Praxis
Durch die Stereo-Funktionialität erscheint das Setup mit dem WTP900 auf den ersten Blick etwas komplexer als mit einem normalen Mono-Basstop. Ich denke jedoch, das jeder halbwegs erfahrene Bassist, der über ein einfaches Grundwissen bezüglich der Widerstände (Impedanzen) von Endstufen und Boxen verfügt, keine Probleme mit dem großen Eden-Amp haben wird. Alles was man für das Setup über den WTP900 wissen muss, ist, dass jede der beiden Endstufe ihre volle Leistung an ein Boxen-Konfiguration mit einer Gesamtimpedanz von 4 Ohm abgibt, im Monobetrieb erhöht sich der Widerstand dann auf 8 Ohm. Weil die Endstufen seriell gebrückt werden, muss man im Monobetrieb die Ohmwerte der Boxen allerdings addieren – eine optimale Boxenkombination für die volle Verstärkerleistung im Monobetrieb wären folglich zwei 4-Ohm-Boxen. Für den Stereobetrieb ergeben sich dann beispielsweise Kombinationen von vier 8-Ohm-Boxen, zwei 8-Ohm- und einer 4-Ohm-Box oder zwei 4-Ohm-Boxen. Klar, die Möglichkeit mit dem Cycle-Schalter durch alle Kombinationsmöglichkeiten zu schalten und an den verschiedenfarbig leuchtenden Buchsen ablesen zu können, welche Box mit welchem Anschluss kompatibel ist, hilft unerfahrenen Bassisten sicherlich beim Setup. Wer in Erwägung zieht, sich einen Stereo-Amp in dieser Leistungs- und Preisklasse anzuschaffen, dürfte aber meiner Meinung nach sicherlich sowieso schon das nötige Grundwissen mitbringen, um Fehler beim Anschluss der Boxen zu vermeiden. Insofern sind die leuchtenden Speakons für mich eher ein Gimmick, aber es stört ja andererseits auch nicht!
Alles andere als Gimmicks sind hingegen die neuen Features auf der Frontplatte des WTP9000, die zum Teil neue Klangwelten für Fans von Eden-Verstärkern erschließen. Zuerst hören wir das neue Flaggschiff allerdings mit einer neutralen Equalizer-Einstellung und ohne den Einsatz der zweiten Röhre an, damit wir einen ersten Eindruck vom Grundklang des Amps bekommen.
So lange man den Tube-Mix-Regler nicht anfasst, klingt der neue WTP900 genau wie sein älterer Bruder, der WT800 aus der World Tour-Serie. Kein Wunder, in der World Tour Pro-Serie kommt ja auch der gleiche Preamp zum Einsatz. Der typische Eden-Sound wirkt solide wie ein Fels, ist auf ein angenehme Art ausgewogen und setzt sich mit seinem schönen warmen Mitten-Timbre und den seidigen Höhen angenehm von der Transistor-Konkurrenz ab. Das ist ein toller und universell einsetzbarer Grundklang, der mit vintage-artigen Bässen genauso gut funktioniert wie mit modernen Instrumenten.
Für das nächste Beispiel habe ich den Enhance-Regler bis zur Hälfte aufgedreht um zu hören, wie der neue Amp darauf reagiert.
Durch die Anhebung von Bässen, Hochmitten und Höhen bei gleichzeitiger Absenkung der Tiefmitten entsteht ein Scoop-Sound, der den Bass wuchtiger und transparenter erscheinen lässt. Erfreulich ist, dass alle Positionen auf dem Reglerweg des Enhance-Features musikalische Ergebnisse liefert; nur mit voll aufgedrehtem Regler kann der Bass, je nach Raumsituationen und Boxenkombination, etwas aus den Fugen geraten und neigt dann durch den immensen Tiefbass-Boost ggf. zum Dröhnen.
Bisher überzeugt mich der WTP900 absolut mit seinen erstklassigen Eden Signature-Sounds, wirklich neue Klangfarben habe ich bisher vom Flaggschiff der World Tour Pro-Serie allerdings noch nicht gehört. Das ändert sich nun allerdings schlagartig, sobald man die zweite Röhre mit dem Tube-Mix-Regler ins Spiel bringt.
Der Tube-Mix-Regler wurde für den obigen Clip voll aufgedreht, die Bässe habe ich dezent geboostet und den Enhance-Regler auf ca. 10 Uhr justiert. Für meine Ohren klingt die Verzerrung total organisch und warm; besonders im Zusammenspiel mit dem Enhance-Feature liefert der Eden-Amp einen mächtigen Zerrsound, der mit seiner durchschlagenden Wucht durchaus an den Sound von Vollröhren-Amps erinnert und ein solides und fettes Fundament unter jede Rockband schiebt. Richtig aggressive, heftig verzerrte Overdrive-Orgien sind mit dem Tube-Mix-Regler zwar nicht möglich, aber wer auf crunchige und angezerrte Bassounds mit geschmeidigem Röhrencharakter steht, wird das neue Feature der World Tour Pro-Serie sicherlich sofort lieben!
Der Kompressor des WTP900 ist kein Neuzugang bei Eden-Verstärkern und findet sich bereits bei den bekannten World Tour-Modellen. Für die neue Flaggschiff-Serie wurde die Kompressor-Sektion allerdings gründlich überarbeitet und bietet nun auch erstmals Regelmöglichkeiten für das Kompressionsverhältnis und die Einsatzschwelle. Der Kompressor reagiert schnell und reduziert das Signal mit einer weichen Kurve, er wurde also prinzipiell gutmütig abgestimmt und verursacht kein ungewolltes Pumpen. Mit den neuen Regelmöglichkeiten kann der Kompressor aber noch viel gezielter an die eigene Spieldynamik angepasst werden und gewinnt dadurch erheblich an Praxiswert. Im letzten Audio-Clip könnt ihr den neuen Kompressor in Aktion hören; für den modernen Slapsound habe ich außerdem Bässe und Höhen deutlich geboostet und die Mitten bei 1kHz etwas abgesenkt. Hier wird deutlich: die Equalizer-Abteilung des WTP900 lässt wirklich keine Wünsche offen! Durch die umfangreiche Mitten-Sektion mit drei wählbaren Bändern lässt sich der Sound in nahezu jede Richtung trimmen und störende Frequenzenanteile sind im Handumdrehen aufgespürt und eliminiert.
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Auch in Sachen Leistung und Lautstärke kann der 900 Watt starke Bolide aus der neuen World Tour Pro-Serie überzeugen. Ich konnte den Amp im Proberaum eines befreundeten Schlagzeugers mit zwei 4×10-Boxen bis zur Schmerzgrenze ausfahren und war wirklich beeindruckt von der erreichbaren Lautstärke. Ich kann mir kaum eine Anwendung vorstellen, für die man mit diesem Amp und der geeigneten Boxenausstattung nicht bestens gewappnet wäre, zumal der WTP900 auch bei extrem hohen Lautstärken noch immer einen dynamischen, extrem soliden und differenzierten Sound liefert.