Was haben wohl die meisten Menschen im Sinn, wenn sie an die Band Red Hot Chili Peppers denken? Ich tippe mal auf: Socken, die nicht über die Füße gezogen werden, Kalifornien, Heroin und Hits wie “Under the Bridge”, “Give It Away” und “Californication”. Viele Schlagzeuger dürften allerdings noch einen weiteren Gedanken haben: Chad Smith – der funky Drummer der kalifornischen Funkrocker.
Chad Smith hat mit seinem einzigartigen Stil in den knapp dreißig Jahren seiner Profikarriere Generationen von Schlagzeugern geprägt. Am meisten Aufmerksamkeit haben wohl seine Performances mit eben dieser berühmt-berüchtigten Band Red Hot Chili Peppers erhalten, zu denen er im Jahre 1988 als Drummer stieß. Aber der umtriebige Riese aus dem mittleren Westen der USA hat mittlerweile noch ein paar weitere namhafte Jobs auf dem Kerbholz. So trommelte er beispielsweise für die Dixie Chicks und Kid Rock im Studio und ist nebenher noch fester Bestandteil der Bands Meatbats (Oder auch “Chad Smith´s Bombastic Meatbats”) und Chickenfoot. Letztere ist eine Art Supergroup, denn neben ihm zählen noch Joe Satriani (seines Zeichens Gitarrengott), Sammy Hagar und Michael Anthony (beide ehemalige Mitglieder von Van Halen) zum festen Inventar der Band. Gerüchten zu Folge sei Mr. Smith so viel beschäftigt, dass er seine Frau bei jedem neuen Projekt geradezu anbetteln müsse, damit sie einverstanden sei, ihren Mann schon wieder zu entbehren. Trotz Plattenverkäufen im zweistelligen Millionenbereich kann dieser Mann offensichtlich nicht genug vom Musikmachen kriegen. Das wirkt irgendwie sympathisch und klingt nicht nach dem 0-8-15-Rockstar-Klischee. Und genau so klingen auch seine Grooves – insbesondere bei seiner Stammformation, den Chili Peppers.
Chad’s Stil
Chads Stil ist sehr funklastig, ohne dabei die alten Funkmeister zu kopieren, die in der Regel etwas geradliniger spielten und nicht so locker und sloppy wie er. Seine Grooves sind eigenständig und kreativ, scheinen geradezu zu atmen, stecken voller Leben und Details. Gerade seine Hi-Hat ist immer sehr organisch und klingt bei jedem einzelnen Schlag eines Grooves unterschiedlich, da sich – wie er selbst es im Modern Drummer Magazin beschreibt – sein linker Fuß unbewusst und zufällig auf dem Pedal bewegt. Eher selten arbeitet er nach eigener Aussage bewusst mit dem Pedal. Wenn man genau hinhört, bemerkt man, dass sein linker Fuß oft locker auf der geschlossenen Hi-Hat in Achteln mitwippt wodurch sich kleinste Nuancen im Sound ergeben. Bei aller Eigenständigkeit drängt er sich nie unangenehm in den Vordergrund oder erstickt mit zu viel Spiel die Songs. Er haucht ihnen den nötigen Funk ein und bietet eine solide Basis für Fleas ausufernde und beispiellos spielfreudige Bassparts.
Und da Chad Smiths Fans ihn hauptsächlich für sein Spiel bei RHCP lieben, und mit ihnen sehr viel mehr Songmaterial und Hits veröffentlicht hat, als man in einem kurzen Workshop überhaupt bearbeiten kann, habe ich mich dafür entschieden, ein paar markante Grooves und Fills dieser Band vorzustellen – und dabei musste ich mich schon sehr beschränken, weil es so viel zu erzählen gäbe. Zunächst aber ein paar generelle Worte zu dem, was Chad Smith als Schlagzeuger ausmacht: Das Markanteste an seinem Sound, mit dem er besonders unter Drummern berühmt geworden ist, ist wohl seine unverwechselbar dynamisch gespielte und hoch singende Snaredrum. Einerseits punchy und klar definiert, ist sie dennoch sehr fein und sensibel in der Ansprache. Im Gegensatz zu den meisten Rock-Drummern, die einen möglichst fetten und druckvollen Snaresound anstreben, ist dieser eher filigran. Auf der aktuellen Platte „I´m with you“ ist die Snare meist einen Deut trockener als auf den Vorgängern.Die Tomsounds sind ebenfalls als lebhaft zu beschreiben mit einem klaren Attack und einem mittellangen, sehr tonalem Ausklang. Ebenfalls klar definiert ist die recht kompakt klingendeBassdrum, sie verleiht dennoch dem „Untenrum“ den nötigen Schub. Seine Becken klingen meist hoch, silbrig und spritzig mit einer kleinen Note Vintage. Seine Hi-Hat ist wohl neben der Snare das markanteste Merkmal an Chads Spiel. Auch diese ist wie die Snare sehr dynamisch gespielt und bietet oft innerhalb von einem Takt alle Nuancen zwischen fest geschlossen und weit offen. Das Ridebecken setzt sich meist mit einem klaren „Ping“ im Bandsound durch.
Chad’s Equipment
Chad Smith ist Endorser für Pearl und Sabian. Live spielt er diese Firmen auch immer brav – nach eigenen Angaben spielt er gelegentlich auch markenfremde Snaredrums vom australischen Edelhersteller Brady. Für die anstehende Welttournee zum Album “I´m with You” wird er folgendes Equipment spielen: ein Pearl Acryl-Kit der Masters-Serie mit einer 14“x6,5“ “Free Floating”-Snare, einer 24“x18“ Bassdrum, einem 12“x8“ Tom und zwei Floor Toms in den Größen 14“x14“ und 16“x16“. Früher spielte er live meist ein Pearl-Set der Reference-Serie. Chads Beckensetup soll aus folgenden Sabian Becken bestehen: 10“ AA Splash, 14“ AAX-Celerator Hi-Hats, 19“AA Medium Crash, 22“ AA Rock Ride, 20“ AA Rock Crash, 21“ Holy China, 21“ AAX-Treme Chinese. Seine Felle sind alle von Remo: Auf der Snare Drum hat er als Schlagfell ein Controlled Sound Black Dot und als Resonanzfell ein klares Emperor. Dieses Fell als Snare-Resonanzfell zu benutzen ist schon sehr speziell, da es im Gegensatz zu einem Standard-Resonanzfell äusserst dick ist; es komprimiert den Sound auf natürliche Weise. Auf den Toms spielt er klare Emperors als Schlagfelle und klare Ambassadors als Resonanzfelle. Auf der Bassdrum werden ein klares Powerstroke-4- oder ein Powersonic-Fell benutzt.Im Studio benutzt er nach eigenen Angaben verschiedenste Trommeln verschiedenster Hersteller, gerne auch ein Set von Brady oder alte Drumsets von Gretsch – eben das, was am besten zu dem passt, was gerade aufgenommen werden soll. Die von Ihm gemeinsam mit Pearl entwickelte „Chad Smith Signature“-Snare wird auch immer wieder gerne eingesetzt. Bei der Auswahl der Becken bewegt er sich bei Sabian vornehmlich in der „AA“ und „AAX“-Serie.
Chad’s Grooves
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Give it away
Chad Smith hat eine sehr lässige, aber dennoch fokussierte Art, Schlagzeug zu spielen. Sein Spiel klingt so gut wie nie gepresst, unnatürlich oder so, als käme er gleich an seine technischen Grenzen. Besonders in den Songs, in denen das Tempo nicht so hoch ist, klingt sein Groove immer sehr abgehangen und flüssig. Wenn es sein muss, kann er allerdings in schnelleren Songs auch das komplette Set „brennen“ lassen und seinem gesamten Spiel einen leichten Touch von Steward-Copeland geben. Das passiert in erster Linie durch die Hi-Hat, die sowohl Copeland als auch Smith sehr individuell einsetzten. Nach eigenen Angaben bewegt sich der linke Fuß von Chad Smith ganz natürlich und unbewusst sehr viel auf dem Hi-Hat-Pedal, hierdurch wird der Sound sehr lebhaft und schwer zu imitieren. Auch die Bassdrum wird immer dynamisch gespielt – insbesondere bei Doppelschlägen ist der erste Schlag oft viele leiser als der Zweite.
Chad ist zudem mit seinen knappen zwei Metern Körpergröße auch alles andere als klein. Eine geringe Armbewegung von ihm ist verglichen mit den meisten anderen Drummern schon recht groß. Daher schafft er es, sehr laut und dennoch locker zu spielen, da er im Verhältnis nicht mehr Kraft als andere einsetzten muss. Seine Bewegungen haben allein wegen seiner Physiognomie sehr viel Energie. Das kann man sehr gut in dem Groove von Give It Away nachvollziehen:
Dieser Song ist auf dem Album “Blood Sugar Sex Magic” zu finden, auf dem sein Drumsound und der Trommelstil noch etwas anders sind als auf den folgenden. Allerdings kann man hier das Phänomen der dynamischen Bassdrum sehr gut heraushören, ohne von anderen Spielereien abgelenkt zu werden: Die beiden Doppelschläge, die in der zweiten Takthälfte gespielt werden, sind genau mit der Figur des Basses abgestimmt, der auch jeweils den ersten Ton leiser spielt. Die Hi-Hat läuft verhältnismäßig gleichmäßig in geraden Achteln halb geöffnet durch, die Snare kracht einfach und gut auf dem Backbeat. So simpel kann ein legendärer Drumgroove sein!
Californication
Bei Californication wird weniger Bassdrum gespielt, dafür klingt hier die Hi-Hat auf besondere Art und Weise: Es ist ein normales Achtelschema, in dem jeweils die Viertel betont und die Achtelsynkopen leise gespielt sind. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass auf jedem Viertel die Hi-Hat ganz leicht geöffnet wird, so dass ein dezentes Zischeln zu hören ist. Auf den unbetonten Achtelsynkopen ist die Hi-Hat jedoch wieder fest geschlossen. Durch den Stockanschlag wir der Sound zusätzlich beeinflusst, indem die Betonungen mit der Stockschulter (dort, wo sich der Stock etwas verjüngt) und die leisen Schläge mit der Stockspitze gespielt werden. Der Kreis steht für die offene, das Kreuz für die geschlossene Hi-Hat.
Sehr typisch für Chad Smith ist hier die Snare gespielt: Akzente auf dem Backbeat, viele Ghost-Notes und ein kleiner Roll vor jeder neuen Eins. Eine kleine weitere Besonderheit gibt es allerdings noch: Oft scheint es so zu sein, dass der erste Backbeat eines jeden Taktes zwar akzentuiert gespielt wird, aber ohne Rimshot auskommt. Der zweite Backbeat eines jeden Taktes ist allerdings immer ein Rimshot:
Mit den dazugehörigen Ghost-Notes und dem Roll klingt das dann so:
Jetzt noch die Bassdrum, dann ist der Groove komplett:
The Adventures of Rain Dance Maggie
Ein weiterer Groove, dessen Instrumentierung ein wenig untypisch ist, aber dennoch ganz klar die Handschrift des Mr. Smith trägt, ist der der aktuellen Singleveröffentlichung „The Adventures of Rain Dance Maggie“. Mit “untypisch” meine ich, dass hier ein recht statisches Bassdrum- und Hi-Hat-Muster durchläuft, das nur selten durchbrochen wird. Einzig die Snare tut, was sie immer tut. Backbeats, Rolls, Ghost Notes… Wenn man mal allen Schnickschnack auf der Snaredrum weglässt, wird dieser viertaktige Groove schnell überschaubar:
Die Details auf der Snare sehen so aus:
Insgesamt ergibt das diesen Groove:
Chad’s Fills
Police Station
Ein weiteres Thema, das einen Drummer einmalig machen kann, ist neben den Grooves der Stil der Fill-Ins, die er spielt und die Art und Weise, auf die er diese in die Musik einbettet und mit den Grooves verknüpft. In dem Song “Police Station” vom aktuellen Album “I´m With You” steigen die Drums ganz wunderbar einfach und dennoch leicht verspielt ein – eben typisch Chad Smith. Da es hier in erster Linie um das Fill-In geht, werde ich den Groove ein wenig vernachlässigen:
Die Hi-Hat ist in diesem Fall ab der Zählzeit „2-und“ in Achteln getreten und zwar so, dass der Fuß nicht auf dem Pedal ruht, sondern direkt nach dem Kontakt der Becken wieder hochschnellt, um die Becken klingen zu lassen.
Auch ohne getretene Hi-Hat ist dies ein schönes Fill-In:
Around The World
Ein Fill-In, dem eine ganz ähnliche Ästhetik innewohnt, kommt in dem Song “Around The World” vor (Album: Californication). Allerdings ist dieses etwas länger und dient nicht als Einstieg, sondern als Übergang von einem Part in den anderen:
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Stefan sagt:
#1 - 01.03.2013 um 14:30 Uhr
Wirklich toll. Ein Video, in dem alle gespielten Sachen auch visualisiert werden, wäre toll.Ich glaube, ich wiederhole mich, bin mir nicht sicher: ein Phil-Rudd-Play-Alike wäre auch toll...