Ob man elektronische Beats programmiert oder Rock-Drums mit zusätzlichen Sounds unterstützen möchte – das Schichten (Layering) von Drumsounds ist eine Wissenschaft für sich. Schon seit dem goldenen Analogzeitalter legen Produzenten und Engineers alle Arten von Sounds übereinander: Drums, Vocals, Gitarren, Synthesizer, Bässe – sie alle wurden im Laufe der Jahre der Layering-Kur unterzogen. Während das grundlegende Konzept noch immer noch das Gleiche ist, haben sich sowohl die Technik als auch die Hörerwartungen bedeutend gewandelt. Heutzutage geht es nicht mehr nur einfach darum, einen Sound irgendwie auf einen anderen “draufzuklatschen”, mittlerweile sind wir alle an gute Ergebnisse gewöhnt und schlampige Arbeit fällt sofort auf. SoundOnSound Autor Eddie Bazil erstellt seit vielen Jahren Sample-Libraries, und hilft euch mit diesem Workshop auf die Sprünge!
(Übersetzung: Lasse Eilers)
• um dem gewählten Hauptsound mehr Breite, Tiefe und Dichte hinzuzufügen.
• um den Klang sehr detailreich formen zu können.
• um die wahrgenommene harmonische oder enharmonische Klangdichte zu verbessern.
• das Zuschmieren von Frequenzbereichen (das beim Übereinanderlegen ganzer Wellenformen oft entsteht) durch Layern kleiner Bereiche oder Elemente verschiedener Samples zu vermeiden.
• um bei “Frequenzstörfällen” die Kontrolle bei Summierung, Auslöschungen oder Frequenzüberlagerungen zu bekommen.
• um eigenständige Klänge zu erzeugen, die eben nicht Bestandteil der gängigen Libraries sind.
In diesem Artikel werden wir die Geheimnisse der “tightesten” Drumsounds lüften. Ob man Rock, Pop, Metal, R’n’B oder Electro produziert – die Vorgehensweise ist immer die Gleiche. Und das Endergebnis könnt ihr dabei ganz nach Wunsch subtil “enhanced” oder offensichtlich gelayert gestalten. Die verwendeten Samples könnt ihr übrigens hier in feinster WAV-Qualität runterladen:
Wenn euch die Buchstaben “ADSR” nichts sagen, wird es höchste Zeit – denn sie sind die Grundbausteine des Sample-Layerings. Jeder Klang hat eine “Amplituden-Hüllkurve” (Envelope), die die Lautstärke im Zeitverlauf darstellt. Obwohl es noch andere wichtige Hüllkurven gibt – zum Beispiel die Filterhüllkurve, die den Frequenzgang über die Zeit bestimmt – werden wir uns zunächst nur mit der Amplitudenhüllkurve befassen. Im nächsten Bild seht ihr die vier verschiedenen Sektionen der Hüllkurve: Der Bereich vom Beginn der Wellenform bis zu ihrem maximalen Pegel (Peak) wird Attack genannt – das “A” in ADSR. Danach folgt die Decay-Zeit, in der der Pegel auf den konstanten Sustain-Level abfällt. Das Sustain könnte man auch als den “Körper” des Samples bezeichnen. Zum Schluss folgt die Release-Zeit, in der der Sound vom Sustain-Level bis zum Ende abfällt.
Um Samples zu editieren, reicht ein beliebiger Audio-Editor, der über ein Hüllkurvenwerkzeug verfügt. Auch die eingebauten Audio-Editoren der gängigen DAWs bieten diese Funktion. Für die Beispiele in diesem Artikel habe ich Reaper und Sound Forge benutzt. Im nächsten Bild habe ich ein Kick-Sample in Sound Forge geöffnet und das Amplitude-Envelope-Tool in Reaper ausgewählt. Der dunkelblaue Bereich ist der selektierte Abschnitt der Wellenform. Normalerweise benutze ich die vollständige Wellenform, um den Umbauprozess durchzuführen, und beschneide sie anschließend nach Bedarf.
Reapers Envelope-Tool ermöglicht es, beliebig viele Editpunkte (Nodes) in der Kurve zu erzeugen. Dadurch sind auf Wunsch sehr detaillierte Operationen machbar. Um bei einer einfachen ADSR-Hüllkurve zu bleiben, benötigen wir aber nur fünf Punkte: Die ersten beiden definieren das Attack-Segment, Punkt 2 und 3 das Decay, 3 und 4 das Sustain und 4 und 5 die Release-Zeit.
Bewegt die Nodes umher und gestaltet die Hüllkurve nach euren Vorlieben. Dabei bekommt das Kick-Sample eine neue Kontur und damit auch einen neuen Klang. Ich habe alle fünf Nodes benutzt, um diese Kick umzubauen, und in den folgenden Beispielen zeige ich, wie man die einzelnen Hüllkurvenelemente separiert und in der Library abspeichert. Beginnen wir damit, die Sustain-Phase zu isolieren und für zukünftige Verwendungen zu archivieren. In den nächsten Bildern seht ihr, wie’s geht. Bild 3a zeigt die Original-Wellenform der Kick mit der neuen Hüllkurve darüber. Ich habe die Nodes so positioniert, dass der Attack völlig entfernt und der Körper (Sustain) hervorgehoben wird. Der Release ist kurz und glatt.
Das zweite Bild (3b) zeigt die resultierende Wellenform, die ich als “Kick 1 Sustain” abgespeichert habe. Den “toten” blauen Bereich schneide ich weg. So bleibt nur der Sustain der Kick übrig. Für sich genommen, klingt das nicht nach viel, aber es hilft später dabei, Elemente aus verschiedenen Quellen zu einem einzigen, stimmigen Sample zusammenzufügen.
Für dich ausgesucht
Nach dem Zuschneiden fehlt noch ein weiterer Schritt: das Normalisieren. Der Hauptgrund, weshalb man solche Drum-Schnipsel normalisieren sollte, ist, dass wir eine gewisse Pegel-Übereinstimmung brauchen. “Referenzierte” Gain-Werte helfen dabei, die einzelnen Elemente mit Fadern oder Dynamik-Prozessoren zu kontrollieren. Allerdings tritt beim Normalisieren auch etwaiges Rauschen stärker hervor – daher ist es am besten, sich jetzt darum zu kümmern, bevor wir damit anfangen, Samples übereinander zu schichten.
Den fertigen, beschnittenen und normalisierten Clip seht ihr in Bild 3c. In den Audiobeispielen könnt ihr die drei Schritte hören.
Am besten gehen wir noch ein weiteres Beispiel durch. Diesmal isolieren wir die Attack-Phase eines anderen Kickdrum-Samples. Wir wiederholen die drei Schritte aus dem letzten Beispiel, aber die Hüllkurve und das entstehende Sample sehen diesmal völlig anders aus, wie ihr in den nächsten Bildern sehen und in den Klangbeispielen hören könnt.
Zu guter Letzt suchen wir uns eine schöne, lange Release-Phase aus einem dritten Sample heraus. Wieder ist der Prozess der Gleiche, aber das Ergebnis ein ganz anderes. Beim Release ist es sinnvoll, das Sample etwas länger zu belassen, damit man später beim Zusammenfügen der Elemente alle Möglichkeiten hat.
Layern der Elemente
Für das Zusammenfügen der drei Layer zu einem Gesamtsound empfehle ich, statt eines Sample-Editors eine DAW-Software zu benutzen. So kann jedes Layer seine eigene Spur bekommen und beliebig verschoben werden, ohne dass andere Elemente im Weg sind. Auch kann jedes Element gesondert mit Dynamics oder EQ bearbeitet werden. Ist das Projekt erstmal gespeichert, kann jedes Element nachträglich schnell und einfach durch ein anderes ersetzt werden, wodurch dieses Verfahren die simpelste und produktivste “On-the-fly”-Methode für Drum-Layering ist. Das beste Werkzeug, um die Layer zu positionieren, ist die “Nudge”-Funktion der DAW. Setzt man sie auf Millisekunden, kann man die einzelnen Elemente präzise ausrichten.
Hier brauchen wir aber noch nicht aufzuhören – ganz im Gegenteil. Der kreative Einsatz von Phasenauslöschungen und M/S–Bearbeitungen (Middle and Sides) kann fantastische Resultate bringen. Es ist keineswegs falsch, komplette Wellenformen übereinander zu schichten. Aber in meiner Erfahrung führt es oft nicht zum gewünschten Resultat – und schafft mehr Probleme, als es löst. Um zu verstehen, warum mein Verfahren bessere Ergebnisse liefert, muss man zunächst das Thema “Phase” verstanden haben – und wie sich Klänge beim Summieren verhalten.
Damit können wir schon viele interessante Klänge erzeugen. Aber auch diesmal können wir noch einen Schritt weitergehen und zum Beispiel EQs oder Filter gleichzeitig mit der Phasenauslöschung einsetzen. So lässt sich besser kontrollieren, welche Frequenzen ausgelöscht oder verstärkt werden sollen – und noch mehr klangliche Facetten herauskitzeln. Dafür muten wir das Hauptlayer und setzen einen EQ auf den invertierten Kanal. Damit können wir die “gephaseten” Frequenzen filtern. Jetzt fügen wir das Hauptlayer hinzu und justieren den EQ nach Geschmack, während wir das invertierte Sample bewegen. (Nach Möglichkeit sollte man dafür einen sogenannten “Linear Phase EQ” verwenden, weil andere EQs sonst auch mal die Phasenlage des Signals zerschießen könnten.) Oder wir werden radikal und verwenden Distortion. Die nächsten Klangbeispiele zeigen, welche unterschiedlichen Ergebnisse man auf diese Weise erzielen kann:
Stereobreite und M/S
Natürlich kann man beim Kombinieren von Layern nicht nur das Frequenzspektrum und die Phasenlage kreativ nutzen, sondern auch das Stereopanorama. Zum Beispiel kann man Ambience oder Delayeffekte auf den einzelnen Layern verwenden, über Modulationen Bewegung hinzufügen oder M/S-Verbreiterungstechniken anwenden. Die letzte Methode ermöglicht es, das Hauptlayer unverändert und intakt zu belassen, während man es mit Frequenzen aus den invertierten Layern “umhüllt”. Das Ergebnis wirkt dann sowohl satt als auch breit.
Mittels M/S-Bearbeitungen kann ein Stereo-Sound verbreitert oder geschmälert werden, während der mittlere Kanal intakt bleibt. Dafür gibt es unzählige Plugins. Wenn man es allerdings übertreibt, klingt der zentrale Kanal leicht etwas “hohl”, weil das Signal in der Mitte im Vergleich zu den Seiten sehr leise wird. Während die M/S-Technik einen großen Einfluss auf die wahrgenommene Platzierung der Frequenzen haben kann, besteht auch die Gefahr, dass dadurch die über Phasenauslöschungen erreichten Effekte zunichte gemacht werden. Deshalb sollte man experimentieren, bis die gewünschte Balance der verschiedenen Prozesse erreicht ist. Besonders wichtig ist es, darauf zu hören, wie die M/S-Bearbeitung mit den Nudge-Verschiebungen interagiert und die Phasenverhältnisse der Samples beeinflusst.
Ein Schritt weiter
Wenn ihr den Empfehlungen in diesem Artikel bis hierhin gefolgt seid, wisst ihr, wie man die Amplitudenhüllkurve manipuliert, die einzelnen Elemente aus jedem Sound extrahiert und Phasenauslöschungen und M/S-Techniken (miss)braucht, um die gewünschten Sounds aus verschiedenen Sample-Layern zusammenzusetzen. Mit diesen Werkzeugen und Techniken könnt ihr lernen, für eure Tracks die perfekten Klänge sehr schnell auszuwählen und zu kombinieren. Die Ergebnisse werden garantiert viel eindrucksvoller sein, als wenn ihr stumpf ein Sample über ein anderes packt. Trotzdem kann man noch viel weiter gehen, wenn man bereit ist, ausführlich mit verschiedenen Techniken zu experimentieren.
Das würde hier etwas den Rahmen sprengen, daher belasse ich es bei einem Beispiel: Um noch exakter mit dem Phasenverhältnis der verschiedenen Layer zu arbeiten, kann man vom “Neben-Layer” nur die Grundfrequenz nehmen und die Obertöne herausfiltern. Das kann zu tollen Ergebnissen führen. Natürlich gilt das auch für das Hauptlayer, weil die Tonhöhe bei der Phasenauslöschung und dem Filtern eine große Rolle spielt, selbst wenn sie unter Geräuschen “begraben” ist. Genau zu definieren, welche Obertöne beeinflusst werden und wie das Filter sich auswirkt, während man schrittweise mit Phasenauslöschungen arbeitet, hat viel mit Mathematik und Physik zu tun. Ich habe versucht, allzu komplizierte wissenschaftliche Details auszuklammern – schließlich geht es hier um den Layer-Prozess und nicht das Fliegen einer F-15!
Zusammengefasst kann man sagen, dass für alle experimentellen und kreativen Bearbeitungen in der Audiotechnik zwei Dinge wichtig sind: Technisches Wissen über die angewandten Prozesse und das instinktive Vertrauen in eure Ohren und euren Verstand. Während das Drum-Layering natürlich seine technischen Richtlinien hat, kommt es letztlich immer darauf an, genau hinzuhören. Ich hoffe, dass dieser kurze Einblick in einige meiner Produktionsmethoden hilfreich war. Viel Spaß beim Experimentieren!
Manuel sagt:
#1 - 26.05.2015 um 08:22 Uhr
Hallo,vielen Dank für die Infos zum Thema Drum Sounds. Gibt es denn weiterführende Literatur/Workshops etc. zur Thematik "Sound Layering", im speziellen Synthesizer Klänge schichten? "Stichwort " Multitimbralität"VG Manuel