Drum Play-Alike – Matt Chamberlain Workshop

Willkommen zu meinem Workshop über Amerikas womöglich erfolgreichsten Studiodrummer der letzten Jahre: Matt Chamberlain. „Matt wer?“ wird sich jetzt sicher der Ein oder Andere unter euch fragen. Dass Matt nicht zu den schrillsten und bekanntesten Personen der Hall Of Fame des Drummings gehört, hat mehrere Gründe: Er ist kein Selbstdarsteller wie Kenny Aronoff, kein Clinician wie Dave Weckl und keiner, der in Interviews mit Ratschlägen um sich wirft. Matt ist still und bescheiden, besitzt aber Eines wie kein anderer: Musikalität. Und genau das macht ihn zum idealen Opfer für meinen ersten Play-Alike-Workshop. 

Inhalte
  1. Equipment
  2. Sound
  3. Style
  4. Timekeeping
  5. Special Features
  6. Fiona Apple – Fast As You Can
  7. Fast As You Can: Der Grundgroove
  8. Fast As You Can: Variationen des Grundgrooves
  9. Fazit

1991 wurde der damals 24-jährige Matt in die Band Pearl Jam berufen. Hier blieb er nur einen Monat, aber der Name des „New Kid On Drums“ machte schnell die Runde. Da ist einer, der wie eine menschliche Loop-Maschine spielen kann! Das Groovegefühl ist unglaublich, der Sound immer genau passend. Einer seiner Produzenten gab einmal Folgendes zu Protokoll: „Matt ist einer der leisesten Drummer, die ich kenne. Wenn er spielt kann man sich nur wenige Meter von seinem Drumset entfernt noch unterhalten.“ Stellt sich dir Frage: Wie kann das sein? Ein jazziger Leisetreter für einige der brettigsten Pop-Produktionen unserer Tage? Zeit, das Phänomen Matt Chamberlain genauer zu beleuchten.

Equipment

Auch wenn Matt nahezu bei jedem Song ein anderes Setup benutzt, lassen sich in puncto Equipment dennoch ein paar Grundsätzlichkeiten erkennen:
Für die Studioarbeit räumt Chamberlain meistens eine Lastwagenladung Vintage-Equipment in den Aufnahmeraum. Sein Ziel ist es, für jeden Titel etwas ganz Besonderes zu schaffen. Und dazu gehört nicht nur ein besonderer Groove, sondern eben auch ein besonderer Sound. Wie für viele andere Drummer ist auch für Matt die Auswahl der richtigen Snare für den jeweiligen Track absolute Chefsache. Der Kreis seiner Haupt-Snares umfasst eine Rogers Dynasonic Wood Snare (Sammlerwert ca. 2500 €), eine Craviotto Walnut Snare in 14“x 6 1/2“ oder wahlweise eine Keplinger Stainless Steel Snare. 
Er nimmt am liebsten mit großen und weichen Cymbals auf, hauptsächlich von der Marke Istanbul, die Hi-Hats sind selten kleiner als 16 Zoll, die Crashes nur in Ausnahmefällen kleiner als 21 Zoll. Die Wahl der Sticks fällt interessanterweise auf die Vic Firth Ride Sticks von Peter Erskine –relativ dünne Jazzsticks also, die den Sound der Trommel mit ihrer Wucht nicht erdrücken. Aber wozu solche Stäbchen, wenn doch große Popnummern eingespielt werden sollen? Die Antwort ist, dass man mit vergleichsweise leichten Sticks auf Aufnahmen nicht unbedingt leiser zu hören ist, da die Preamps, durch die das Mikrofon-Signal verstärkt wird dann einfach lauter gedreht werden können. Um Druck zu erzeugen spielt Matt nicht laut, sondern exakt. Aber dazu mehr unter folgendem Punkt:

Sound

Ich habe meine ersten Studioerfahrungen mit einem relativ einfachen Grundsatz meines Lehrers überstanden: „Im Studio zählt einfaches und druckvolles Spiel, für Druck musst du Laut spielen“. Er hätte wahrscheinlich bis heute Recht behalten, wäre da nicht ein kleiner Fehler im System: Matt Chamberlain. Ausgerechnet einer der erfolgreichsten Studiodrummer der Welt ist die personifizierte Antithese.

Mit einer wahren Flut an Ghost-Notes und kleinen Fills gespickt, schiebt dieser traditionelle Leisespieler eine Druckwelle ohnegleichen an! Die Grooves dampfen wie Lokomotiven in die Mikrofone. Und dabei soll man sich unterhalten können?! Der Trick funktioniert wie folgt: Je leiser man spielt, desto „näher“ kann der Toningenieur mit den Mikrofonen kommen. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass er seine Mikrofone dichter am Drumset postiert, sondern die Preamps lauter dreht.
Alles wird auf hohe Empfindlichkeit eingestellt. Die Becken sind zu diesem Zweck riesengroß und dünn, damit sie schnell ansprechen, sich aber nicht zu schnell und zu laut aufschaukeln.  Das leise Drumming wirkt sich auf das  Spielgefühl wahrscheinlich am massivsten aus: Die für Matt typischen Ghostnotes   sind deutlich hörbar und müssen nicht extra betont werden. Der Unterschied zwischen  lauten Schlägen und leisen Schlägen ist also nicht mehr ganz so groß, trotzdem kann entspannt gegrooved werden. Der Effekt ist dem eines Kompressors sehr ähnlich, bei dem die Lautstärke ursprünglich leiser Sounds automatisch angehoben wird, während laute Töne abgesenkt werden. Das ist eine sehr typische Vorgehensweise für Momentaufnahmen in der Popularmusik. Umso sinnvoller erscheint es da, wenn ein Drummer diesen Effekt ganz natürlich und bis zu einem gewissen Grad ohne elektronische Hilfe selber mitbringt. Abgesehen von der Fülle an Sammlerdrumsets in seiner Vintage-Sammlung ist das wahrscheinlich der wichtigste Grund für Matts unnachahmlichen Sound.

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