Allzu viele unterschiedliche Bässe mit legendärem Sound und Look, die wiederum von legendären Bassisten:innen gespielt wurden, gibt es eigentlich gar nicht. Zu groß war jahrzehntelang die Dominanz von Fenders Precision und Jazz Bass. Ein Instrument, welches aber ganz sicher in diese Kategorie fällt und welches man getrost als Kultobjekt bezeichnen kann, ist der Rickenbacker 4001. Seit seinem Geburtsjahr 1961 bildet der Rickenbacker-Bass sowohl vom Design wie auch vom Sound eine Alternative vor allem zu den mächtigen Bassmodellen Leo Fenders. Bis heute vergibt der 4001 (und seine modernen Nachfolger) eine Aura des Besonderen. Zudem hat er mit „Sir“ Paul McCartney, Lemmy Kilmister, Geddy Lee, Roger Clover, Chris Squire, Cliff Burton und vielen anderen äußerst prominente Fans. Grund genug also, ihm mit einem Liebeserklärungs-Artikel die entsprechende Ehre zu erweisen!
Rickenbacker 4001 – Geschichte und Besonderheiten
Mit dem Modell 4000 betrat die amerikanische Firma Rickenbacker im Jahr 1957 die Bühne der tieffrequenten Töne. Ein einteiliger Mahagonihals, ein einzelner Tonabnehmer und eine auch ansonsten eher spartanische Ausstattung waren die Kennzeichen des 4000. Bald schon wurden jedoch immer regelmäßiger Sondermodelle mit zusätzlichen Features hergestellt, was letztendlich in einem neuen Modell mit der Nummer 4001 mündete. Dieser gilt allgemein als DER Rickenbacker-Bass schlechthin.
Bereits die verwendeten Hölzer unterscheiden den Rickenbacker 4001 von seinem Vorgänger und seinen Mitbewerbern. Sowohl für den Korpus wie auch für den Hals kam Ahorn zum Einsatz, was entscheidend zu dem glockig-hellen Sound beiträgt. Beim Griffbrett, das mit den auffälligen dreieckigen Inlays aus Epoxid-Harz verziert ist, entschied man sich für Palisander. Ein Unterschied zu den Instrumenten der Mitbewerber ist die 33 ¼ Zoll (84,5 cm) lange Mensur – üblicher Standard waren und sind ja bis heute 34 Zoll (86,4 cm).
Der einteilige Hals ist durchgehend; an ihn werden die beiden Korpusflügel geleimt. Diese Hals-Konstruktion ist bei E-Bässen seit jeher für ihre guten Schwingungseigenschaften und ihr gesundes Sustain bekannt. In späteren Jahren wechselte man dann von einem einteiligem zu einem dreistreifigen Hals.
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Die beiden Spannstäbe im Halsinneren der Rickenbacker-Bässe sind eine Besonderheit und können Fluch und Segen zugleich sein. Sie sorgen zwar für Stabilität und man wird eher selten an ihnen drehen müssen, aber wenn … dann kann so ein alter RIckenbacker-Bass zu einer echten “Zicke” werden. Uns sind Fälle bekannt, bei denen sich durch unsachgemäße Bedienung aufgrund unterschiedlicher Spannungen das Griffbrett abgelöst hat – ein Albtraum!
Ebenfalls speziell ist die Brücke der RIckenbacker-Bässe: Die Saiten werden durch Öffnungen im hinteren Teil der Bridge geführt und laufen von dort über einen frei aufliegenden Steg, der mittels zweier kleiner Inbusschrauben höhenverstellbar ist. Im Steg sitzen vier „Hausdachreiterchen“-Einzelelemente, welche eindimensional verstellt werden können. Somit kann hier zwar die Oktavreinheit, nicht aber die individuelle Saitenhöhe eingestellt werden. Als drittes Element folgt ein durchgehender Saitendämpfer für alle Saiten, der sich mithilfe zweier Schrauben einstellen lässt, sodass man den gewünschten String-Mute-Effekt kontrollieren kann.
Horseshoe-Pickup – wie bitte, ein Hufeisen???
Der in den frühen Jahren verwendete „Horseshoe“-Pickup hatte seinen Namen einem Magneten in der Form eines Hufeisens zu verdanken. Diese Konstruktion wurde aber um das Jahr 1968 ersetzt. Geblieben ist der markante Bügel dennoch, der heutzutage jedoch nicht mehr Teil des Magneten ist, sondern als verchromter Plastikbügel lediglich optische Funktion besitzt.
Der zusätzliche Halstonabnehmer erhielt aufgrund seiner zwei Schlitze den Spitznamen „Toaster“, wurde aber auch ebenfalls 1974 durch eine modernisierte Variante ersetzt. Die Kombination aus Horseshoe und Toaster war zwar klanglich nicht die Ideallösung, ist aber dafür bei Sammlern heiß begehrt.
Ungewöhnliche Elektronik!
Als Kontrolleinheit gibt es für jeden Tonabnehmer einen Lautstärkeregler und eine passive Tonblende. Hinzu kommt ein Kippschalter zur Wahl der Pickups. Zunächst als optionales Feature angeboten, war die Version „S“ (für “Special”) ab den 70er-Jahren der Standard. Der 4001/S besaß eine zweite Klinkenbuchse in Stereoausführung. Zusammen mit einem „Rick-O-Sound-Kit“, welches aus einem Stereokabel und einer Verteilerbox bestand, war es möglich, das Signal eines jeden Pickups zu einem separaten Verstärker zu führen.
Die häufigste Anwendung in diesem Zusammenhang sind ein verzerrter Gitarrenverstärker für den Steg-Tonabnehmer und ein cleaner Bassamp für den Hals-Tonabnehmer. Bis heute ist dies der Traum vieler Bassisten:innen, kann aber mittlerweile mit deutlich weniger technischem Aufwand realisiert werden! Wem zwei Amps zu viel Aufwand waren, konnte allerdings auch einfach die Mono-Buchse nutzen und den 4001 auf herkömmliche Art verwenden.
Für diesen Artikel hatte ich das Vergnügen, einen komplett originalen Rickenbacker 4001/S aus dem Jahr 1978 als Leihgabe zur Verfügung gestellt zu bekommen. Leider war – wie bei vielen anderen Instrumenten auch – das Stereokabel mitsamt Verteilerbox im Lauf der Jahrzehnte verlorengegangen und ich musste mich gezwungenermaßen mit der Mono-Buchse zufriedengeben.
Ins Hier und Jetzt: der Rickenbacker 4003
Der Rickenbacker 4001 wurde bis zum Beginn der 1980er-Jahre gebaut. Seit seinem Geburtsjahr hat er natürlich immer wieder kleine Updates erhalten, siehe Pickups und Hals. Bereits Ende der 70er-Jahre betrat sein Nachfolger mit der Bezeichnung 4003 die Bühne, der bis heute das aktuelle Modell ist.
Optisch hat sich beim Rickenbacker 4003 bis auf eine marginale Verkleinerung der Korpushörner seit 1961 kaum etwas getan. Das ikonische Design des 4001 bzw. 4003 stammt übrigens aus der Feder des Deutschen Roger Rossmeisel, der später zu Fender wechselte. Neuerungen gab und gibt es bei Rickenbacker immer wieder mal in Bereichen wie Halsspannstab, Schlagbrett, Binding etc.
An der grundlegenden Konstruktion des Rickenbacker 4001 hat sich aber seit den Anfangstagen so gut wie nichts verändert. Beim aktuellen 4003 gibt es als Alternative noch ein Modell mit Walnusskorpus und Ahorngriffbrett.
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Rickenbacker 4001 – berühmte User
Natürlich gibt es unzählige bekannte und weniger bekannte Namen von Bassist:innen, diean den Rickenbacker 4001 ihr Herz verloren haben. Zu den namhaftesten Playern gehören aber sicher diese Kandidaten:
Paul McCartney: Bereits in den späten Jahren der Beatles griff Paul McCartney hin und wieder zum Ricky – bestückt mit Flatwound-Saiten. Vor allem sah man ihn aber mit dem 4001, als er mit seiner Band Wings unterwegs war.
Lemmy Kilmister: Denkt man an Lemmy, hat man sofort ein Bild von ihm mit einem seiner zahlreichen Rickenbacker-Bässe im Kopf. Der 2015 verstorbene Sänger und Bassist von Motörhead und die Firma Rickenbacker sind einfach untrennbar miteinander verbunden. Die Kombination mit seinem Marshall-Vollröhrentopteil prägte einen Sound, der viel zum Kultstatus des 4001 beitrug. Lemmy besaß zahlreiche Sonderanfertigungen mit teils aufwändigen Eichenlaub-Verzierungen.
Cliff Burton: Wie auch Lemmy vertraute Cliff Burton einen Rickenbacker 4001, wenn ein verzerrter und aggressiver Basssound gefragt war. Der 1986 verstorbene Cliff Burton zeigte in den frühen Tagen von Metallica, dass man auf einem Rickenbacker 4001 durchaus flink und virtuos unterwegs sein kann.
Chris Squier: Mit der Band Yes war Chris Squire einer der Urväter des Prog-Rock mit einem immensen Einfluss auf Generationen von Bassisten:innen nach ihm. Bis zu seinem Tod im Jahr 2015 sah man ihn nur ganz selten mit einem anderen Bass als seinem legendären weißen Rickenbacker 4001.
Geddy Lee: Eine weitere Ikone des Progressive Rock ist Geddy Lee, der mit Rush ebenfalls entscheidend die Geschichte des Prog-Rock prägte. Bis er seine „Number 1“ (seinen schwarzen 70er-Jahre Fender Jazz Bass) fand, spielte Geddy in den 70er-Jahren hauptsächlich einen Rickenbacker 4001.
Rickenbacker 4001 – Sounds
Ein Merkmal aller 60er- und 70er-Modelle war die doch etwas drucklose E-Saite, der hörbar die tiefen Mitten fehlen. Fans bezeichnen dies wohlwollend als „weiches“ oder „hohles“ Low End. Dies war auch bei meinem Modell aus 1978 so.
Was wie ein Nachteil klingt, kann erstaunlicherweise im Bandkontext wunderbar funktionieren, denn der 4001 lässt im Frequenzspektrum automatisch Platz für die Gitarren und Keyboards. Hinzu kommt, dass man ganz hier unbewusst Basslines in mittleren und höheren Regionen spielt. Hier klingt der Ricky wunderbar drahtig mit viel prägenden Oberton-Anteilen.
Nun aber viel Spaß mit den Soundfiles:
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Lord Lord sagt:
#1 - 20.06.2024 um 17:22 Uhr
Top Artikel, Top Ebayer, immer wieder gerne!
Albi sagt:
#2 - 21.06.2024 um 11:48 Uhr
4001 S steht allerdings nicht für Stereo, sondern für "Special". Tatsächlich ist damit die Monovariante des 4001 gemeint. Schöne Grüße.
Thomas Meinlschmidt sagt:
#2.1 - 22.06.2024 um 09:28 Uhr
Hallo Albi, Danke für den Hinweis. Werden wir korrigieren. LG Thomas
Antwort auf #2 von Albi
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