Alle paar Jahre stechen in jeder Musikergeneration Talente heraus, die schon früh klar machen, dass sie gekommen sind, um zu bleiben. Paul Albrecht ist einer dieser jungen Wilden, der mit unglaublicher Spielfreude, außergewöhnlichem Können und klarer Vision sein musikalisches Talent unter Beweis stellt. Dabei bewegt er sich zwischen den musikalischen Welten, die er mit seinem Spielstil auf seine ganz eigene Weise zusammenbringt. In Pauls Fall sind das Jazz und Groove, die ihn seit jeher magisch anziehen und am Instrument so begeistern konnten, dass er bereits in jungen Jahren jegliche vorhandene Zeit und Energie in seine Entwicklung als Drummer investierte.
Der junge Wilde aus dem Schwabenland
Angekommen im Hier und Jetzt zahlt sich die Hingabe zur Musik voll aus und so scheinen Herausforderungen an jeder Ecke auf ihn zu warten. Neben Engagements in vielen Bands und Projekten hat für ihn aber auch die Realisierung der eigenen Projekte einen hohen Stellenwert. Wir sprachen mit Paul über seinen Werdegang, seine Herangehensweise an Jazz und Groove und seine ambitionierten Zukunftspläne.
Hallo Paul, schön, dass du dir Zeit genommen hast. Erzähl uns mal ein bisschen von dir!
Ich komme aus Möblingen, einem Dorf neben Stuttgart. In meiner Kindheit habe ich erst, wie so ziemlich jeder, auf Töpfen rumgetrommelt, später dann an der Musikschule Unterricht genommen und danach an der Musikhochschule in Stuttgart ein Vorstudium neben der Schule gemacht. Nach dem Abitur habe ich dann zwei Jahre intensiv zu Hause geübt, Gigs gespielt und bin dann nach Essen zum Jazzstudium gegangen. Ich habe zwar immer viel zu Beats gespielt, aber der Jazz macht einfach so viel mit den Fähigkeiten, den Ohren und der Aufmerksamkeit, dass ich mich dem voll widmen wollte. In Essen habe ich dann einfach unglaublich viel geübt und gespielt.
Wie hast du den Zugang zu Jazz bekommen?
Ich habe eigentlich erstmal versucht, jeden Musikstil nachzuspielen, der mir Spaß gemacht hat. In der Musikschule habe ich dann zusammen mit Mathis Grossmann Big Band gespielt, worüber ich schließlich mit der Musik von Allan Holdsworth oder Chick Corea in Verbindung kam und auch Drummer wie Vinnie Colaiuta oder Steve Gadd für mich entdeckte. Die Drummer fand ich einfach so unglaublich und insbesondere die Virtuosität hat mich total gefangen. Die Tatsache, dass die auch heftig Groove spielen können, hat sie für mich noch interessanter gemacht. Für mich war es das höchste Level, virtuos Jazz und gleichzeitig extrem Groove spielen zu können. Da wollte ich hinkommen. Mein Ziel war und ist es, mich durch gutes Handwerk spielerisch komplett frei ausdrücken zu können und gleichzeitig auch in der Lage zu sein, einen Groove mit Backbeat zu spielen, bei dem Leute einfach tanzen wollen.
Veränderst du für die jeweiligen musikalischen Situationen auch komplett deine Herangehensweise ans Instrument und beispielsweise auch dein Tuning oder Equipment?
Emotional ändert sich für mich zwischen einer Popshow oder einem Gig im Jazzclub vor zehn Leuten gar nichts. Ich ändere aber das Setup und den Approach. Wenn ich einen Jazzgig spiele, dann mag ich einen offenen Drumsound und die Snare recht hochgestimmt und spiele viel mehr aus den Fingern oder dem Handgelenk und deutlich leiser. Trotzdem sind bei einem Popgig die Ohren für mich genauso auf. Ich höre nicht nur auf den Click und fahre da auf Autopilot. Ich versuche mich aber auch immer zu pushen und spiele manchmal Jazzgigs mit extra langen 5A Sticks und versuche damit trotzdem leise gut zu klingen. An sich bleibt aber das Equipment, auch die Becken sind exakt gleich und ich verändere mit Tuning und der dynamischen Spielweise den Sound, je nachdem, mit wem ich spiele.
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Ist es für dich manchmal auch ungewohnt, wenn du viele große Festivalshows gespielt hast und dann auf einmal ein leiser Jazzgig dazwischen kommt?
Ich werde meistens von der Musik und der Energie so getriggert, dass sich das eigentlich wie ein Schalter umstellt. Über die Jahre habe ich mich ja auch so intensiv damit beschäftigt, in den jeweiligen Musikstilen die Kontrolle und den Touch zu entwickeln. Das Mindset ändert sich also mit der Musik.
Du hast auch ein Soloprojekt. Wie entsteht die Musik dazu?
Das aktuelle Album habe ich komplett selbst gemacht, vor allem am Klavier Ideen gefunden, dann die Drums und Percussion aufgenommen und dann die Tracks am Rechner produziert. Dann habe ich den Jungs verschiedene Spuren gegeben, damit sie sich auf das vorbereiten können, was auf der Bühne passieren soll.
Du hast auch dein eigenes Label gegründet.
Richtig. Ich weiß, dass der Plan sehr ambitioniert ist, aber wenn ich über das nachdenke, was ich wirklich machen will, ist es, dass ich das in der Hand habe, was ich mache. Und dazu gehört für mich ein eigenes Label, das für einen Sound steht, den ich über die Jahre entwickeln will. Aktuell geht es natürlich darum, die eigene Musik darüber zu veröffentlichen, aber später möchte ich das auch für andere Projekte öffnen, die irgendwo im R&B oder Soul mit einer guten Portion Jazz unterwegs sind. Mein Vorbild ist da Brainfeeder aus LA. Thundercat macht ja eigentlich vor allem live wirklich Jazz und hat einen Grammy gewonnen und tourt mit den Red Hot Chili Peppers.
“Bei Schmyt liebe ich die Musik, habe aber auch die Freiheit, in gewisser Hinsicht mein Ding zu machen. Das war mir auch wichtig, den Jungs am Anfang mitzuteilen, dass ich eine Persönlichkeit am Drumset mitbringe.“
Wie bist du zu Schmyt gekommen?
David Thornton, der Musical Director bei ihm ist, hat mich damals angerufen und ich habe dann bei einer kleinen Mini-Audition im Studio vorgespielt. Jetzt bin ich seit April 2022 dabei.
Du wirst mittlerweile für viele Projekte gefragt und hast auf der anderen Seite ambitionierte eigene Pläne. Wonach definierst du, ob du dich für oder gegen ein Projekt entscheidest?
Das ist eine gute Frage. Für mich gibt es drei entscheidende Komponenten: die musikalische, die emotionale und die menschliche. Es ist natürlich super geil, große Bühnen zu spielen, aber für mich ist es entscheidend, wie ich mich dabei fühle. Das ist für mich beeinflusst davon, wie die Musik ist, die ich spiele und was zwischenmenschlich passiert. Bei Schmyt liebe ich die Musik, habe aber auch die Freiheit, in gewisser Hinsicht mein Ding zu machen. Das war mir auch wichtig, den Jungs am Anfang mitzuteilen, dass ich eine Persönlichkeit am Drumset mitbringe. Die Musik muss mir auch einfach gefallen. Dabei geht es auch nicht darum, dass sie besonders komplex ist. Ich habe teilweise Gigs nur mit Bassdrum, Hi-Hat und Snare gespielt und hatte eine Menge Spaß.
Ich finde es zum Beispiel bei Kendrick Lamar total geil, wenn Thundercat Bass spielt und damit der Musik seinen Stempel aufdrückt. Oder wenn bei Herbie Hancock verschiedenste musikalische Persönlichkeiten zusammentreffen und daraus einfach Magie entsteht. Das ist für mich deutlich spannender als ein zusammengewürfelter Haufen Musiker, die zu einem Backingtrack spielen.
Wie schaffst du es, dich dauerhaft zu fokussieren? Die Mixtur aus üben, live spielen, kreativ sein und ein Label zu organisieren klingt nach extrem viel.
Musik ist nie ganz weg, aber ich versuche, durch Sport, Meditation oder Qigong einen Ausgleich zu finden. Mittlerweile habe ich da eine Routine entwickelt, die mir sehr hilft. Ansonsten versuche ich, mich gut zu organisieren, was natürlich manchmal auf Tour nicht so einfach ist.
Hast du Pläne für die Zukunft, was den Ort deines Schaffens angeht?
Aktuell bin ich noch in Stuttgart. Ich gucke immer mal wieder nach einer Wohnung in Berlin, allerdings zieht mich auch Los Angeles sehr an. Ich kenn ein paar Leute, die dort sind und möchte auf jeden Fall für längere Zeit dort hin und vor Ort Kontakte knüpfen und Musik machen. Am liebsten würde ich natürlich den Spagat schaffen und sowohl hier als auch in LA eine Base haben, sodass ich in den verschiedenen Szenen spielen kann. Ob das realistisch ist, wird die Zeit zeigen, aber probieren will ich es auf jeden Fall.
Hast du für dich grundsätzliche Ziele formuliert, an denen du arbeitest?
Mein ultimatives Ziel ist es, am Instrument ständig zu wachsen, inspiriert zu bleiben und es zu schaffen, einen eigenen Sound zu kreieren und den Spaß nicht zu verlieren. Außerdem möchte ich in Deutschland und Europa viel spielen und auch mit meiner eigenen Band weiter viel unterwegs sein und mein Label weiter nach vorne bringen.
Vielen Dank für’s Gespräch!
Pauls Equipment:
Drums: DW Design Acrylic oder Collectors
Bassdrum: 22“x16“
Toms: 10“x6“, 12“x8“, 13“x9“, 14“x14“, 16“x16“
Snares: 14“x6,5“, 13“x7“
Becken: Paiste
Hi-Hat: 14“ Masters
Crashes: 19“ Masters Extra Thin, 18“ Masters Extra Thin
Ride: 22“ Masters Dark Ride
Effekt: 10“ PST-X Splash Stack, 10“ PST-X Hats, 10“ Signature Dark Energy Splash
Hardware: DW
Sticks: Meinl Standard Long 5A, Hybrid Maple 9A
Felle: Remo
Bassdrum: Powerstroke 4 Clear
Toms: Pinstripe Ebony, Powerstroke 4 Clear (14“ & 16“)
Snare: Powerstroke 77 Colortone oder Ambassador Black Suede
Website von Paul Albrecht: https://paul-albrecht.eu
Instagram: https://www.instagram.com/_paulbright