Eigener Style oder ungesundes Singen?

Neulich war ich Jurorin bei einem Musikwettbewerb, an dem jugendliche Sänger*innen teilgenommen haben. Dabei fiel eine Teilnehmerin durch ihre tollen eigenen Songs und einen eigenwilligen Gesangsstil besonders auf und später diskutierten wir in der Jury angeregt darüber, ob dies nun ein eigener Stil sei oder vielleicht eine eher ungute angewöhnte Technik. Im vorliegenden Fall sang die Teilnehmerin fast ausschließlich in Kopfstimme und oft mit einem sehr engen Rachen (manche würden dies „knödeln“ nennen), was durchaus besonders klang. Daher versuche ich heute ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen, wo ein eigener Style aufhört und wo eine ungesunde Gesangstechnik beginnt.

Eigener Style oder ungesundes Singen?
Teaserfoto: Shutterstock, PeopleImages.com – Yuri A

Was mit eigenem Gesangsstil gemeint ist

Ein eigener Gesangsstil bedeutet, dass man sich bestimmte Phrasierungen, Übergänge von Kopf- zu Bruststimme oder Klangfarben so zu eigenen gemacht hat, dass man diese Techniken regelmäßig nutzt und – bestenfalls – daran auch von anderen erkannt wird. Es bedeutet, dass wir unserem Gesangsvortrag durch Details eine persönliche Note verleihen. Die allermeisten großen Sänger*innen unserer Zeit wirst du vor allem an ihrem Stil erkennen.

Seien es Billie Eilish Beyoncé, Joe Cocker oder Taylor Swift – sie alle haben oder hatten ihre eigene Art zu singen. Ihr Gesang ist unter Tausenden herauszuhören, aber es ist wichtig festzuhalten, dass diese Sängerinnen und Sänger eine gesunde Technik nutzen.

Was ist ungesundes Singen?

Du kannst dir mit der falschen Technik ernsthafte Stimmprobleme und Verletzungen, wie zum Beispiel Knötchen an den Stimmlippen einfangen. Deswegen solltest du dir unbedingt Feedback von professionellen Vocal Coaches holen, damit du sichergehen kannst, dass du deiner Stimme nicht schadest – selbst, wenn es nur für einige Stunden ist.

Grob kann man zusammenfassen, dass Singen immer dann ungesund wird, wenn du Techniken nutzt, die sich negativ auf deinen Stimmapparat auswirken oder sogar wirklich gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen können. Dazu gehören zum Beispiel Singen mit Nebenluft, falsche Kehlkopf- oder Zungenpositionen, falsche Stütze und einiges mehr. Bist du nach dem Singen heiser, ist das ein Warnsignal, das du ernst nehmen solltest.

Allerdings gibt es zwischen dem gesundheitsschädigenden Singen auch noch eine Zwischenstufe und die würde ich als Singen mit schlechten Angewohnheiten bezeichnen.

Singen mit schlechten Angewohnheiten

Der Spruch „Das ist halt mein Stil“ ist aus Gesangscoach-Sicht erfahrungsgemäß oft eine Ausrede dafür, bestimmte Techniken zu üben. Wir Menschen tendieren dazu, lieber Dinge zu tun, die sich leicht anfühlen und mit denen wir uns wohlfühlen. Aber wenn wir Instrumente lernen, dann kommen wir in der Regel an unsere Grenzen dessen, was wir schnell oder gar sofort umsetzen können.

Ob Gitarre, Schlagzeug oder Gesang – damit man ein Instrument beherrschen kann, muss man einige Dinge mühselig üben. Bei der Gitarre sind bspw. das Lernen von Barré-Akkorden oder das saubere Spielen mit Plektrum oft eine Sollbruchstelle, an der sich bei vielen entscheidet, wie ernst sie es mit dem Üben meinen. Und manche machen dann am Instrument keine Fortschritte mehr, weil sie sich in dem aufhalten, was sich ohne Wachstumsschmerz gut anfühlt.


Nun bewegt man sich aber nur vermeintlich in der Comfort Zone, weil man wirklich immer wieder in Situationen kommen, wo man dann bestimmte Songs oder Parts nicht spielen oder singen kann, weil das technische Skillset dafür dann fehlt.

Im beschriebenen Fall war es so, dass die Teilnehmerin ebenfalls später mit einer Band aufgetreten ist und man auf einmal bemerkte, dass sie in ihrem Gesangsstil sehr limitiert war: Die Band spielte in einer Tonlage, in der sie Schwierigkeiten hatte, in Kopfstimme zu singen und zusätzlich Probleme bekam, durch ihren engen Rachen korrekt zu intonieren.

Hier kann man festhalten: Vermutlich hat sie sich nicht direkt ihre Stimme ruiniert, aber sich so spezielle Gewohnheiten angewöhnt, dass sie in ihrer Songauswahl einfach sehr eingeschränkt sein wird, wenn sie die Themen für sich nicht angehen wird.

Bekämpfe deine Übungsdämonen

Klar kostet es Zeit, Disziplin und Mühe, gewisse Dinge zu üben. Aber spätestens dann, wenn man sich so spezielle Techniken angewöhnt, dass man in der Auswahl der Stücke beschränkt wird, sollte man sich fragen, ob das doofe Gefühl, das einen immer weiter begleiten wird, nicht irgendwann zur Belastung werden könnte.

Es ist total fein, Dinge geschmacklich gut zu finden, die besonders sind, aber wichtig hervorzuheben finde ich, dass eine Art zu singen bestenfalls eine bewusste Entscheidung sein sollte und keine schnelle Schummel-Ausfahrt, mit der man Schwächen vertuscht.

Nehmen wir als Beispiel Justin Vernon, den Sänger des Projekts Bon Iver. Bon Iver ist mit einem markanten Falsettgesang bekannt geworden, er kann aber auch in einer sehr sonoren warmen Bruststimme singen. Er entscheidet sich also klar aus künstlerischen Gründen, in bestimmten Songs in bestimmter Art und Weise zu singen, ist technisch aber in der Lage, beides abzurufen.

Als wir mit der Teilnehmerin später im Gespräch waren, habe ich tatsächlich genau das auch geraten: Ich möchte ihr in ihre Art zu singen, nicht reinreden, würde ihr aber den Rat mit auf den Weg geben, einige Basics in der Gesangstechnik mit ihrem Vocal Coach so zu üben, dass sie Brust- oder Kopfstimme und einen freien Rachen problemlos abrufen kann. Wofür sie sich später stilistisch entscheiden würde, ist komplett ihre Entscheidung. Vielleicht hat dich diese Geschichte ja inspiriert, dich selbst einmal zu reflektieren, ob du nicht auch selbst einige Stimm-Baustellen haben könntest, um die du dich herumdrückst und die dich gar davon abhalten, bestimmte Songs zu singen?

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von nina.graf

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