Drum Cover Classic: Miles Davis „Kind of Blue“

Vor genau 60 Jahren, im April 1959, fanden die zwei Sessions des Miles Davis Sextetts zur legendären „Kind of Blue“ statt, eine Platte, die nicht nur den Cool Jazz prägte, sondern obendrein das vielleicht berühmteste und einflussreichste Jazz-Album aller Zeiten ist. Wir schauen einmal hinter die bekannten Themen von „All Blues“ oder „So What“, hin zu dem Mann, der eben diese Stücke mit seinem geschmackvollen und zurückhaltenden Drumming bereicherte. Die Rede ist von Jimmy Cobb, der sich damals als 30-jähriger Autodidakt mit seinem Drumming auf „Kind of Blue“ für immer ein Denkmal setzen sollte. 


So vollkommen „Kind of Blue“ sowohl performance-, als auch sound-seitig wirkt, ist es heute kaum noch vorstellbar, dass es sich hier um Stücke handelt, die erst kurz vor der Aufnahme ausgearbeitet wurden. Miles Davis erzählt in seiner Autobiografie, dass er vor der besagten Studiosession in den Columbia Studios in New York bewusst kein Material an die Band rausgab und obendrein selbst nur grobe Skizzen vorbereitet hatte, um die Musik besonders frisch und unvoreingenommen zu halten. Der Plan scheint aufgegangen zu sein!

Das Drumming

„Kind of Blue“ kann gut und gerne als Standardwerk des Jazzdrumming bezeichnet werden, denn hört man einmal genauer hin, so lässt sich von Jimmy Cobb vieles lernen, was zu einem ausgereiften Jazzdrumming gehört – abgesehen von Drumsolo-Einlagen, denn die sucht man auf „Kind of Blue“ vergeblich. 

What a Feeling!

Es ist wahrlich magisch, wie Jimmy Cobb und Paul Chambers am Bass Stücke wie „So What“, „Freddie Freeloader“ oder „All Blues“ einerseits antreiben, gleichzeitig aber auch total abgehangen und entspannt klingen lassen, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Jeder, der sich einmal den Spaß gemacht hat, zu einem der Stücke mitzuspielen, weiß jedoch, dass es gar nicht so trivial ist, Jimmys großartiges Time Feel einerseits zu treffen und es obendrein über rund zehn Minuten zu halten! 

Viertelpuls ist Chef

Die Art, das Jazz Ride zu spielen, ist so etwas wie der Fingerabdruck eines Jazzdrummers. Während beispielsweise jemand wie Elvin Jones für seine akzentuierten Upbeats bekannt ist, konzentriert sich Jimmy Cobb vor allem auf den Viertelpuls – die Downbeats – und stellt die Upbeats dynamisch gesehen konstant hinten an, was seinem Spiel eine gewisse Ruhe und Gradlinigkeit verleiht. 

Jazz Ride mit deutlichem Viertelpuls
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Jazz Ride mit deutlichem Viertelpuls Viertelpuls ohne Upbeats

„All Blues“ Besen-Pattern

Ein deutlicher Viertelpuls ist auch in Jimmys Besenarbeit zu finden, mit der er beispielsweise das Thema von „All Blues“, einem sanften Stück im 3/4-Takt, begleitet. Hier spielt Jimmy mit dem rechten Besen die Viertel, während er mit der linken Hand punktierte Viertel, auf „1+“ beginnend, wischt. Daraus ergibt sich ein „Zwei über Drei“-Pattern, das wahrlich hypnotisch wirkt.

„All Blues“ Besen-Beat
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“All Blues” Besen-Beat “All Blues” Besen-Beat – rechte Hand “All Blues” Besen-Beat – linke Hand

Less is more!

Passend zum gemütlichen Time Feel, glänzt Jimmy auf „Kind of Blue“ vor allem mit den Sachen, die er nicht (!) spielt. Neben geschmackvollen und eher beiläufig gespielten Comping-Einlagen legt Jimmy seinen Fokus stets auf Time und Dynamik, was der gesamten Platte ihre unverwechselbare Ruhe und Gelassenheit verleiht. Ein typischer Jimmy Cobb-Beat, den jeder gern in sein Jazzdrumming-Vokabular aufnehmen darf, ist dieser hier:

Jazz Ride + Rimclick auf „4“
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Jazz Ride + Rimclick auf “4”

Einer der virtuoseren Drumming-Momente der Platte klingt in etwa so:

Rimclick / Tom – Fill („So What“ – 4:18 min)
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Rimclick / Tom – Fill (“So What” – 4:18 min)

Dynamik 

Jimmy schafft es mit seinem dynamischen Spiel, durch leichte Veränderungen für jeden Solisten eine kleine, eigene Welt zu erschaffen, sei es, in dem er gemütlich von Besen auf Sticks wechselt, oder einfach insgesamt leiser oder lauter spielt, als hätte jemand am Volume-Regler gedreht.

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Dynamikaufbau durch Wechsel von Besen zu Sticks

Diese sensible, dynamische Art zu trommeln war natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass das Sextett eng beieinander stehend in dem kathedralenartigen Aufnahmeraum des Columbia Studios mit nur wenigen Mikros aufgenommen wurde (der Legende nach sollen insgesamt neun Neumann M49 Mikrofone im Einsatz gewesen sein) und es somit zu viel Übersprechungen kam, was wiederum den großartigen, luftigen Sound der Platte ausmacht. 
Miles Davis – „So What“:

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Profilbild von Werner3000

Werner3000 sagt:

#1 - 20.10.2020 um 08:36 Uhr

0

Hi
" Rimclick / Tom - Fill („So What“ - 4:18 min)"
Noten Passen nicht zu sound, ich denk 2. Takt, 2 Triole , das Tom ist auch genau in der Mitte der Triole , oder ich höre schlecht ;)lgWerner

    Profilbild von JB (Autor)

    JB (Autor) sagt:

    #1.1 - 22.10.2020 um 10:34 Uhr

    0

    Moin Werner,
    mir ist leider nicht ganz klar was du genau meinst. Im Notenbeispiel, sowie im Soundfile liegt die Tom im zweiten Takt jeweils auf der zweiten Triole (also „genau in der Mitte“).Gruß, Jonas

    Antwort auf #1 von Werner3000

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