Hallo geschätzte Kollegen und willkommen zum fünften Teil meiner Dreiklang-Workshopreihe. In den vergangenen Folgen ging es primär darum, wie wir ein oder zwei Dreiklänge pro Takt entweder ganz ausspielen oder uns durch die Kombination von zwei Dreiklängen mehr Akkordoptionen schaffen können.
In der heutigen Folge wollen wir uns mit Übungen beschäftigen, die gelernten Dreiklänge diatonisch in den gängigen Skalen anzuwenden und dadurch mehrere verschiedene von ihnen über Akkordfolgen auszufahren. Ganz nebenbei verknüpfen wir das mit Abläufen, die uns helfen, auf diese Weise technisch sehr flexibel zu werden. Richten wir zunächst unseren Blick auf die geläufigsten Tonleitern, denen wir im Rock/ Pop/Jazz-Bereich begegnen. Allen voran wäre das auf jeden Fall die Pentatonik- bzw. Bluestonleiter. Die ist zwar spitze, liefert uns jedoch durch ihren asymmetrischen Aufbau nicht auf jeder Stufe einen Hauptdreiklang (Dur, Moll, vermindert, übermäßig). Natürlich können wir auch aus der Pentatonik dreitönige Gebilde extrahieren, allerdings war das bereits Gegenstand meines Pentatonikworkshops.
Das heißt, es bleiben uns:
− die Durtonleiter mit ihren Modi: Diese Scale ist wohl die wichtigste und liegt fast allen Kompositionen zu Grunde.
− Harmonisch Moll: Auch für diese Scale finden wir sehr viele Einsatzmöglichkeiten: im Pop/Rock-Bereich sehr häufig bei Dominanten, die in einen Mollakkord auflösen bzw. für stellvertretende verminderte Akkorde, und in Jazz und Fusion in noch mehr Gelegenheiten.
− Melodisch Moll: Diese Skala ist zugegebenermaßen im Rock/Pop eher selten anzutreffen, erweist uns aber in anderen Styles und auch bei lang angelegten Impros in Funk-Sessions wertvolle Dienste.
− Ganzton/Halbton: Auch die GTHT ist eher im Jazz/Fusion anzusiedeln, kann aber ebenfalls bei Improvisationen über einen Steady-Akkord sehr interessante Spannungseffekte erzielen.
− Ganztonleiter: Für diese Scale gilt das gleiche wie für GTHT, sie ist eher in Jazz/Fusion oder auch sehr gerne in Filmmusik anzutreffen, kann aber dennoch eine sehr “vibige” Atmosphäre erzeugen.
− Harmonisch Dur, Double augmented oder andere Exoten: Die sollen uns zu diesem Zeitpunkt nicht weiter interessieren, aber gut zu wissen, dass es sie gibt.
Um von der Fülle an Scales nicht erschlagen zu werden, empfehle ich denjenigen, die nicht jede der obigen Tonleitern auf der Pfanne haben, sich dem Thema auch in der gelisteten Reihenfolge anzunähern. Oder anders ausgedrückt: Wer die Durtonleiter noch nicht gut kennt, kann sich GTHT erstmal für einen späteren Zeitpunkt aufheben, und mit harmonisch Moll ist man im Rock/Pop bestimmt breiter aufgestellt als nur mit melodisch Moll.
Unsere erste Aufgabe liegt nun darin, jede dieser Scales nach vorhandenen Dreiklängen abzuklappern, den sogenannten “diatonischen” oder leitereigenen Akkorden. Den Beginn macht die Durtonleiter, hier im Beispiel C- Dur:
Wie ihr seht, begegnen uns drei Dreiklangskategorien: Dur, Moll und vermindert. Mit diesem Wissen bewaffnet, können wir nun eine Tonleiterübung entwickeln, denn wir bilden aus diesen Dreiklängen eine Sequenz, wir türmen also auf jedem Skalenton den Dreiklang.
Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Pentatonikworkshop: Für eine Sequenz haben wir vier Richtungsmöglichkeiten, hier am Beispiel G-Dur in der 2. Lage:
a) steigende Dreiklänge
b) fallende Dreiklänge
Für dich ausgesucht
c) Dreiklänge im Zickzack
d) Dreiklänge im umgekehrten Zickzack
Um richtig flexibel zu werden, empfehle ich euch, diese Übungen in allen Positionen zu spielen, und denkt daran: Das sind nicht nur Übungen, denn im Solospiel lassen sich Auszüge aus diesen Zerlegungen prima in eure Lines integrieren.
Betrachten wir nun das harmonisch Moll-Tonfeld. Die diatonischen Akkorde in C Harmonisch Moll:
Hier begegnen uns alle vier Dreiklangstypen: Dur, Moll, vermindert und übermäßig So sehen unsere Sequenzen in G Harmonisch Moll aus:
a) steigende Dreiklänge
b) fallende Dreiklänge
c) Dreiklänge im Zickzack
d) Dreiklänge im umgekehrten Zickzack
Auch Melodisch Moll beinhaltet jedes Dreiklangsgeschlecht – hier die diatonischen Akkorde in C Melodisch Moll:
Und jetzt eure Zerlegungen am Beispiel G Melodisch Moll:
a) steigende Dreiklänge
b) fallende Dreiklänge
c) Dreiklänge im Zickzack
d) Dreiklänge im umgekehrten Zickzack
Betrachten wir nun das Ganzton-Halbton-Tonfeld C GTHT:
Die angenehme Überraschung: Auf jeder Stufe entsteht ein verminderter Akkord.
So gestalten sich unsere Übungen in G GTHT:
a) steigende Dreiklänge
b) fallende Dreiklänge
c) Dreiklänge im Zickzack
d) Dreiklänge im umgekehrten Zickzack
Doch das ist leider nicht die ganze Wahrheit. Es wäre ja auch zu einfach und zu schön, um wahr zu sein, aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit, Dreiklänge aus der GTHT-Leiter zu gewinnen. Bis dato sind in unseren siebentönigen (heptatonischen) Scales diatonische Akkorde dadurch entstanden, dass wir Terzen aufeinandergeschichtet haben. Die Terz war in der Heptatonik quasi immer der übernächste Ton. In der GTHT-Leiter ist das zwar genauso, wenn wir jedoch zwei „Quarten“ aufeinanderschichten, erhalten wir ebenfalls Dreiklänge, da wir abwechselnd eine reine Quarte und eine verminderte Quarte (was einer großen Terz entspricht) erhalten. Diese Dreiklänge begegnen uns nun nicht in der Grundstellung, sondern abwechselnd als Quartsextakkord (der zweiten Umkehrung) oder als Sextakkord (der ersten Umkehrung):
Und so sehen die Zerlegungen diesmal aus. Versucht bei den Quarten, die sich im selben und auf zwei benachbarten Saiten befinden, euer Fingergelenk abzurollen.
a) steigende Dreiklänge
b) fallende Dreiklänge
c) Dreiklänge im Zickzack
d) Dreiklänge im umgekehrten Zickzack
Und last, but not least, die Ganztonleiter. Diese Skala begegnet uns wieder sehr “userfriendly”, da sie aus nur zwei verschiedenen übermäßigen Dreiklängen besteht und das Fingering für diesen Akkord fast immer gleich aussieht. Vielleicht erinnert ihr euch noch: Beim übermäßigen Dreiklang kann jeder Ton als Grundton fungieren.
Trotzdem zur Übersicht hier die diatonischen Akkorde der C Ganztonleiter:
Und die Zerlegungen am Beispiel G Ganztonleiter:
a) steigende Dreiklänge
b) fallende Dreiklänge
c) Dreiklänge im Zickzack
d) Dreiklänge im umgekehrten Zickzack
Wie gesagt, ihr müsst nicht auf Anhieb alle Tonleitern mit allen Zerlegungen parat haben. Beginnt mit der Durtonleiter und kämpft euch langsam vor, bis ihr alle die zusammenhabt, die ihr in eurem Spiel verwendet. Eine Anregung, um das Gelernte dort besser einbetten zu können, möchte ich euch jedoch noch mit auf den Weg geben: Eure Dreiklänge bestehen ja prinzipiell aus zwei aufeinanderliegenden Terzen. Manchmal reicht jedoch nur das Spielen einer Terz aus, um den Dreiklangssound entstehen zu lassen. Aus diesem Grund rate ich euch, die Scales nicht nur in Dreiklängen, sondern auch in Terzen zu zerlegen – keine Angst, das wird für euch jetzt ein Kinderspiel werden. Hier seht ihr die vier Bewegungsrichtungen der Terzenzerlegungen in G-Dur:
a) steigende Terzen
b) fallende Terzen
c) Terzen im Zickzack
d) Terzen im umgekehrten Zickzack
Besonders reizvoll wird es nun, wenn ihr die Dreiklänge und die Terzenzerlegungen vermischt und Lines entwickelt, denn durch den dreitönigen und den zweitönigen Baustein können sehr interessante Rhythmen innerhalb der Line entstehen.
Hier ein Beispiel von mir in A-Dorisch (was den obigen Zerlegungen in G-Dur entspricht). Ich versuche hierbei bewusst, hauptsächlich die Dreiklangszerlegungen zu spielen, was stellenweise etwas etüdenhaft klingt. In der Spielpraxis würde man die “Dosis” selbstverständlich kleiner halten, doch zu Übungszwecken dürfen wir ruhig mal übertreiben:
Und hier für euch zum Austoben:
Ein Beispiel für das Harmonisch Moll Tonfeld, eine Akkordfolge in D-Phrygian Dominant (was G-Harmonisch Moll entspräche):
Das Playback für Euch:
Melodisch Moll lässt sich gut über einen Gmmaj7 Groove (G Melodisch Moll) einsetzen:
Und euer Playback:
Die GTHT-Leiter sollte man am sinnvollsten in ihrem ersten Modus (nämlich der HTGT-Leiter) über einen Dominantseptakkord üben. Hier ein Groove in A7 ( A-HTGT bzw. G-GTHT). Es kann etwas dauern, bis sich euer Gehör an diese Tonleiter gewöhnt, die doch sehr spannungsreich klingt. Bei diesem Beispiel vermische ich A-Blues und A-HTGT, damit lande ich mit Robben Ford oder Andy Timmons in bester Gesellschaft, die ja auch beide ganz gerne die HTGT-Leiter über Bluesprogressionen spielen:
Und das Playback:
Wie schon GTHT ist die Ganztonleiter nicht ganz einfach in einem Steady-Groove als einzige Tonleiter unterzubringen, darum bediene ich mich einer kleinen Akkordprogression vom geschätzten Stevie Wonder und spiele das Akkordpendel:
II: Cmaj7 I % I G7#5 I % :II
Das bedeutet für euch nun:
C Durtonleiter über den Cmaj7 und die G Ganztonleiter über den G7#5.
Hier ein Beispiel:
Und euer Playback:
Und damit sind wir schon wieder am Ende einer Folge angelangt. Ich gebe zu, die heutige fordert viel Übeaufwand, aber nehmt euch Zeit, ihr müsst nicht alles auf einmal können. Für diejenigen unter euch, für die das alles ein alter Hut ist und die noch voller Tatendrang sind: Unsere Zerlegungen waren jetzt alle grundstellige Dreiklänge, aber wie wäre es mit Zerlegungen von Dreiklängen in der ersten oder der zweiten Umkehrung?
In diesem Sinne und bis zum nächsten Mal
Haiko