Haben wir uns in den letzten beiden Folgen primär mit den vertikalen Fingersätzen unserer Arpeggios innerhalb einer Lage beschäftigt, soll es in dieser Ausgabe verstärkt um horizontale Einsätze unserer Fingershapes gehen. Dabei wollen wir uns auch ganz speziellen Licks widmen, wie ihr sie möglicherweise aus vielen Soli der Rock/Pop-History kennt.
Außerdem werde ich euch einige weitere Übungen an die Hand geben, die euch helfen, alle Möglichkeiten in allen Tonarten auszuschöpfen. Bei unserer ersten Übung, die ich in Folge 2 bereits angerissen habe, geht es um Permutationen.
Bekanntlich gibt es sechs Möglichkeiten, die Töne eines Dreiklangs pro Position anzuordnen, nämlich folgende:
1-3-5 | 3-1-5 | 5-1-3 |
1-5-3 | 3-5-1 | 5-3-1 |
Diese sechs Permutationen kann man jedoch in allen Positionen, also Grundstellung, 1. Umkehrung und 2. Umkehrung finden, woraus eine Gesamtzahl von 18 Möglichkeiten resultiert.
In Folge zwei haben wir diese Übung ausschließlich in Grundstellung durchexerziert, heute nehmen wir jedoch noch die erste und zweite Umkehrung hinzu.
Um den Unterschied zwischen den einzelnen Permutationen deutlich zu machen, möchte ich euch am Beispiel von C-Dur alle 18 Möglichkeiten zeigen:
Und so klingen sie:
Wie ihr seht, ist beispielsweise der Unterschied zwischen 135 in Grundstellung und 135 in der ersten Umkehrung, dass in der ersten Umkehrung der Grundton die höchste Note ist, wohingegen in der Grundstellung der Grundton die tiefste Note darstellt.
Nun aber zur Übung, die im Prinzip ähnlich ist wie in den letzten Folgen. Wir knöpfen uns eine chromatische Zufallsreihe vor, zum Beispiel:
Für dich ausgesucht
- Solos spielen mit Arpeggios #4 – Die Eroberung des Griffbretts
- Solos spielen mit Arpeggios #2 – Übermäßige und verminderte Arpeggios
- Solos spielen mit Arpeggios #1 – Dur- und Moll-Dreiklang-Arpeggios
- Workshop Kreatives Rhythmus Gitarrenspiel #6 – Cluster und Quartvoicings
- Solos spielen mit Arpeggios #5 – Diatonische Dreiklänge
Nun wählen wir ein Akkordgeschlecht (z. B. Moll) und eine Permutation mit Position (z. B. 351, 1.Umkehrung) und dazu eine Lage, beispielsweise die dritte. Mit obiger Reihe sieht das Ganze dann folgendermaßen aus:
Einige Worte zum Thema ” Sweepen”:
Wenn ihr euch alle oben genannten Übungen zu Gemüte geführt habt, seid ihr für den Arpeggioeinsatz in allen Lebenslagen tonal bestens gewappnet. Allerdings habt ihr vielleicht gemerkt, dass Arpeggiofingersätze nicht unbedingt sonderlich gitarristenfreundlich liegen – insbesondere die Anschlagshand muss hier Schwerstarbeit leisten.
Das liegt in erster Linie an der Tatsache, dass wir es meistens nur mit ein oder zwei Tönen pro Saite zu tun haben und der konsequente Wechselschlag uns oft dazu zwingt, das Plektrum “um die Saite herum” zu positionieren. Schlagen wir z. B. den Grundton eines Arpeggios auf der D-Saite mit einem Downstroke an und wollen auf der G-Saite dann die Terz anspielen, so würde uns das Alternate Picking dazu zwingen, wieder einen Upstroke zu machen. Das ist auch vollkommen in Ordnung und Gitarristen wie Steve Morse oder Carl Verheyen sind exzellente Beispiele dafür, dass das auch mit Wechselschlag möglich ist. Aber es gibt eben auch eine Alternative, nämlich das “Sweepen”.
Beim Sweep Picking schlägt das Plektrum in die Richtung, in der die nächste Saite liegt. Spielen wir also ein C-Dur Arpeggio in der VIII. Lage ab der D-Saite aufsteigend, so haben wir pro Saite einen Akkordton – warum also nicht die abschlagende Plektrumrichtung beibehalten? Das könnte dann so aussehen:
Ein kleiner Tipp, um den Flow zu erhalten: Wenn ihr die D-Saite angeschlagen habt, sollte euer Plektrum auf der G-Saite liegen und dort kurz verharren, dann diese Saite anschlagen und auf der B-Saite kurz liegenbleiben usw. Das heißt, nicht immer wieder mit dem Plektrum neu ansetzen, sondern auf der nächsten Saite “aufschlagen”.
Eine große Gefahr besteht darin, das Plektrum unrhythmisch über die Saiten “flapsen” zu lassen, darum ist es eigentlich viel anstrengender, das Sweepen in einem sehr langsamen Tempo zu üben. Dennoch sollte man genau das machen und auch zu Übungszwecken ruhig übertrieben hart anschlagen, um den rhythmischen Puls deutlich zu spüren und Kraft aufzubauen.
Ein weiteres Augenmerk solltet ihr auf das Dämpfen der bereits gespielten Saiten legen. Man will die Töne des Arpeggios ja als Einzeltöne wie in einer Line wahrnehmen und nicht als Akkord, in dem alles ineinanderklingt. Ihr müsst also den Greiffinger nach dem Anschlag abheben und so die entsprechende Saite dämpfen. Manche machen das mit dem Handballen, aber die meisten werden dazu die Fingerkuppe des nächsten Greiffingers benutzen.
Manchmal ist es auch nötig – wenn beispielsweise zwei Töne auf benachbarten Saiten im gleichen Bund liegen – die Fingerglieder “abzuknicken” und abrollen zu lassen, sodass sie auf der einen Saite den Greif- und auf der anderen den Dämpfjob übernehmen können.
Dazu hier eine kleine Übung:
So klingt das Ganze sehr langsam. Achtet dabei darauf, dass daraus kein Barrégriff wird, sondern dass ihr so die einzelnen Saiten separiert:
Natürlich gäbe es an dieser Stelle noch einiges zum Thema Sweep Picking zu sagen, denn es ist ebenso möglich, Skalen und Melodien zu sweepen, die quasi “nicht arpeggiobasiert” sind. Der australische Fusiongitarrist Frank Gambale hat dieses Prinzip bis ins haarkleinste Detail ausgecheckt und auch tolle Bücher zu diesem Thema verfasst. In diesem Workshop würde ich mich jedoch gerne auf die Sweeptechnik im Zusammenhang mit dem Arpeggiospiel beschränken.
So weit, so gut! Da wir nun das technische Werkzeug parat haben, können wir uns wie angekündigt den Dreiklangarpeggios über die horizontale Sichtweise nähern, das heißt, wir betrachten unseren Gitarrenhals der Länge nach.
Auch für horizontal angelegte Fingersätze gibt es mehrere Möglichkeiten.
Zu Beginn nehmen wir uns die hohe e- und b-Saite heraus. Logischerweise werden wir bei drei Fingershapes landen, da wir drei Positionen haben (Grundstellung, 1. Umkehrung und 2. Umkehrung).
In D-Dur beispielsweise sehen diese folgendermaßen aus:
Und klingen so:
Wenden wir uns dem Mollpendant zu, dann ändert sich für uns lediglich eine Note: (auch dieses Beispiel in D, diesmal Dm):
Natürlich bietet sich bei drei Tönen eines Dreiklangs die triolische Rhythmisierung an, allerdings kann man auch wunderschön andere rhythmische Quantisierungen und Verschieber mit diesen Shapes bewerkstelligen, zum Beispiel folgende Einteilung in Sechzehntel:
Als kleines Hörbeispiel zum Thema Dreiklangarpeggios auf zwei Saiten empfehle ich euch das Schlusssolo von “Sultans of Swing” von den Dire Straits oder auch das Ending des Eagles-Klassikers “Hotel California” – dort werdet ihr genau diese Minishapes der Arpeggios finden.
Und das waren nur die hohe e- und b-Saite! Versucht einmal selbst, die jeweiligen Dreiklangarpeggios auf den anderen Saitenpärchen herauszufinden.
Letztendlich können wir – ausgehend von diesen Minipositions – unsere Triad-Arpeggios nach unten erweitern, indem wir zum Beispiel die G-Saite in unseren Shape integrieren.
Dabei erhalten wir zwei Töne auf der hohen E-Saite und jeweils einen auf der b- und G-Saite. Für unsere Durarpeggios (am Beispiel D-Dur) gestaltet sich das folgendermaßen:
Und für die Mollarpeggios ändert sich wieder nur die Terz:
Überlegt einmal selbst – wie würden unsere Arpeggios aussehen, wenn wir die D-Saite ebenfalls in unser Shape integrieren würden?
Nun wollen wir uns eine Strategie überlegen, wie wir das ganze Material sowohl hinsichtlich der Sweeptechnik als auch der Fingersätze im wahrsten Sinne des Wortes in den Griff bekommen können. An dieser Stelle seid ihr und eure Kreativität gefragt: Arpeggios sind ja bekanntlich zerlegte Akkorde. Demzufolge wird jede Progression, die mit Akkorden gespielt wird (und damit meine ich ganz gewöhnlich im Lagerfeuerstil) und dort gut klingt, selbstverständlich auch arpeggiert (also “zerlegt”) gut klingen. Das heißt, ihr könnt euch eure Übungen selbst schreiben! Nehmt irgendeine Akkordprogression, die euch gefällt, zum Beispiel:
Wenn ihr die obige Progression nun in Arpeggios ausspielt, erhaltet ihr vielleicht folgende Etüde:
Und die Noten. Diesmal als PDF, da sie etwas länger ausfallen:
Und selbst das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie man diese Akkordfolge “ausarpeggieren” könnte. Ihr hättet die Möglichkeit, auf diversen Umkehrungen zu beginnen, diverse Rhythmen zu benutzen, die Arpeggios über 2, 3 oder 4 Saiten auszuspielen etc.. Lasst eurer Kreativität freien Lauf, und zwar sowohl bei der Auswahl eurer Akkordprogression als auch bei den Varianten der dazugehörigen Arpeggios. Vielleicht könnt ihr ja einen ähnlichen Part in einem eurer Songs verbasteln, z. B. als Abschluss des Gitarrensolos?
So viel für den heutigen Workshop! Ich hoffe, es waren neue Anstöße dabei, die ihr in euer Spiel übernehmen könnt. In der nächsten Folge wollen wir uns noch stärker mit Dreiklangarpeggios (aber diesmal über fünf und sechs Saiten), sowie Arpeggioläufen über das gesamte Griffbrett beschäftigen. Und das alles in Kombination mit Sweeppicking und interessanten Möglichkeiten, wie wir unsere Arpeggios verknüpfen können.
In diesem Sinne, Stay tuned,
Haiko