Die Basswelt teilt sich in drei große Kategorien: P-Style, J-Style und MM-Style. Diese Bezeichnungen stehen für drei unterschiedliche Bässe, die zu Archetypen wurden und heutzutage weltweit tausendfach kopiert werden. „P“ steht für Precision Bass, „J“ für Jazz Bass und „MM“ natürlich für den Music Man Stingray. Hinter diesen „Big Three“ steht ein Name: Clarence Leonidas „Leo“ Fender. Heute wollen wir die dritte legendäre Bass-Kreation dieses Genies in den Fokus nehmen: den Music Man Stingray. Der Stingray läutete als erster in Großserie hergestellte E-Bass mit einer Onboard-Aktivelektronik eine neue Ära im Bassbau ein. Sein Sound hat sich tief in das kollektive Bewusstsein der Basswelt eingebrannt – und das in den verschiedensten musikalischen Genres!
Music Man Stingray – History
Im Zuge des Verkaufs der Firma Fender an CBS hatte Leo Fender einen Vertrag unterzeichnet, der ihm untersagte, für die nächsten 10 Jahre gewerblich Musikinstrumente zu bauen und zu verkaufen. Für Leo stellte dies kein Problem dar, hatte er doch gerade die Diagnose bekommen, dass er aufgrund einer Krankheit nicht mehr viele Jahre vor sich haben würde. Zum Glück stellte sich diese Nachricht als Fehldiagnose heraus!
Mit Forrest White und Tom Walker verließen damals neben Leo noch zwei weitere Mitarbeiter die Firma Fender. Das Trio gründete im Jahr 1971 mit Tri-Sonic ein neues Unternehmen, bei dem Leo aufgrund seines Vertrages mit CBS zunächst nur stiller Teilhaber war. 1973 wurde die Firma in Musitek, Inc. umbenannt, und 1974 erhielt die Company den griffigen Namen „Music Man“. 1975 lief dann endlich der Vertrag mit CBS aus – Leo Fender konnte nun endlich als Geschäftsführer von Music Man in Erscheinung treten.
In enger Zusammenarbeit mit Tom Walker und keinem Geringeren als einem gewissen Sterling Ball wurde 1976 der Music Man Stingray Bass der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses Bassmodell konnte mit einigen Innovationen glänzen:
- Aktive Elektronik mit Bass- und Höhen-Equalizer (Boost Only)
- Fetter Humbucker in der Bridge-Position
- Asymmetrisch im 3:1-Verhältnis angeordnete Stimmmechaniken, die Dead Spots verhindern sollen
- Ovales Schlagbrett (Pickguard) aus Kunststoff, in dem der Humbucker eingelassen ist
- Verchromte Control Plate in Form eines Bumerangs mit Reglern und Klinkenbuchse
- String Through Body Brücke, die Saiten können durch den Korpus gezogen werden, was den Anpressdruck auf die Brücke und so die Übertragung der Schwingungen in den Body verbessert
- Schraubbare Dämpfer aus Moosgummi für jede Saite
- Erle oder Esche für den Korpus, Ahorn für den Hals, Ahorn oder Palisander für das Griffbrett
Vor allem der Humbucker gilt als identitätsstiftendes Merkmal für den Music Man Stingray. Mit seinem hohen Output und dem punchig-drückenden Sound mit vielen gesunden Tiefmitten etablierte er ein neues Soundideal. Aufgrund der Verwendung des Humbuckers wurde der Stingray neben dem Jazz Bass und dem Precision Bass zum dritten weltbekannten Archetypen des E-Basses, welcher kurz als „MM“ bezeichnet wird. Die unzähligen Derivate des Stingrays nennt man daher auch “MM-Style-Bässe”.
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1978 gab es ein Update für die Elektronik, was einen noch transparenteren und brillanteren Sound ermöglichte und vor allem die Fans der immer populärer werdenden Slaptechnik begeisterte. Zudem wurden die ursprünglichen Bünde durch so genannte Jumbo-Bünde ersetzt. Im selben Jahr wurde auch mit dem Sabre ein Modell mit zwei Humbuckern auf den Markt gebracht.
Nicht wenige Stingrays der 70er-Jahre haben mit der Stabilität ihrer Hälse zu kämpfen. Diese verzogen sich leicht und – wie bei meinem eigenen Modell aus dem Jahre 1978 – versuchte der Halsspannstab schon einmal, sich seinen Weg durch das erste Bundfeld zu graben. Als Folge daraus wurde 1980 mit dem Cutlass eine Version mit Graphit-Hals angeboten, und statt der Dreifach-Verschraubung des Halses mit dem Korpus verwendete man nunmehr vier Schrauben. Zudem wurde auf die „String Through Body“-Brücke verzichtet.
1980 verließ Leo Fender aufgrund von Differenzen die Firma und machte sich auf, G&L zu gründen. Mit ihren Instrumenten und Verstärkern verdiente sich Music Man zwar den Respekt vieler Musiker, konnte jedoch nicht die gewünschten Verkaufszahlen erzielen und geriet in finanziell unsicheres Fahrwasser.
In der Folge wurde Music Man 1984 von der Ernie Ball Incorporation übernommen. Bis heute ist die Company nach wie vor in Familienbesitz. Das Gesicht der Firma ist Sterling Ball, welcher bereits Mitte der 70er-Jahre Prototypen für Music Man testete. Produziert wird seit den Anfangstagen in Kalifornien, woran sich bis heute nichts geändert hat.
Im Laufe der Jahre gab es unter der Führung von Ernie Ball natürlich immer wieder Updates, um den Anforderungen von Musikern und dem Zeitgeist gerecht zu werden:
- Die Korpusform des Stingray wurde ergonomischer gestaltet
- Die Hälse wurden zunächst matt lackiert, später nur geölt
- 1987 kam der erste Stingray 5-Saiter auf den Markt
- Stingrays gab es nun optional auch mit zusätzlichem Singlecoil oder Humbucker in der Halsposition
- Wahlweise waren die Bässe auch mit 3-Band-Equalizer mit einem Regler für den Mittenbereich erhältlich
- Ab 1992 gab es optional wieder Moosgummi-Saitendämpfer an der Brücke
- 1996 erfolgte eine Verkleinerung der Brücke, auch der Moosgummi-Saitendämpfer entfiel
- Sechsfach-Verschraubung des Halses
Im Jahr 2010 wurde die ”Classic Collection“ eingeführt, welche eine Hommage an die frühen Stingrays ist. Soweit wie möglich hielt man sich an die Originale aus den 70er-Jahren, sinnvolle Neuerungen wurden aber trotzdem integriert.
Ein weiterer bedeutender Schritt war im Jahr 2018 die Transformation in den Stingray Special, welcher bis heute das aktuelle Modell ist. Beim Special wurde das gesamte Konzept noch einmal hinterfragt und an die geänderten Kundenwünsche und Gegebenheiten des Marktes angepasst. Hier die wichtigsten Updates:
- 18-Volt-Elektronik für mehr Headroom und überarbeitete Frequenzbereiche der Potis
- Sehr leichte Aluminium-Hardware
- Neuer Pickup mit Neodym-Magneten
- Schlankeres Body-Design
- Roasted Maple Neck
- geshapter Hals-Korpus-Übergang
Wie klingt ein Music Man Stingray?
In diesem Teil habe ich euch drei Grooves mit meinem eigenen Music Man Stingray aus dem Jahr 1978 aufgenommen. Wie viele seiner Kollegen aus dieser Zeit musste sich auch mein Instrument einer größeren Operation unterziehen und bekam einen neuen Halsspannstab. Der Riss im ersten Bund des Griffbretts wurde professionell von innen gefixt. Die ersten beiden Beispiele sind durch die Ampeg SGT DI in Neutralstellung aufgenommen.
Hier hört ihr die VST-Schaltung und eine 8x10er Cab Sim der Ampeg SGT DI – und siehe da: Schon klingt der Sound des Music Man Stingrays abermals vertrauter, denn die Kombination aus Stingray und Ampeg-Verstärkung ist auf unzähligen Recordings zu hören.
Music Man Stingray – bekannte Player
Viele große Bassistinnen und Bassisten nutzten im Laufe der Zeit den Music Man Stingray. Dazu gehören zum Beispiel:
- Tony Levin: Peter Gabriel, Paul Simon, King Crimson etc.
- Pino Paladino: Paul Young, D’Angelo, John Mayer und unzählige mehr
- Cliff Williams: AC/DC
- Gail Ann Dorsey: David Bowie, Lenny Kravitz
- Louis Johnson: Johnson Brothers Michael Jackson, Quincy Jones
- Bernie Edwards: Chic, Sister Sledge, Diana Ross
- Flea: Red Hot Chili Peppers
- Tim Commerford: Rage Against The Machine, Audioslave
- John Deacon: Queen
- Michael Anthony: Van Halen
- Paul Turner: Jamiroquai
Music Man Stingray – bekannte Basslines
Zum Thema „Music Man Stingray Basslines“ haben wir vor einiger Zeit bereits einen eigenen Artikel veröffentlicht. Der Vollständigkeit halber gebe ich euch an dieser Stelle aber auch ein paar klassische Beispiele mit auf den Weg:
Queen: „Another One Bites The Dust“
Johnson Brothers: „Stomp“
Chic: „Good Times“
Peter Gabriel: „Sledgehammer“
Sade: „Smooth Operator“
Rage Against The Machine: „Killing In The Name“
Music Man Stingray – Alternativen
Die Firma Ernie Ball erkannte bereits Anfang der 2000er-Jahre, dass es viele Fans des Stingray gab, die sich das Original leider nicht leisten konnten. Bevor man diese potenzielle Kundschaft den Mitbewerber mit ihren Stingray-Derivaten überlässt, bedient man sie doch lieber selbst. Seitdem wurden unter wechselnden Namen preiswerte Stingray-Modelle angeboten.
Anfangs wurden einige davon noch in den USA produziert, heute kommen sie aus Fernost, was in keinem Fall ein Nachteil sein muss. Mit dem Sterling By Music Man S.U.B. bekommt man bereits einen Stingray zum Preis eines gehobenen Einsteiger-Modells. Wer etwas tiefer in die Tasche greift, bekommt mit dem Sterling by Music Man RAY34 noch einiges mehr geboten.
Wir verneigen uns vor Leo Fender, Forrest White und Tom Walker für die Entwicklung dieses fantastischen Instruments!