Praxis
Earthworks propagiert sein Feuerzeug als Schlagzeugmikrofon, was sicher aufgrund des hohen Grenzschalldruckpegels und der guten Übertragung von Impulsen naheliegend ist. Statt ein Drumkit zu mikrofonieren, erschien es mir zur Verdeutlichung des Charakters sinnvoller, eine Akustikgitarre aufzuzeichnen. Hätten sich Musiker und Tontechniker immer stoisch an Herstellertipps gehalten, wäre es nie zu verzerrten Gitarren, All-Buttons-Kompression und “Digital Noise”-Effekten gekommen. Bei Signalen eines Drumkits sind manchmal Nonlinearitäten in der Übertragungskette durchaus vorteilhaft, zudem sind gerade bei Becken die Charaktere der Instrumente einerseits komplex und andererseits von Instrument zu Instrument höchst unterschiedlich. Wie sich zeigt, war die Entscheidung für die Akustikgitarre nicht falsch.
Auch ohne Vergleichsmikrofon macht sich der zu erwartende Klangcharakter direkt bemerkbar, der Gitarrist zieht beim Anhören seines Files anerkennend die Augenbrauen nach oben. Die Schnelligkeit und die hohe Bandbreite lassen das Signal äußerst transparent wirken. Auf der Suche nach geeigneten Adjektiven kommt auch schnell “spritzig” in den Sinn, oder – um im gewählten Bild zu bleiben – “Funken sprühend”. Dieses “Sparkle” ist es auch, was vielen Nutzern möglicherweise zu hart erscheint. Daher ist das SR kein Gerät, das man einfach auf den Mikrofonständer pflanzt, um danach nur noch den Fader hochzuziehen. Hier ist bei einem Großteil der Anwendungsgebiete der Einsatz eines sanften, sauber arbeitenden Hi-Shelfs oder eines flachflankigen Tiefpassfilters hoher Qualität notwendig. Es gibt zwar Mikrofone, die einen “Set it and forget it”-Charakter haben, aber ein wenig Spielraum kann ja nicht falsch sein. Der Mittenbereich des SR25 ist im positiven Sinne unauffällig; wer möchte, kann diese Neutralität als Charakterlosigkeit umdeuten. Kompressionseffekte oder sonstige dynamische Besonderheiten weist das Mikrofon bei sämtlichen Frequenzen und Pegeln nicht auf. Selbst im enormen Nahbereich des Instruments und mit der Sensibilität eines Waffenschmieds auf die Gitarre eingedroschen, zeigt sich das SR vom Pegel unbeeindruckt und wandelt, ohne mit der Wimper zu zucken – also ohne Verzerrungen zu generieren.
Schaltet man auf andere Mikrofone um, fällt es recht deutlich auf: Das Oktava MC012 – noch das “gute” aus alter russischer Produktion – kann besonders in den Höhen einfach nicht mithalten, der Klassiker Neumann KM184 spielt mit dem Testgerät aber in der gleichen Liga. Die Unterschiede sind hier kleiner, man kann erkennen, dass das KM etwas ausgewogener und “runder” klingt als das SR. Um das amerikanische Mikrofon gegenüber dem KM184 in Schutz zu nehmen: Auch der Sound der Kleinmembrane von Neumann genießt in unserem Gedächtnis wahrscheinlich einen hohen Bekanntheitsgrad. Die Unterschiede sind hier marginal und Präferenzen schlicht und einfach Geschmackssache. Preislich liegen sie sowieso in der gleichen Region. Wie auf einer guten Veranstaltung wird hier auch noch für Kontrastprogramm gesorgt: Das Groove Tubes AM40 ist ein Kondensatormikrofon mit deutlich größerer Membran als das SR und hat es nicht so mit “kristallklarer” Verstärkung der Kapselsignale, denn hier liegt eine Röhre im Signalweg. Deutlich hört man bei der Umschaltung, wie sich der Charakter ändert. Auch hier gibt es kein “gut” oder “schlecht”, sondern schlicht und einfach die Frage, was man mit dem Mikrofon erreichen möchte.
Röhren-Mikrofonvorverstärker werden häufiger mit Großmembran-Mikrofonen verwendet, doch auch die Kombination mit den kleinen Geschwistern ist oft reizvoll. Das Earthworks hinterlässt nach der Verstärkung mittels Vakuum-Gläschen jedoch einen uneindeutigen Eindruck:
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Die Spritzigkeit, der Höhenreichtum und die Schnelligkeit gehen naturgemäß ein wenig verloren, was für das Signal im Umfeld eines Mixdowns durchaus vorteilhaft sein kann. Die Zerrungen und die Kompression des Preamps – der hier zur besseren Verdeutlichung ordentlich in die Sättigung gefahren wurde – wollen aber nicht so recht zum Earthworks passen. Hier beißen sich Moderne und Tradition etwas – ob diese Spannung sinnvoll ist, muss allerdings die Situation entscheiden. Andere Mikrofone wie das Röhren-„Mittelmembranmikro“ GT AM40 lassen es dagegen so richtig krachen.
Nach dem Praxistest ist klar: Das “Feuerzeug” Earthworks SR25 ist ein wirklich hochwertiges Stück Tontechnik, dessen Übertragungsqualität Hochachtung verdient und sicher auch bekommt. Das Arbeiten mit diesem Gerät macht Spaß, was in erster Linie an der Höhenübertragung und der enormen Impulstreue liegt. Vor allem ohne vorherige Digitalwandlung direkt an eine Abhöre mit den von Dr. Heil entwickelten, äußerst schnellen “Air Motion Transformer”-Treibern angeschlossen, zeigt das Mikrofon, was es kann. “Langsam” ist das bestimmt nicht! Die Tatsache, dass das Earthworks unterhalb von 50 Hz eher schwachbrüstig ist, wird bei den vorgesehenen Einsatzgebieten kaum schmerzen.