Dieser Workshop ist einem absoluten Klassiker der Rockgeschichte gewidmet: “Hotel California” von den Eagles – ein Song, der die Band seit Mitte der 1970er für immer unvergesslich machen sollte und ihren Übergang vom Country zum rockigeren Sound markierte. Während in unzähligen Foren über die Bedeutung der Lyrics oder das ausschweifende Outro mit dem legendären Gitarrenduett zwischen Don Felder und Joe Walsh gefachsimpelt wird, setzen wir im Folgenden einmal das Schlagzeugspiel von Don Henley ins Rampenlicht. Henley’s ikonischer Drumsound, in Kombination mit seinem präzisen Timing und expressiven Fill-ins, bildet das Fundament dieses über sechs Minuten langen Meisterwerks und ist ein wahres Lehrstück für dynamisches und gefühlvolles Drumming. In diesem Workshop zeigen wir euch die wichtigsten Passagen aus Henley’s Schlagzeugspiel mit Noten- und Audiobeispielen.
„Der“ 70s-Drumsound
Sucht man ein Beispiel für den typischen „70s-Drumsound“, ist man mit „Hotel California“ im wahrsten Sinne an der richtigen Adresse. Vermutlich kam bei der Studioproduktion zum gleichnamigen Album Henley’s damaliges Drumset, ein 60s Ludwig Keystone Walnut Thermogloss mit einem 13“ Racktom, zwei Floortoms in 16“ und 18“ und einer 22“ Bassdrum zum Einsatz, das er für einige Jahre spielte. Essentiell wichtig für den trockenen und kurzen Drumsound ist dabei, dass Henley seine Trommeln ausschließlich mit abmontierten Resonanzfellen spielte. Im oben verlinkten Live-Video zu „Hotel California“ erkennt man außerdem eine 14“x6,5“ Ludwig Supraphonic Snare sowie zwei kurze, Timbales-ähnliche Trommeln (vermutlich Gon Bops Oak Wood Tarolas/Timbales), die Henley anstelle eines Ridebeckens zwischen seinem Rack- und dem ersten Floortom über der Bassdrum positionierte und besonders bei „Hotel California“ häufig in Fill-ins integrierte.
Henley und Glyn Johns
Der renommierte Toningenieur und Musikproduzent Glyn Johns, der vor allem für seine Zusammenarbeit mit Led Zeppelin bekannt ist, arbeitete mit den Eagles Anfang der Siebziger an ihrem selbstbetitelten Debütalbum, das stilistisch noch deutlich im Country verhaftet war. Beim dritten Album „On The Border“ kam es dann schließlich zu Unstimmigkeiten zwischen Band und Produzent, da Johns den Country-Einfluss stärker hervorheben wollte, die Eagles sich jedoch mehr zum Rock hingezogen fühlten. Auch Johns’ minimalistischer Ansatz in Hinblick auf Schlagzeug-Recording (man denke an die berühmte „Glyn Johns Technik“, die mit lediglich drei Mikrofonen am Schlagzeug auskommt), stieß bei Don Henley auf Widerstand, der lieber jede Trommel einzeln abgenommen haben wollte, um einen direkteren Sound zu bekommen – wie es Jahre zuvor der Toningenieur Geoff Emerick bei späteren Beatles-Platten machte.
Kurzum wurde Glyn Johns durch Bill Szymczyk ersetzt, der die Eagles in ihrer musikalischen Vision, sich vom Country zu entfernen, unterstützte. Szymczyk sollte später auch den Song „Hotel California“ und das gleichnamige Album produzieren, bei dem er auch als Toningenieur und Mischer zum Einsatz kam – der glasklare und butterweiche Sound des Albums ist nach wie vor legendär!
Henley und Ringo
Don Henley ging sicherlich nicht als einer der virtuosesten Drummer in die Geschichte ein. Spätestens seit den frühen Achtzigern, mit Beginn seiner erfolgreichen Solokarriere, begreift er sich selbst nicht einmal mehr als Schlagzeuger, wie er etwa 1990 im Interview mit dem Modern Drummer Magazin etwas süffisant klarstellte:
„What does Modern Drummer want with me, anyway? I’m no drummer. […] Playing the drums just wasn’t enough for me. I’ve got a college education. I’ve got a lot to say.” (Don Henley, Modern Drummer Magazine, Mai 1990)
Als trommelnder Leadsänger bei den Eagles glänzte Henley vor allem durch sein absolut solides Timing und songdienliches Spiel. Kein Wunder also, dass er auf die Frage nach seinen Einflüssen unter anderem Ringo Starr erwähnt, der Jahre vor Henley durch einen ähnlich zurückhaltenden und gleichzeitig innovativen Stil den Sound der Beatles prägte:
„[…] Oh, all kinds of people. Gene Krupa, Ringo. I don’t care what anybody says about Ringo; I cut my rock ‘n’ roll teeth listening to him. And then there was some Ginger Baker influence and some Levon Helm.“ (Don Henley, Modern Drummer Magazine, Mai 1990)
Take it easy!
Von Ringo schaute Henley sich offenbar auch ab, nicht nur von Traditional Grip auf Matched Grip zu wechseln, sondern obendrein den linken Stick umgedreht zu spielen. Seiner Meinung nach fiel es ihm so schwerer, komplizierte Figuren zu spielen, was ihn zu einem simpleren Spiel verleitete. Im Interview erklärt Henley, dass der „weniger ist mehr“-Ansatz ihm nicht nur gut gefiel, sondern auch nötig war, um gleichzeitig auch Leadstimme zu singen, wie etwa bei „Hotel California“:
„I was definitely a “less is more” drummer, there’s no doubt about that. And that was by choice. I could have played more complex stuff. I could have been a busier player. But that’s not what I wanted to do. […] I even started out with the traditional grip. And then when Ringo came along I turned around the left hand and started playing that way. So that takes away some of your dexterity right there. When you turn that stick around, rolls and things like that become almost impossible, although I can do sort of a rudimentary kind of thing with that grip. And remember, I was singing. And that in a way forced me to be simple. But the simple drummers were always my favorite kind of drummers.“ (Don Henley, Modern Drummer Magazine, Mai 1990)
Die Grooves
In der umfassenden „History Of The Eagles“ Dokumentation erklärt Don Henley, dass ihn das erste Demotape von „Hotel California“ an spanische Folklore, aber auch an Reggae erinnerte. Das brachte ihn nun keineswegs dazu, den Song mit einem Reggae-Beat zu begleiten, jedoch sind, zumindest was den Sound betrifft, Anleihen aus Reggae-Musik herauszuhören, allein durch die beiden oben erwähnten Timbales, die Henley in seine Fill-ins einbaut. Auch die „steadiness“ und Klarheit in seinem Spiel, gepaart mit expressiven Fills, erinnert an Reggae-Drumming.
„The music sounded to me like some sort of a cross between Spanish music and reggae music.“ (Don Henley, „History Of The Eagles“ Dokumentation)
„Hotel California“ beginnt mit einem Gitarren-Intro, das Henley in der Wiederholung mit soften Beckenschlägen unterstützt. Den Übergang zum ersten Vers markiert er mit zwei kräftigen Akzenten auf den Toms:
Ein gelassener Hi-Hat-Beat bildet den roten Faden des Songs
Mit Beginn des Verses startet Henley den Beat, der sich wie ein roter Faden durch den gesamten Song ziehen wird. Die Bassdrum spielt er auf den Zählzeiten „1“, „3“ und „4+“, die Snare markiert den Backbeat auf „2“ und „4“ und die mit der Hi-Hat spielt Henley eine Art Shaker-Pattern. Hier seht ihr zwei Versionen, bei denen sich das Hi-Hat-Pattern leicht unterscheidet: Das obere Beispiel zeigt den Beat, wie ihn Henley auf der Studioaufnahme spielt. Live spielte Henley denselben Beat interessanterweise mit einem Hi-Hat-Schlag mehr.
Im Chorus bindet Henley die Toms mit ein
Mit dem Chorus tauchen auch die ersten Fill-ins auf, die im späteren Verlauf des Songs umso prominenter werden. Apropos Fill-ins: Als Schlagzeuger bzw. Schlagzeugerin sollte man ja bekanntermaßen darauf achten, mit Fill-ins nicht dem Gesang in die Quere zu kommen. Da Henley bei „Hotel California“ nun mal Schlagzeuger und Leadsänger in Personalunion ist, fiel ihm das vermutlich nicht sonderlich schwer. So spielt er seine Fill-ins immer genau in die Pausen des Gesangs.
Nachdem das Vers/Chorus-Spiel noch einmal wiederholt wurde, fährt der Song zum dritten Vers kurz dynamisch runter, zurück auf das Intro-Level. Henley begleitet diese Passagen mit einem zweitaktigen Hi-Hat-Pattern, das dem Gitarrenmotiv folgt. Im Übergang zum lauteren, zweiten Teil des dritten Verses spielt er ein eintaktiges Fill-in, bei dem alle drei Toms sowie beide Timbales zum Einsatz kommen.
Vor dem großen Outro wird es kurz noch einmal ruhiger
Daraufhin steigt Henley wieder mit dem Beat ein, den er jetzt jedoch im weiteren Verlauf des Vers-Teils mit kleinen Figuren auf den Toms ergänzt. Schließlich markieren drei Akzente auf „3“, „3e“ und „3+“ das Ende des Vers-Teils, woraufhin das Outro startet:
Im Outro werden Henley’s Fill-ins länger und komplexer
Mit Beginn des Outros weicht Henley’s Gesangspart den ausgedehnten Gitarrensoli, wodurch er sich nun voll und ganz auf sein Schlagzeugspiel konzentrieren kann. Das zeigt sich unmittelbar in den unzähligen und abwechslungsreichen Fill-ins, die Henley nun konsequent in jedem zweiten Takt einwirft. Erstmals spielt er hierbei kurze triolische Figuren auf den Timbales. Im Podcast „Recording Studio Rockstars“ verrät Bill Szymczyk übrigens, dass sich der endgültige Drumtrack aus verschiedenen Takes zusammensetzt.
Im weiteren Verlauf des Outros bleibt Henley dem zweitaktigen Modus treu und gibt immer wieder neue Fill-in-Variationen zum Besten, die die stetig steigende Energie des Songs unterstützen. Spannend ist jedoch, dass Henley dabei seiner grundsätzlichen Spieldynamik treu bleibt und die höhere Intensität lediglich durch eine höhere Dichte an Noten generiert. In diesem Beispiel geht er im zweiten Takt sogar komplett aus dem Beat raus und spielt eine ausgedehnte, synkopische Phrase über Toms und Timbales, die stark an Ringo erinnert.
Zum Ende des Songs geht Henley dazu über, seinen Beat in jedem Takt mit zwei Akzenten auf „4“ und „4 +“ zu ergänzen, womit er auf das mittlerweile an Intensität nicht mehr zu überbietende Gitarrenduett zwischen Don Felder und Joe Walsh reagiert. Die gesamte Energie, die sich über das ausgedehnte Outro aufgebaut hat, scheint sich schließlich in Henley’s schnellem Tom-Fill zu entladen, welches gleichwohl den dynamischen Höhepunkt des gesamten Songs darstellt.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Anhören und Nachspielen der Soundfiles. Bis zum nächsten Mal!
Jonas