Wir Bassisten:innen spielen Harmonien bekanntlich zumeist Ton für Ton nacheinander und nicht im Zusammenklang. Aufgrund der tiefen Frequenzen erzeugen gleichzeitig gespielte Töne schnell eher Soundbrei als Musik. Und doch gibt es tolle Wege und Möglichkeiten, auch auf dem Bass mehrstimmig zu spielen – und das sogar so, dass sich ganz normale Basslines damit aufpeppen lassen! Die Rede ist von den sogenannten Doublestops (auch: Double Stops). Auf Deutsch bedeutet das nichts Anderes, als dass man zwei Töne gleichzeitig spielt.
- Doublestops für E-Bass – irgendwie genial!
- Die üblichsten E-Bass-Doublestops und ihre Interpretation
- Die berühmtesten Doublestops der Musikgeschichte: “Smoke On The Water” und “Highway To Hell”
- Doublestops auf dem E-Bass spielen – wie, wann und warum?
- Doublestops als „Farbtupfer“ in der Bassline
- E-Bass-Doublestops als „Song-Trademark“
- Doublestop-Klassiker: “Don’t Give Up” (Peter Gabriel)
Doublestops für E-Bass – irgendwie genial!
Genau genommen besteht ein Akkord bekanntlich aus mindestens drei Tönen – zwei sind folglich eigentlich ein Ton zu wenig! Das Geniale: Unser Ohr mag diese Unvollständigkeit nicht und versucht daher alles, was es hört, in vertraute Dinge “umzuinterpretieren”.
Spielt man Doublestops auf dem E-Bass, so werden diese daher ganz automatisch als volle Akkorde erkannt – ohne dass der oder die Spieler:in diese komplett darstellen muss! Und das ist äußerst praktisch für uns, denn zwei anstelle von drei Tönen zu spielen ist nicht nur einfacher, sondern es besteht auch weniger Gefahr, durch zu viele Töne Soundbrei am E-Bass zu erzeugen.
Die üblichsten E-Bass-Doublestops und ihre Interpretation
Die folgende Auswahl an Doublestops findet man relativ häufig in bekannten Basslines. Wie sie eingesetzt bzw. von unserem Ohr interpretiert werden, habe ich ebenfalls dazu geschrieben. Natürlich gibt es noch unzählige andere Möglichkeiten, zwei Töne zu lesen und zu deuten. Die hier dargestellte Nutzung ist jedoch nach meiner persönlichen Erfahrung die häufigste. Die Intervalle findet ihr einmal isoliert und in der zweiten Zeile jeweils mit dem passenden Grundton (oder mehreren), um die harmonische Bedeutung zu zeigen:
1.) Oktave => Doppelung des Grundtons des Akkords
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2.) Kleine Terz => Grundton und Terz eines Moll-Akkords, Terz und Quinte eines Dur-Akkords, Quinte und Septime eines Moll- oder Dur-Septakkords
3.) Große Terz => Grundton und Terz eines Dur-Akkords, Terz und Quinte eines Moll-Akkords
4.) Quarte => als Quinte und Grundton eines Moll- oder Dur-Akkords, Septime und Terz eines Moll-Septakkords
5.) Quinte => als Grundton und Quinte eines Moll- oder DurAkkords, Terz und Septime eines Moll-Septakkords
6.) Kleine Sechste => als Terz und Grundton eines Dur-Akkords
7.) Große Sechste => Terz und Grundton eines Moll-Akkords
8.) Kleine Septime => Grundton und Septime eines Moll-Septakkords oder Dominant-Septakkords
Die berühmtesten Doublestops der Musikgeschichte: “Smoke On The Water” und “Highway To Hell”
Bevor wir zu den angekündigten praktischen Nutzen in unseren alltäglichen Basslines kommen, gönnen wir uns zum Einstieg zwei legendäre Gitarren-Riffs, die zu den bekanntesten der Welt gehören. Das Thema “Doublestops” ist nämlich keineswegs nur uns Bassist:innen vorbehalten!
„Smoke On The Water“ von Deep Purple bedarf wohl keiner weitere Einführung! Dieses von Gitarrenlegende Ritchie Blackmore ersonnene „Riff des Jahrhunderts“ besteht lediglich aus Quarten. Dabei nimmt unser Ohr allerdings interessanterweise den höheren Ton als Grundton wahr – nicht den tieferen, wie man vielleicht von der Logik und der Notation her annehmen würde. Hier findet ihr dieses legendäre Riff für E-Bass notiert:
„Highway To Hell“ von AC/DC bedient sich großteils der beliebten Powerchords (Grundton und Quinte des Akkords). Diese lassen naturgemäß offen, ob es sich um einen Dur- oder Moll-Akkord handelt, da auf die für das Tongeschlecht wichtige Terz verzichtet wird. Bei der kleinen Sexte (Fis und D) hört unser Ohr abermals den höheren Ton (D) als Grundton und das Fis als Große Terz eines D-Dur-Akkords.
Beim zweiten Akkord bleibt das hohe D liegen, der tiefere Ton wandert einen Bund weiter vom Fis zum G. Und siehe da: Sofort erkennt unser Ohr, das nun der tiefere Ton der Grundton ist und es sich um einen G-Powerchord handelt. Hier seht ihr das Riff für den Bass adaptiert:
Doublestops auf dem E-Bass spielen – wie, wann und warum?
Doch kommen wir zurück zu unserer eigentlichen Aufgabe bzw. unserem Job in der Band. Doublestops können nämlich auch als eine Art Werkzeug für kreatives Bassspiel und interessante Basslines dienen. Die Frage lautet: „Wie, wann und warum setzte ich dieses Werkzeug ein?“
Zum einen kann man im Verlauf eines Songs für kleine geschmackvolle Highlights und klangliche Abwechslung sorgen – sozusagen als „Farbtupfer“. Kleine Besetzungen, wie etwa ein Trio schaffen für Doublestops viel Raum, da hier für gewöhnlich ein sehr luftig-offener Bandklang vorherrscht. Spielt der Gitarrist oder Pianist ein Solo, so bleiben für gewöhnlich „nur“ noch der Bass und das Schlagzeug übrig, um die Harmonien darzustellen. Daher kann man hier großzügig zu Doublestops greifen, und der Solist und die Zuhörer werden es einem sogar danken, da man mehr harmonische Information bereitstellt.
Ein weitere Möglichkeit ist, dass ein oder mehrere Doublestops eine Art „Trademark“ der Bassline sind und deren Wiedererkennungswert steigern. Schauen wir uns hierzu ein paar Beispiele an:
Doublestops als „Farbtupfer“ in der Bassline
Ein unbestrittener Meister in Sachen geschmackvolles Bassspiel ist der Edel-Sideman Pino Palladino. Pino benutzt Doublestops nicht selten ganz bewusst als Klangfarbe: Gerade bei langsamen Stücken im 6/8-Takt greift er sehr gerne zu diesem Mittel.
Hier ist ein kleines Beispiel aus dem Song „Gravity“ von John Mayer in einer Live-Version. Hier seht und hört ihr auch die angesprochene klassische Trio-Besetzung, in der sich Doublestops hervorragend einsetzen lassen.
Und noch ein zweites Beispiel von Pino, diesmal aber aus einem anderen Genre: D’Angelos „Voodoo“ ist eine Art „heiliger Gral“ für Neo-Soul-Grooves und abgehangenes Laid-Back-Spiel. Auch im Song „Send It On“ wird dieses mächtig zelebriert. Trotzdem findet Pino aber auch noch Zeit, mit einem Doublestop zweimal im Song für einen kleinen „Wow, was war das?“-Effekt zu sorgen. Und: Die Pause nach dem Doublestop lässt diesen sogar noch besser wirken:
Einen einfachen und naheliegenden Trick nutzen Basslegenden wie Larry Graham, Bootsy Collins und Prince: Zugegeben, eine Oktave hat zwar wenig harmonisch Interessantes zu bieten, dafür klingt sie jedoch ausgesprochen fett! Diesen Umstand machen sich die drei genannten Herren in ihren Basslines ausgiebig zunutze und spielen gerne Doublestop-Oktaven auf der Zählzeit 1, um diese schön fett klingen zu lassen.
Häufig folgt dann noch ein zweitaktiges Groove-Pattern mit viel „Luft“, so dass diese fette 1 noch wirkungsvoller erscheint. Hier ein Beispiel aus Bootsy Collins Scheibe „World Wide Funk“: Der Song „Thera-P“ ist ein schönes Beispiel für beschriebenen Effekt!
E-Bass-Doublestops als „Song-Trademark“
Kommen wir zu Basslines, in denen Doublestops ein fester Bestandteil sind und entscheidend zu deren Wiedererkennungswert beitragen. Los geht es mit einem weiteren Meister der Kreativität: Paul McCartneys Riff zum Beatles-Klassiker „Come Together“ gehört zum bassistischen Allgemeinwissen.
Einige Jahrzehnte später coverte kein Geringerer als Marcus Miller diesen Song und gestaltete ihn entsprechend funky. Dort, wo „Sir Paul“ nur einen Ton spielte (F), nutzt Marcus gleich einen Doublestop. Ganz bestimmt „rein zufällig“ hat er wohl den Song in die slapfreundliche Tonart E transponiert. Die Quarte bestehend aus den Tönen D und G stellen schön die Intervalle 7 und #9 des zugrunde liegenden E7#9-Akkords dar. Im PDF habe ich sowohl das Original als auch das Cover dieses legendären Riffs notiert:
Doublestop-Klassiker: “Don’t Give Up” (Peter Gabriel)
DIE Bassline mit Doublestops schlechthin ist ganz sicher Peter Gabriels „Don’t Give Up“. Basslegende Tony Levin schuf hier ein Meisterwerk des geschmackvollen Begleitens in Sachen Melodik, Harmonik, Rhythmik und Unterstützen der Melodie.
Pro Akkord spielt Tony zwei Doublestops: Der erste ist sehr harmonisch und besteht meist aus Grundton und Terz des zugrundeliegenden Akkords. Der zweite Doublestop besteht dann aus zwei Tönen (z. B. der Septime und der None), welche für etwas mehr Reibung und somit gesteigerte Spannung sorgen. Bei der Wiederholung des Patterns dreht er diese Reihenfolge um und landet wieder auf dem Grundton und der Terz. So löst er die aufgebaute Spannung gleich wieder perfekt auf. Sensationelle Arbeit!
Ich wünsche euch viel Spaß beim Experimentieren mit Doublestops!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Ali Ferrero sagt:
#1 - 19.08.2023 um 23:38 Uhr
Schöne Beispiele. Danke! Statt der Noten von Voodoo ist im Link aber noch mal Gravity hinterlegt.
Lars Lehmann sagt:
#1.1 - 21.08.2023 um 19:36 Uhr
Hi Ali! Vielen Dank für den Hinweis, ich habe es eben korrigiert! Schönen Gruß, Lars
Antwort auf #1 von Ali Ferrero
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenStephan sagt:
#2 - 12.11.2024 um 10:40 Uhr
Schöner Artikel, der leider durch das unsägliche Gegendere stellenweise nur schwer lesbar ist. Leute im Ernst: Gendern stört extrem den Lesefluß! Und niemand goutiert hier euren Kniefall vor dem woken Zeitungeist. Jeder und jede hier fühlt sich gleichermaßen als Musiker und Bassist angesprochen, da braucht es keine ideologischen Verrenkungen.