Praxis
Praxis und Sound
Der Amp bietet einen sehr direkten, klassischen Gitarrensound mit einer überragenden Dynamik und einem lebendigen und offenen Klang. Wegen des speziellen, in Deutschland gefertigten Ausgangsübertragers kommt der wichtige Mittenbereich etwas straffer daher, als man es vom Marshall-Ideal gewohnt ist. In dieser Disziplin erinnert mich der Ton mehr an Hiwatt Verstärker, wobei der Berlin Amp von Duesenberg insgesamt weicher klingt. Der cleane Kanal ist durchaus in der Lage, einem Fender Twin das Wasser zu reichen. Die schneidenden Höhen sucht man hier allerdings vergebens, was mir persönlich sehr gut gefällt. In den ersten beiden Beispielen habe ich meine alte Rickenbacker 330 angeschlossen und den Stegpickup aktiviert. Die Klangregelung ist auf 12 Uhr eingestellt und der Volume-Regler steht auf 10 Uhr, womit man bereits einen gewaltigen Schalldruck erzeugt. Der Ton ist direkt und schmatzig und ohne jeglichen Anflug von Kälte.
Obwohl der Amp, clean gespielt, unglaublich lange standhaft bleibt, fährt man auch ihn irgendwann in die Sättigung. In der Realität wird man jedoch nur selten in den Genuss dieser Endstufensättigung kommen, denn es wird verdammt laut. Im nächsten Soundbeispiel habe ich den Volume-Regler in die 14-Uhr-Position gedreht, wobei ich schon Bedenken hatte, dass sich der Putz von den Wänden löst. Wie man hört, erhält der Ton eine leichte Kompression und eine dezente Anzerrung, die ihm gleichzeitig ein sattes Fundament verleiht.
Für verzerrte Sounds muss der Amp aber nicht unbedingt weit aufgerissen werden, weil die Boost-Sektion, die bei Aktivierung vor den cleanen Kanal geschaltet wird, unglaublich feinfühlig arbeitet. Hier lassen sich sehr authentische Marshall/Hiwatt-Sounds einstellen. Im nächsten Beispiel kommt meine 77er Stratocaster mit Kloppmannpickups in der Zwischenposition von Steg- und mittlerem Tonabnehmer zum Einsatz.
Dreht man den Gainregler auf die 12-Uhr Position, ist das Ergebnis ein straffer Blues- und Countrysound, der relativ unkomprimiert daherkommt. Auch hier sind die Frequenzen sehr ausgewogen verteilt. Nichts nervt und die Höhen bleiben schimmernd, unaufdringlich und weich.
Für das nächste Audiobeispiel bin ich bis kurz vor den Punkt gegangen, ab dem der Ton für meinen Geschmack zu suppig wird. Mit meiner Stratocaster war dieser ab etwa 16:30 Uhr erreicht. Einstellungen, die darüber hinausgehen, hatten einen leicht fuzzigen Charakter, der mir nicht so gut gefallen hat. Der Eindruck variiert jedoch von Instrument zu Instrument, denn dieser Amp reagiert äußerst feinfühlig auf den jeweiligen Gitarren- und Pickuptyp.
Wer mehr Verzerrung wünscht, muss den Booster-Wahlschalter auf der Rückseite des Topteils in die Position “High” stellen. Sofort erhält der Ton eine feinere Zerrstruktur und einen etwas komprimierteren Grundcharakter. Trotzdem bleiben die Feinheiten und der Twäng der Gitarre vollständig erhalten. Klasse! In den drei letzten Soundbeispielen habe ich meine Gibson Les Paul mit Dommenget-Humbuckern verwendet. Im folgenden Beispiel steht der Gainregler für eine ganz leichte Verzerrung auf 9 Uhr.
Ab der 12-Uhr-Position des Gainreglers bringt der Amp einen kantigen, klassischen Rocksound hervor, bestens geeignet für fette Riffs. Dabei bleibt das Ganze unglaublich griffig und mächtig. Auch hier wird nichts schöngefärbt und man muss immer ein wenig mit dem Ton kämpfen, soll es gut klingen. Dafür habe ich aber selten einen derart erdigen und direkten Gitarrenamp auf meinem Seziertisch gehabt.
Im letzten Soundbeispiel steht der Gainregler auf Maximum und mit dem Levelregler des Boosters wird der Eingang der Cleansektion zusätzlich leicht gekitzelt. Mehr Verzerrung gibt der Amp beim besten Willen nicht her, aber ein Metallmonster möchte er auch gar nicht sein. So lassen sich erstklassige Riffs in Richtung AC/DC und Aerosmith realisieren, die man in dieser Güte mit anderen Amps nicht ohne weiteres hinbekommt.