einem entsprechend kompakten Gerät, das seinen persönlichen Anforderungen entspricht, aber auch ins kleine Reisegepäck passt. Und weil es solch ein Gerät eben bislang noch nicht gab, fand er Michael “Doc” Schneider alias DOCtron, einen Einmannbetrieb aus Mittelfranken zur Herstellung sehr hochwertiger, analoger Audiotechnik.
Endorsing sehen wir häufig im Musikbusiness: Gitarristen und Schlagzeuger, die die Instrumente einer Marke spielen und dafür werben. Seltener ist es, wenn Musiker eng mit Herstellern kooperieren und ihre Erfahrungen in individuelle Signature Editions einfließen lassen.
Und ganz selten einmal tut sich ein Künstler mit einem Techniker zusammen und plant und baut ein Produkt von Grund auf maßgeschneidert ganz nach seinen eigenen Vorstellungen. Genau dies ist im Falle des Martin Stimmings Instant Mastering Chain geschehen: ein sehr eigenständiger und komplett in Handarbeit gebauter analoger VCA-basierter Kompressor mit Equalizer, eine kompakte „mastering chain in the box“ zum Mitnehmen.
Äußerlichkeiten
Wir hatten im Test bereits eines der ersten Seriengeräte, aber noch ohne die finale Verpackung. Die soll laut Martin Stimming so minimalistisch wie möglich sein, denn der CO2-Fußabdruck des für das Gehäuse genutzten Carbonmaterials sei „schon schlimm genug“.
Die Oberflächen haben diese für dieses Material schimmernd-schwarze 3D-Bildästhetik, was ich sehr schick finde. Ansonsten ist das Gehäuse so kompakt wie zweckmäßig gestaltet. Auf der eng bepackten Frontplatte finden wir ganz links drei rote, hintergrundbeleuchtete Schalter zum Einschalten des Geräts, Zuschalten des EQs und Umschalten zwischen Feed-Forward-Modus (FF) und Feedback-Modus (FB). Dieser Schalter leuchtet nur, wenn ein Peak anliegt, eine andere Pegelanzeige gibt es nicht.
Die Regelelemente des VCA-Kompressors im SSL-Stil finden sich auf der unteren Poti-Reihe mit Input von -10 dB bis 0 dB, einem Threshold von +20 db bis -20 db und drei Drehschaltern für die fest vorgegebenen Ratio-, Attack- und Release-Werte.
Eine Besonderheit bei den vier Ratio-Werten ist der Wert von 1:1,5, der Stimming sehr wichtig war. Dazu gibt es Ratios von 1:2, 1:4 und 1:10.
Vier Potentiometer in der oberen Reihe regeln Bass- und Höhenanteil (-14 db bis +14 db) des Shelving-Equalizers (Einsatzfrequenzen bei 60Hz und 12 KHz), den Drive und den Ausgangspegel. Ganz links befindet sich dann noch der dedizierte Regler für die Kopfhörerlautstärke. Die Buchse dafür befindet sich im Miniklinkenformat auf der Rückseite, was ich aber nicht als Problem ansehe, da dieses Gerät sowieso kaum in einem Rack verbaut werden dürfte.
Auf der Rückseite finden wir ansonsten vier symmetrische Klinkenbuchsen für Ein- und-Ausgang, zwei Sidechain-Insertbuchsen für Y-Kabel im Stereoklinkenformat sowie den Anschluss für das mitgelieferte Netzteil und den Ein-/Ausschalter. Die Anschlüsse beim Testgerät sind an der Rückseite nicht befestigt. Mittlerweile wird der IMC aber mit Klinkenbuchsen ausgeliefert, die aus Stabilitätsgründen fest mit dem Gehäuse verschraubt sind.
Reduce to the max
Die IMC ist optimiert auf Kompaktheit und Effizienz für reisende Liveact-Musiker. Klein genug, um ins Handgepäck zu passen und alles an Bord, um auf der Bühne maximal zu klingen. Und nicht nur einfach laut, sondern kraftvoll und fett.
Auf der Superbooth 21 erklärten mir Martin und Doc Schneider, wie sie mit dem Gewicht jonglieren mussten, um das erklärte Ziel von unter einem Kilo zu erreichen. Sie wollten unbedingt Lundahl-Ausgangsübertrager, die allein schon mehr als ein Drittel des Gewichts ausmachen. Also musste das Gehäuse so leicht wie möglich sein. Um trotzdem maximale Stabilität zu gewährleisten, griffen sie zu dem kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff Carbon. Der ist extrem leicht und gleichzeitig sehr steif, leider aber auch teurer als Aluminium. Und damit aus dem leichten Gerät keine Mogelpackung wird, gilt es festzuhalten: Auch das mitgelieferte Netzteil ist ein schmaler, leichter Leinenlumpi, der nur 230 Gramm auf die Waage bringt.
Vorwärts und Rückwärts
Eine Besonderheit des IMC ist die umschaltbare Feedback-Schaltung. Im Feed-Forward-Modus (FF) sitzt die Detektorschaltung vor dem VCA, im Feedback-Modus (FB) dahinter. Letztere Kompressionsmethode belässt mehr Transienten im Signal, was das menschliche Ohr als wärmer und musikalischer empfindet, z. B. bei Klassikern wie dem Urei 1176 oder dem Fairchild 660. Moderne Kompressoren nutzen meist das Feed-Forward-Prinzip, weil die Detektorschaltung dem VCA, der die Komprimierung durchführt, bereits vorher mitteilt, wie der Pegel anzupassen ist.
Bei der Feedback-Schaltung ist der Detektor erst hinter dem Kompressor-VCA positioniert und neigt dadurch weniger zur Überkompression. Das Ergebnis ist weniger hart gelimitet, klingt weicher und musikalischer.
Weiteres Erwähnenswertes
Die IMC hat eine True-Bypass-Schaltung, das heißt, im ausgeschalteten Zustand wird das anliegende Signal einfach durchgeschleift.
Die restlichen Schaltungsteile arbeiten ausschließlich mit Steuerspannung und liegen nicht im Audiopfad. Somit können keine Störungen in den Signalpfad gelangen. Die Trennung zwischen Audiopfad und Steuerspannungen erfolgt ebenfalls durch den Einsatz von Sechs-Wege-Multilayer-Boards mit eigenen Groundlayern.