Heute betreten wir die Welt der Dreiklänge, oder, um es genauer zu sagen, der Dreiklang-Arpeggios Was ein Dreiklang ist, wurde bereits in der Harmonielehre-Reihe erschöpfend erklärt, und auch Lars Cölln hat in seinem Akkordversteher-Workshop das Thema Dreiklangakkorde erläutert.
In unserem Workshop wird es aber ganz konkret um die dazugehörigen Arpeggios gehen. Aber klären wir zuerst einmal die Begriffe: Spielt man die drei Töne eines Dur- oder Mollakkordes simultan (also gleichzeitig), spricht man von einem Akkord, lässt man die Töne sukzessive (also nacheinander) erklingen, spricht man von einem Arpeggio. Der Begriff leitet sich vom italienischen Wort “arpa” für Harfe ab, da auf diesem Instrument häufig die Akkorde in Einzeltöne zerlegt gespielt werden.
Hier wird der Unterschied in Notenschrift deutlich:
Aber wozu benötige ich Arpeggios? Ganz einfach: Zum einen kann ich beim Solospiel durch den Einsatz von Akkordzerlegungen eine ganz bestimmte Atmosphäre erzeugen, weil ich den Sound des Akkordes konkretisiere. Aber auch beim Solieren über komplexere Changes in Jazz oder Fusion lassen sich mit Arpeggios die Akkorde ganz deutlich ausspielen, und das mit einem Minimum an Tönen, denn die Akkordzerlegung stellt quasi die “destillierte” Harmonie-Information dar.
Das Hauptkriterium für mich aber ist die Tatsache, dass fast jede starke Melodie sehr häufig eine Mischung aus Skalen und Arpeggiomelodik ist.
Betrachten wir diese einfachen Volkslieder: Zum Beispiel “Fuchs du hast die Gans gestohlen”:
Oder auch: “Im Frühtau zu Berge”
So banal die obigen Beispiel auch wirken mögen, jeder kennt diese Melodien und jeder kann sie sich nach kurzer Zeit merken. Das bedeutet, dass ihr eurem Solo mit dem Einsatz von Arpeggios unter Umständen einen besonders melodiösen oder “singbaren” Touch verleihen könnt. Eine ganz andere Baustelle sind Soli in Hard Rock und Metal, ob getappt oder gesweept, die sehr häufig aus Arpeggioläufen bestehen, und tatsächlich handelt es sich auch hier meistens um Dreiklangsarpeggios (im Gegensatz zu z.B. Vierklangsarapeggios).
Der technischen Seite und der Spielweise der Arpeggios werden wir uns noch widmen, doch beginnen wir unser Dreiklang-Haus mit dem Fundament und fassen zum Einstieg noch einmal unser Harmonielehrewissen zusammen:
Wir kennen die vier Dreiklang-Haupttypen Dur, Moll, vermindert und übermäßig, und aus jedem dieser Dreiklänge lassen sich jeweils drei Positionen bilden, die Grundstellung, die erste und die zweite Umkehrung.
Im Notenbild gestaltet sich das so: Der Durakkord:
Für dich ausgesucht
- Solos spielen mit Arpeggios #4 – Die Eroberung des Griffbretts
- Solos spielen mit Arpeggios #2 – Übermäßige und verminderte Arpeggios
- Solos spielen mit Arpeggios #7 – Improvisieren mit Triad Coupling
- Solos spielen mit Arpeggios #8 – Improvisieren mit Hexatonics
- Solos spielen mit Arpeggios #3 – Sweep Picking und Co.
Der Mollakkord:
Der verminderte Akkord
Der übermäßige Akkord:
Was wir hier sehen, sind die Dreiklänge in der sogenannten “Close Position”, was bedeutet, dass die Akkordtöne so nah wie möglich beieinanderliegen. Alternativ dazu gibt es die “Open Position”, bei der die Akkorde quasi “auseinandergezogen” werden. In dieser Variante ordnen wir die Akkordtöne so an, dass zwischen ihnen ein anderer Akkordton Platz hätte.
Betrachtet die Dreiklänge und ihre Umkehrungen in “Open Position”, hier am Beispiel G-Dur:
So klingen die Open Positions:
Der Sound dieser Open Positions liefert uns einen fast renaissanceartigen Klangcharakter, der sich aber auch sehr gut in Rock und Pop einbauen lässt (man denke an das Intro von Stings “Shape of my heart”). Aber nicht nur als Akkord, sondern auch als Arpeggio klingen die Open Positions fantastisch, doch davon später mehr.
Nachdem wir uns einen kleinen Überlick verschafft haben, wie es um den theoretischen Überbau bestellt ist, wollen wir jetzt in die Praxis gehen und unsere Möglichkeiten in bissgerechte Portionen verpacken. Um euch nicht mit einer Fülle von Fingersätzen zu erschlagen, wäre mein Vorschlag, sich zuerst auf die Fingerings der Dur- und Moll-Dreiklänge zu beschränken, da die in der Praxis auch den Löwenanteil bestreiten.
Im Prinzip haben wir zwei Möglichkeiten, uns den Arpeggiofingersätzen zu nähern:
- Horizontal, das heißt, wir bewegen uns nur auf zwei oder drei Saiten und schieben die Fingersätze auf dem Griffbrett nach oben.
- Vertikal, was bedeutet, dass wir – wie auch bei unseren Skalen – in Position, also in einer Lage bleiben.
Mein Vorschlag wäre, mit Möglichkeit 2 zu beginnen. Hier seht ihr die ersten Fingersätze für Dur, der markierte Ton bildet den Grundton des Akkordes:
Die klingen so:
Ich würde euch empfehlen, diese Fingerings gut auswendig zu lernen. Vertraut eurem Gehör, denn jeder von Euch kennt den Sound des Dur-Akkordes gut genug, um Fehler selbst zu entdecken. Ganz besonders wichtig ist es natürlich auch, dass ihr euch den jeweiligen Grundton merkt, um die Arpeggios in alle Tonarten transponieren zu können.
Eine weitere Eselsbrücke liefern euch natürlich auch die bereits bekannten “Lagerfeuerakkorde”, die in die Arp-Fingersätze eingebettet sind – betrachtet die Griffbilder und sucht nach den vertrauten Akkorden.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Fingersätzen in Moll – auch hierzu haben wir wieder sieben Fingersätze:
Wenn ihr eure Dur- und Moll-Fingersätze gelernt habt, ist euch vielleicht aufgefallen, dass viele Töne gleich bleiben. Aber das ist auch logisch, denn Dur- und Molldreiklang unterscheiden sich ja nur durch die Terz, die bei Dur groß, bei Moll hingegen klein ist. Der Grundton und die Quinte bleiben gleich. Ich würde euch raten, beim Spielen der Fingersätze die Funktion der einzelnen Noten im Hinterkopf zu behalten – was ist Grundton, was ist Terz und was ist Quinte. Dadurch lernt ihr zum einen euer Instrument besser kennen und zum anderen wird es euch um einiges leichter fallen, die übermäßigen und verminderten Dreiklänge auf die Pfanne zu bekommen. Denn übermäßig unterscheidet sich nur in der übermäßigen Quinte vom Durdreiklang und vermindert unterscheidet sich nur durch die verminderte Quinte vom Molldreiklang.
Um mit den neu erlernten Fingersätzen besser klarzukommen, würde ich euch eine Übung empfehlen, die ich auch schon in der Pentatonikreihe vorgestellt habe, nämlich das Durchspielen innerhalb einer Lage. Dabei kann der Begriff “Lage” durchaus flexibel gefasst und um ein oder zwei Bünde erweitert werden. Ziel allerdings bleibt, “kurze Wege” durch eine chromatische Zufallsreihe zu gehen.
Hier unsere chromatische Zufallsreihe:
Jetzt müssen wir das Geschlecht festlegen, also Dur oder Moll, und natürlich die Lage auf dem Griffbrett. Nehmen wir zum Beispiel Dur-Arpeggios in der III. Lage, dann könnte das mit obiger Reihe in etwa so aussehen:
Falls euch das zu langweilig wird, könnt ihr den Schwierigkeitsgrad steigern, indem ihr die eine Tonart aufsteigend und die nächste absteigend spielt:
Kommt ihr mit den obigen Übungen gut klar, dürft ihr gerne einen Schritt weiter gehen und euch noch etwas stärker einschränken:
Wir knöpfen uns wieder unsere Tonreihe vor, legen ein Tongeschlecht und eine Lage fest, beschränken uns diesmal aber auf drei benachbarte Saiten, auf denen sich alles abspielen muss.
Als Beispiel nehmen wir Moll-Arpeggios in der VII. Lage auf den Saiten D, G und B:
So weit, so gut. Nach all diesen Übungen solltet ihr einen guten Einblick in die Arpeggiofingersätze haben, sodass wir in einen musikalischen Kontext gehen können.
Wenn wir jetzt über ein Playback solieren und uns dabei auf einen einzigen Dreiklang beschränken sollen, wird es zugegebenermaßen sehr schwierig, ein interessantes Solo über mehrere Takte zu halten. Wie bereits oben erwähnt, besteht der Reiz nämlich in der Mischung aus skalenmäßigen Melodieteilen und Arpeggio-Melodieteilen. Es gibt allerdings noch eine andere Möglichkeit, diesem Problem für die nächste Übung aus dem Weg zu gehen – wir nehmen einfach zwei Arpeggios.
Das folgende Playback besteht aus den Akkorden:
II: Am I Am I F I F :II
Wir bedienen uns jetzt einfach zweier Arpeggios, die über beide Akkorde gut klingen, und zwar Am Arp und G Dur Arp (warum ausgerechnet diese beiden gut funktionieren, wird Bestandteil einer späteren Folge sein).
Ich verwende, wie gesagt, nur G und Am als Arpeggio, wobei ich natürlich nicht jeden Fingersatz über alle sechs Saiten ausspiele, sondern manchmal nur zwei oder drei Töne des jeweiligen Fingersatzes verwende, und es klingt folgendermaßen:
Und hier einmal für euch zum Austoben:
Zum Abschluss dieser ersten Folge möchte ich euch noch eine kleine Etüde präsentieren, um die doch etwas ungewöhnlichen und zugegebenermaßen auch durchaus ungemütlichen Fingersätze etwas mehr unter Kontrolle zu bringen.
Zugrunde liegt die Akkordfolge:
I Am I Dm I E7 I Am I
I F I D/F# I G I E I Am I
Unsere Etüde spielt diese Akkordfolge nun in Arpeggios aus. Diesmal haben wir das Ganze wieder als PDF vorbereitet, da das Beispiel sehr lang ist und deshalb in der “Bildversion” schlecht zu lesen wäre:
Rein technisch gibt es für Arpeggios verschiedene Spielmöglichkeiten – ich würde euch am Anfang jedoch raten, zuerst ganz konsequent mit alternate Picking zu üben, denn heute soll es primär um die Griffbrettorientierung gehen. Die anderen Möglichkeiten werde ich euch im Laufe dieser Serie noch vorstellen.
So, geschätzte Kollegen, wir sind wieder am Ende einer Folge angelangt. Ich hoffe, ihr könnt das neue Topic gut in euer Spiel integrieren – nehmt euch Zeit mit dem Üben und versucht, wenn ihr zu Jamtracks spielt, so viel Musik wie möglich zu machen. In der nächsten Folge werden wir noch ein paar Schritte weitergehen, denn es gibt zu diesem Thema noch so einiges zu sagen.
In diesem Sinne, alles Gute ! Haiko
Stefan sagt:
#1 - 11.11.2013 um 02:47 Uhr
Hey Haiko!
Super Workshop! find ich echt gut! grad das letzte Etüde-Beispiel gefällt mir sehr gut! Danke erstmal dafür!Mir ist aber, glaube ich, ein Fehler beim Bild der Moll-Dreiklänge aufgefallen. Beim linken Diagramm in der unteren Reihe sind die beiden Töne auf der tiefe E-Saite und der A-Saite ein Bund noch links verschoben, also zu tief und passen nicht!LG
Stefan
Haiko sagt:
#2 - 12.11.2013 um 12:25 Uhr
Hi Stefan,danke für Deinen Beitrag - klar da hast du vollkommen Recht, das muss einen Bund hoch.Grüße,Haiko
bonedoHansi sagt:
#3 - 14.11.2013 um 16:33 Uhr
Hallo Stefan,
das Bild wurde korrigiert und ausgetauscht. Danke nochmal für deine Hilfe!Gruß Hansi
Per Janssen sagt:
#4 - 02.08.2024 um 14:50 Uhr
Richtig guter Workshop. :) Gibt es vielleicht einen weiterführenden Artikel der mal auf deine Akkordauswahl für den letzten Jamtrack eingeht? Dort hast du Akkorde aus anderen Tonarten geliehen. Wenn ich richtig sehe ist das eine i- iv-V in A-Moll, IV in C und die V der V (G-Dur), zurück zur V von Am (i). Oder vielleicht hat wer anders eine Idee wie man das erklären könnte?
Haiko (Bonedo) sagt:
#4.1 - 05.08.2024 um 15:00 Uhr
Hallo Per, vielen Dank Dir! Du beziehst Dich auf diese Akkordfolge?: I Am I Dm I E7 I Am I I F I D/F# I G I E I Am I Das ist im Prinzip eine Progression aus Am aeolisch, wobei mit dem D/F# und dem E Zwischendominanten erscheinen (D ist die Doppel-Dominante zu G und E die Dominante zu Am). Dazu gibt es auch einen Workshop, wenn du das etwas vertiefen willst - Du musst etwa runterscrollen zum Thema "Sekundärdominanten (auch Zwischendominanten genannt)": https://www.bonedo.de/artikel/harmonielehre-workshop-6-die-ii-v-i-verbindung/ Beste Grüße, Haiko
Antwort auf #4 von Per Janssen
Melden Empfehlen Empfehlung entfernen