Steely Dan sind berüchtigt für ihre exquisite Auswahl an Musikern. Für ihr legendäres „Aja“-Album engagierten sie daher das damalige Who-is-Who der Studiodrummer-Szene. Neben Steve Gadd und Bernard Purdie ist unter anderem auch Jim Keltner in den Credits zu finden. Jim verewigte sich mit seinem eigenständigen wie genialen Spiel auf dem Track „Josie“, den wir uns in diesem Workshop genauer anschauen.
Mit „Peg“ besprachen wir bereits in einem vergangenen Workshop einen Song des 1977 veröffentlichten Albums. Ähnlich wie „Peg“, gehört auch „Josie“ zu den gradlinigeren Songs auf „Aja“, das mit dem gleichnamigen Titeltrack nämlich auch atemberaubende Schlagzeug-Soloeinlagen eines Steve Gadd bereithält. Im Gegensatz dazu sind es nicht die virtuosen, sondern vielmehr die sparsamen, eigenwilligen wie überraschenden Ideen, die Jim Keltners Drumperformance zu „Josie“ auszeichnen.
Josie – Die Grooves
Der Song beginnt mit einer leicht mysteriösen Unisono-Melodie, die Jim mit einem Viertelpuls auf der Hi-Hat unterstützt (in den Soundfiles auf einen Takt gekürzt). Im sechsten Takt untermalt er die Akzente der Kollegen mit Hits auf die Crashbecken und beendet das Intro schließlich mit einem triolischen Lauf über die Toms, als sei das Lied schon vorbei – dabei fängt es doch gerade erst an!
Die Hi-Hat bringt Farbe ins Spiel
Daraufhin kommt der Song so langsam in Fahrt. Jim ist bekanntlich ein Meister darin, seinen Mitmusikern und dem jeweiligen Song den nötigen Raum zu lassen, ohne dabei nur den Timekeeper zu spielen. Im Falle von „Josie“ macht er keine Ausnahme, was bereits der Vers-Beat von eindrucksvoll beweist. Was zunächst wie ein gewöhnlicher „Bum-Tschak“-Beat wirkt, ist bei näherem Hinhören eine ziemlich ungewöhnliche Idee. Was sie besonders macht, ist Jims Arbeit auf der Hi-Hat, die er eben nicht in einem durchgängigen Achtelpattern spielt, sondern vielmehr intuitiv als Farbe zwischen den Bass- und Snaredrum-Schlägen benutzt. Das erzeugt einerseits einen luftigen, nahezu linearen Beat-Charakter und lässt obendrein viel Platz für Chuck Raineys virtuose Bassarbeit.
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Die “Josie” Vers Variation
Im weiteren Verlauf des Vers-Parts variiert Jim den oben beschriebenen Beat mit verschiedenen Fills und Beat-Variationen. Im folgenden Beispiel hört ihr eine Passage, bei der er die Hi-Hat plötzlich für zwei Takte in Sechzehnteln spielt, was eine enorme Spannung erzeugt, die gleich darauf durch die Abschläge auf den Crashbecken entladen wird.
Steely Dan – „Josie“: der Chorus startet spannend
Für den Chorus wechselt Jim von der Hi-Hat zum Ridebecken. Den Übergang gestaltet er mit einem Lauf über die Toms. Dabei ist spannend, dass er das Fill nicht „Lehrbuch-mäßig“ zur ersten Zählzeit beendet, sondern über die „1“ hinweg spielt und erst auf die „2“ mit dem Backbeat in den Chorus-Beat einsteigt. Das erzeugt einen tollen Effekt und lässt Vers und Chorus auf interessante Art und Weise miteinander verschmelzen. Im Chorus selbst ist vor allem seine Arbeit mit der Hi-Hat (getreten) spannend, die nicht nur eine begleitende, sondern eine absolut gleichberechtigte Rolle neben Ride, Bassdrum und Snare einnimmt. Im letzten der folgenden Soundfiles könnt ihr hierzu einmal in das Hi-Hat-Mikro reinhören.
In folgendem Interview verrät Jim, dass bei den Aufnahmen zu „Josie“ eine Ludwig Vistalite Snare in 14“ x 5“ zum Einsatz kam, die zum Zeitpunkt der Studiosession erst wenige Tage in seinem Besitz war. Es sollte (bislang) das erste und letzte Mal sein, dass er diese Snare im Studio benutzte:
Ich wünsche euch viel Spaß beim Anhören und Nachspielen der Soundfiles.
Bis zum nächsten Mal!
Jonas