Praxis
Die DOCtron Martin Stimmings Instant Mastering Chain ist so schnell aufgebaut und angeschlossen, wie man es sich bei einem Live Tool wünscht. Rein, raus, aus die Maus. Allerdings soll man ihr laut Martin Stimming etwas Aufwärmzeit gönnen, bevor man ihr belastbare Ergebnisse abverlangt.
Während des Tests „lebte“ sie als External Ableton Effect an meiner Soundkarte oder wurde direkt von der NI Maschine+ bedient, durch die noch meine Roland TB-303 Devilfish durchgeschleift wurde.
Auch die Soundbeispiele weiter unten entstanden mit diesem sportlich-kleinen Live-Besteck. Tatsächlich passt dieses Setup ganz easy in eine größere DJ-Tasche und somit noch ins Handgepäck. Laut Martin Stimming war das auch Sinn und Zweck und Entwicklungsziel.
Rumfummeln
Die Bedienoberfläche ist nichts für Wurstfinger. Die Potentiometer stehen auf der kleinen Frontplatte schon ziemlich dicht beisammen. Sie sind aber schwergängig genug, um nicht unabsichtlich ein anderes Poti mitzudrehen, an dem der Fingerrücken vorbeistreift. Und in der Performancesituation selbst wird man auch nicht mehr intensiv an der IMC herumschrauben, sondern sich vorher für ein Grundsetting entscheiden, bei dem später vielleicht noch etwas am EQ, Threshold oder Drive nachoptimiert wird. Erfreulicherweise ist die Wärmeentwicklung gering, auch wenn sie den ganzen Tag eingeschaltet ist.
Faszinierenderweise klingt die IMC niemals „falsch“. Je nach Modus verhalten sich die einzelnen Komponenten in ihrem Zusammenspiel aber recht unterschiedlich. Daher gilt es erst mal, eine Grundsatzentscheidung zu treffen: musikalische Luftigkeit oder klare Kante.
Im FB-Modus habe ich besonders gerne die 1:1,5-Ratio-Stellung genutzt. Das Signal bekommt spürbar mehr Druck und Lautheit, klingt aber immer noch dynamisch offen.
Im FF-Modus kann man die Instant Mastering Chain hingegen mit dem Drive-Regler bis zu einer „Instant Brickwall“ hochschrauben, mit enormen Lauheitsgewinn bei gleichem nominellem Pegel. Bitte aber „Brickwall“ nicht zu wörtlich nehmen, denn diese erkauft man sich auch mit einer deutlichen, gut klingenden Klangfärbung.
Für dich ausgesucht
Drive me home
Das der Drive-Regler von besonderer Bedeutung im IMC- System ist, zeigt schon, dass statt nüchterner Zahlen kommentierende Worte als Richtlinie dienen. Von off über soft und medium bis zu max geht die Skala. Und ganz „Spinal Tap“-mäßig (Mehr zu Spinal Tap findet ihr hier) dreht sich der Regler dann noch etwas weiter: Statt der 11 steht hier dann „nuts?“
- Und tatsächlich haut die IMC dann voll auf die Nüsse.
Die Instant Mastering Chain zieht ihre Magie aus dem Zusammenspiel von Threshold und Drive-Regler. Zu 90 % habe ich die niedrigste Ratio, die schnellste Attack und Release im Auto-Modus genutzt. Dann ist die IMC schön snappy und punchy. Schon mit wenig Drive wird das Signal angefettet. Die Medium-Stellung klingt dann schon dick und rund und perfekt für cleanen Club-Sound. Spannend wird’s dann im Maximalbereich. Da klingt schon ein simpler Drum Groove breit und böse und Lieferanten von hartem, brachialem Techno dürfte schon beim Hören der Soundbeispiele der Sabber im Mund zusammenlaufen. Das Faszinierende ist aber, dass das Signal trotzdem nicht komplett verzerrt oder gar clippt. Noch bei der härtesten Einstellung in den Soundbeispielen fing der Kompressor die Peaks zuverlässig ein und formte die Stereosumme zu einer dicken fetten Wurst mit Headroom. Das ist natürlich kein LANDR in Hardware, aber genug Power, um als Live-Act den Mainfloor zu dominieren oder Signature-Sounddesign im Studio zu betreiben.
Hören
Am eindrucksvollsten erklärt sich die Power des Drive-Reglers durch – Hören! Die ersten fünf Audiobeispiele sind mit der Einstellung Feedback, der niedrigsten Radio 1:1,5, der schnellsten Attack und automatischem Release entstanden.
So sah die Einstellung an der Instant Mastering Chain aus:
Für die nächsten fünf Audiobeispiele im FB-Modus habe ich die größte Ratio von 1:10 gewählt, ansonsten alles gleich (schnelle Attack und automatisches Release).
Und noch mal das gleiche Spiel im Feed-Forward-Modus: erst die niedrigste Radio (1:1,5) mit schneller Attack und automatischem Release.
Und noch mal Ratio von 1:10 im FF-Modus, mit schneller Attack und automatischem Release.
Der Equalizer
Der Shelving-EQ ist sehr schön auf druckvolle Clubmusik abgestimmt. Die Einsatzfrequenz des Tiefenbandes liegt bei ca. 60 Hz und das macht unten rum schon mal richtig Druck. Ist wie ein Turbo-Booster für den Sub. Instant Techno-Rumble.
Das Höhenband liegt bei ca. 12 kHz und sorgt für schön silbrige Hi-Hats und Rides. Der Track fängt an zu funkeln und alles klingt irgendwie excited. Der EQ macht also auch fürs Sounddesign im Studio richtig Sinn. Es gibt für den Kompressor keinen Bypass, aber mit dem Threshold auf der ganz linken +20-dB-Position ist er quasi inaktiv. Ich sehe den EQ auch nicht als Korrekturwerkzeug, sondern eher als die Kirsche auf der Torte. Beim Einsatz der IMC in der Summe habe ich ihn bewusst immer erst dann leicht reingedreht, wenn der Sound schon stimmte. Genau dann gibt er noch das gewisse Extra dazu. Andererseits will ich hier auch niemanden davon abhalten, die IMC genau anders zu benutzen. Abuse your tools!
Sidechain
Der Sidechain-Send/Return eröffnet weitere Sounddesign-Optionen. Hier können wir beispielweise einen externen Equalizer einschleifen, um das Kompressionsverhalten der IMC frequenzabhängig zu steuern oder einfach eine Bassdrum zum Pumpen reinzuschicken. Er ist mono ausgelegt, weil er sich nicht im Signalpfad befindet, sondern nur die Kontrollspannung des VCA beeinflusst wird.
Was fehlt?
Im Laufe des Tests hätte ich mir eine klarere visuelle Darstellung der FF/FB-Modi-Stellung gewünscht. Der Umschalt-Button ist hintergrundbeleuchtet, aber das Licht dient als Peak-Indikator. Der Hub des Schalters ist sehr kurz und so lässt sich gerade in dunkleren Situationen nur taktil durch Schalten herausfinden, welcher Modus gerade aktiv ist. Eine etwas aussagekräftigere Pegelanzeige wäre ebenfalls cool, mit drei LEDs oder auch mehr.
Aber das war’s dann auch schon. Ansonsten haben wir es hier mit einem erstaunlich ausgereiften Produkt mit sehr hohem „Haben-Wollen-Faktor“ zu tun.
Für wen ist das?
Die IMC ist perfekt für alle Hardware-Liveacts, die auf der Bühne mit maximalem Sound spielen wollen. Sie passt in jeden Rucksack und pumpt ein simples Setup aus Grooveboxen und Synthesizern auf das Niveau eines vorgemasterten Studiotracks auf. Leider ist das Teil nicht ganz billig. Die gute Nachricht ist: Es macht auch im Studio einen sehr guten Job im Master-Insert der Soundkarte oder als Sounddesign-Tool. Martin Stimming empfiehlt seine IMC ausdrücklich für den Drumbus. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man die IMC auch bald in vielen anspruchsvollen kleinen DJ-Producer-Studios als Premastering- und Sounddesigntool sehen wird.
Ein wenig Geduld ist jedoch vonnöten, die Lieferzeit beträgt je nach Auftragsaufkommen sechs bis acht Wochen.
Alternativen
It’s lonely at the top: Wenn ein Gerät das einzige seiner Art ist, sind Alternativen nur schwer zu finden. Wer vor dem hohen Preis zurückschreckt und einfach nur einen kleinen, leichten, brauchbaren Kompressor für die Bühne sucht, sollte sich die beiden Stereokompressoren
RNC 1773 und RNLA7239 von FMR Audio anschauen.
Die „Really-Nice-Kompressoren“ sind schon lange keine verklärten Geheimtipps mehr, sondern echte Klassiker für den kleinen Geldbeutel, bei denen man weiß, was man kriegt – und was nicht: korrekte Kompression ohne viel Mojo für schlappe 219,- bzw. 259,- Euro. Aber damit wir uns hier nicht missverstehen: Das ist gute 2. Liga und reicht nicht für die Champions League, wo die IMC einzuordnen ist.
BONUS-AUDIO
Wie schön die Instant Mastering Chain auch eine Roland TB-303 Devilfish verdichten kann, hören wir hier mit Modulation an beiden Geräten.
Test-Video
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Mehr InformationenTipps von Martin Stimming zur IMC
Und hier noch ein paar Tipps von Martin Stimming zur artgerechten Nutzung der von ihm entwickelten Instant Mastering Chain.
“Im FF-Modus ganz leise rein (Input ganz nach links auf -10) und mit dem Drive wieder aufholen bis zur Grenze, dann den Kompressor mit schneller Attack, Autorelease und einer Ratio von 1:4 zum Einfangen nutzen.
Zum Schluss mit dem Threshold so weit runter, bis es zuverlässig laut ist. Das resultiert in punchigem, nach vorne kommendem Sound, der auch ein bisschen zusammenschmilzt, aber vor allem glüht.
Im FB-Modus geht man dagegen normal rein und lässt den Threshold bei 0. Der Drive bestimmt dann die Kompression und hier würde ich auch eher eine schnelle Attack- und Release-Einstellung wählen. Man bekommt einen cremig dicken, pumpenden Sound, der aber eher weich klingt und nicht so an die vordere Kante springt.
Generell gilt: Das Zusammenspiel von Drive und Threshold bestimmt die Lautheit und Dichte des Signals. Drive glüht das Signal an und der Threshold fängt es wieder ein. Der Input Gain bestimmt die generelle „Zickigkeit“.
Ich habe das Gerät auf der Superbooth21 mit den einzelnen Schaltkreisen beworben, sehe es aber eher als einen Gesamtorganismus, der seine Stärken im Zusammenspiel der einzelnen Komponenten hat. Auch ist er ganz bewusst auf Sättigung abgestimmt, d. h., wenn man ihn in Nullstellung durchleitet (Input 0, Threshold +20, Drive 0) wird er schon bei einem lauten Signal kotzen, weil da der Input-Regler entscheidend ist. Grundsätzlich freut sich das Teil, wenn es leise angefahren wird. Und ja, der EQ ist bewusst in Extremstellungen so scharf gehalten, damit er als Sounddesign-Tool im Studio seine Stärken ausspielen kann: Altes dumpfes Sample aufhellen? Kein Problem!”
VIDEO
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