Ich weiß, ich weiß: Natürlich klingt niemand wie Jaco Pastorius – außer Jaco Pastorius himself! Natürlich hat der Basssound eines jeden Musikers nicht nur mit dem verwendeten Equipment oder den präferierten EQ-Einstellungen zu tun, sondern zu einem großen Teil mit seiner individuellen Spielweise und einzigartigen Persönlichkeit zu tun. Dennoch: Mit überschaubaren Mitteln kann man häufig dem Sound seines Idols schon recht nahekommen. Bei dem legendären Jaco Pastorius könnte man auch allgemein von einem knackigen, drahtigen Fingerstyle-Sound sprechen, der sich auch für solistische Passagen und/oder Akkorde und Flagoletts bestens eignet. Und genau dieses klangliche Klischee ist heute unser erklärtes Ziel! Bricht man den Sound abseits der abstrakten Begriffe wie “Feeling” oder ähnlichem auf konkrete Faktoren herunter, läuft es eigentlich auf drei große Punkte hinaus: Musikalische Aspekte (Phrasierung, Tonmaterial, Rhythmik …), Spieltechnik und Equipment. Mit den letzten beiden wollen wir in diesem Workshop versuchen, einen ähnlichen Sound wie den des “world’s greatest bass player” (Jaco P. über Jaco P.) zu erreichen.
Jaco-Pastorius-Sound: Instrument, Pickup, Saiten
DAS Instrument, mit dem jeder Jaco auf Anhieb in Verbindung bringt, ist natürlich ein Fender Jazz Bass. Sofort kommt einem auch das Wort “Fretless” in den Sinn, da aber vermutlich die wenigsten unter uns einen besitzen, lassen wir diesen Aspekt hier außen vor. Besagte knackige, drahtige Fingerstyle-Sounds sind natürlich mit bundierten Bässen genauso möglich, wenn nicht sogar leichter zu realisieren. Ein Fretless ist im Allgemeinen ja eher für lyrische Komponenten in der Musik zuständig.
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Ein Jazz Bass (egal welcher Marke und Preisklasse) ist schon mal eine gute Basis. Von den beiden Singlecoil-Tonabnehmern benutzte Jaco meist nur denjenigen, der näher zur Brücke platziert ist (“Bridge Pickup” oder “Steg-Tonabnehmer” genannt). Dieser liefert zwar weniger Tiefbass, dafür aber mehr Anteile an Hochmitten und Höhen. Auch das Anschlagsgeräusch, welches den exakten Start der Note definiert (Attack), kommt hier besser zu Geltung. Das macht den Sound insgesamt präziser und knackiger.
So klingen beide Tonabnehmer eines Jazz-Basses zusammen:
Hier ist der Bridge-Pickup alleine:
Man hört sofort, dass es etwas schlanker im Bassbereich wird und gleichzeitig Flagoletts und Melodie besser zur Geltung kommen.
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Was für uns heute vollkommen selbstverständlich klingt, war in den 60er- und 70er-Jahren eher die Ausnahme: Jaco nutzte Roundwound-Saiten im Gegensatz zu den damals noch sehr populären Flatwounds. Roundwounds haben ein größeres Frequenzspektrum, klingen heller und drahtiger und waren/sind so der perfekte Partner für unseren angestrebten Fingerstyle-Sound. Auch von Jaco häufig verwendete Elemente (z.B. Flagoletts und Akkorde) erklingen klarer und treten mehr in den Vordergrund.
Jaco-Pastorius-Sound: Equalizer-Einstellungen
Eine Möglichkeit, den Frequenzgang des Basses zu beeinflussen, finden wir bereits mit der passiven Tonblende unseres Jazz Basses. Sie kann allerdings lediglich die Höhen bedämpfen, voll aufgedreht ist sie also neutral. Dreht man sie zu, wird der Klang nach und nach dumpfer. Eine Nebenwirkung davon ist, dass auch bestimmte Mittenfrequenzen leicht geboostet werden. Diese Absenkung der ganz scharfen Höhen plus besagtem Mittenboost hört man ebenfalls häufig in Jacos Sound.
Ob überhaupt und wie weit man dafür die Tonblende schließt, hängt natürlich vom verwendeten Bass, Tonabnehmer, Regelweg des Potis und dem Wert des Kondensators der Tonblende ab. Der beste Ratgeber für die richtige Einstellung sind hier wie immer deine Ohren. Hier ist meine favorisierte Einstellung der Tonblende (für den hektischen Live-Betrieb “professionell” markiert), sie ist ca. zu 50% geschlossen.
Am Equalizer des Bassamps oder einem externen Equalizer würde ich gar nicht so viel herumdrehen. Da wir nur den Bridge-Pickup nutzen, haben wir automatisch weniger Bassanteile im Sound und somit weniger “Mulm” im Low End. Kollisionen mit der Bassdrum sind von daher eher unwahrscheinlich. Um wieder etwas Fundament zurückzubekommen, kann man hier sogar etwas boosten.
Der zweite Frequenzbereich, den man noch unterstützend einbringen kann, sind die Mitten zwischen 500-800 Hz, je nach persönlichem Setup. Dadurch werden Attack, Flagoletts etc. noch einmal richtig nach vorne projiziert. So klingt es einmal ohne Equalizer und einmal mit beschriebenen Einstellungen:
So könnte das an einem externen Preamp/Equalizer oder einem Amp aussehen.
Viel mehr würde ich gar nicht machen, entscheidender sind dann die spieltechnischen Aspekte, zu denen wir gleich noch kommen.
Jaco-Pastorius-Sound: Verstärker, Boxen, Effekte
Jacos bevorzugter Bassverstärker war ein Acoustic 361, der aus dem 360 Preamp und der 361 PP-Bassbox bestand. Dies war damals einer der ersten ernstzunehmenden und leistungsstarken Solid State Amps, kam also ohne Röhrentechnologie aus. Die Box besaß eine integrierte Endstufe mit für heutige Maßstäbe nahezu lächerlichen 200 Watt, einen 18-Zoll-Speaker, der sich in einer Druckkammer befand, und ein großes Falthorn, das den Schall letztendlich nach außen leitete. Nicht nur Jaco vertraute auf den Acoustic Amp, sondern auch so klangvolle Namen wie John Paul Jones (Led Zeppelin), Larry Graham, und viele mehr.
Für unsere Zwecke tut es ein Verstärker, der ziemlich clean ist und eine schnelle Ansprache haben sollte. Transistor oder Hybrid Amps (Röhrenvorstufe mit Transistor-Endstufe) sind hier eine gute Wahl. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch Jaco heute keine Bassboxen mehr mit 18er-Speaker und Falthorn spielen würde, denn sein Stil wird sehr gut durch die beliebten 10-Zoll-Lautsprecherunterstützt. Sie sind sehr schnell und direkt in der Ansprache und haben meist auch eine kleine Präferenz im Mittenbereich um ca. 800 Hz – also genau das, was wir mit dem Equalizer erreichen wollten. 2x10er- oder 4x10er-Boxen wären meine persönliche Wahl und Empfehlung.
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Zusammen mit Stanley Clarke, dem zweiten Vater des modernen Bassspiels, war Jaco tatsächlich maßgeblich für die Entwicklung des Verstärker- und Boxenbaus verantwortlich. Mit ihrer Art zu spielen war damaliges Equipment nämlich nicht selten überfordert. Da beide Basslegenden natürlich eine große Anhängerschar bzw. Nachahmer hatten, wurde der Ruf nach geeigneten Amps und Boxen laut.
Jaco war stets experimentierfreudig, wenn es um neue Sounds ging, und machte daher auch ausgiebig Gebrauch von Effekten. Einer davon wurde fast zu einem festen Bestandteil seines Sounds: Er nutzte ein Delay mit sehr kurzer Verzögerung, um für eine Art “Doppelung” seines Signals zu sorgen. Dies führte zu einem fetteren Sound – und als Nebenwirkung auch zu einer Art Chorus-Effekt. Gerade bei Passagen mit einer Kombination aus Flagoletts und gegriffenen Tönen benutzte er dies häufig. Zudem war Jaco nie um ein bisschen Hall verlegen. In diesem Beispiel habe ich versucht, diesen Sound mit einem Delay- und einem Reverb-Pedal nachzubilden:
Heute ist es sicher einfacher, dafür einen Chorus zu verwenden. Hier das Gleiche noch einmal mit Chorus statt Delay:
Jaco-Pastorius-Sound: Anschlagstechnik
Kommen wir zum zweiten großen Aspekt: der Spieltechnik. Es empfiehlt sich bei der Nutzung des Bridge-Pickups auch die Anschlagshand über diesem zu platzieren – oder zumindest in der Nähe. Bewegt man sich Richtung Brücke, wird die Saitenspannung höher und man muss etwas mehr Kraft beim Anschlag aufwenden. Die Belohnung dafür ist aber ein drahtig-klarer und definierter Ton mit entsprechend viel Attack ‑ genau das, was wir erreichen wollen! In Videos von Jacos Liveauftritten kann man auch deutlich sehen und hören, dass er einen recht kräftigen Anschlag hatte – zumindest bei seinen legendären Sechzehntel-Grooves!
Man kann einfach den Bridge-Pickup als Ablage für den Daumen benutzen. So sieht das von der Seite aus:
Jaco-Pastorius-Sound: Perkussive Elemente
Die typischen maschinengewehrartigen Staccato-Funk-Grooves, für die Jaco Pastorius bekannt ist, werden erst durch eine gute Staccato-Technik der Anschlagshand richtig lebendig. Hier wird die Saite erst kurz abgestoppt, bevor sie ein weiteres Mal angeschlagen wird, und zwar mit dem Finger, der auch als nächstes anschlägt. Dies funktioniert natürlich nur bei Tönen auf der gleichen Saite, dafür hat sich Jaco aber seine Lines immer entsprechend zurechtgelegt.
Hier ist ein Übung à la Jaco, einmal legato und einmal mit der beschriebenen Staccato-Technik gespielt. In den Noten kann man schön sehen, wie Jaco sich mehrere Töne nacheinander auf einer Saite zurechtlegt. Der Unterschied in der Wirkung ist deutlich zu hören. Alles wird gleich knackiger und funkiger!
Perkussive Elemente sind ein wichtiger Bestandteil von Jacos Sound. Eines davon sind Dead Notes. Der Name erklärt eigentlich schon, was es damit auf sich hat: “Tote Noten” sind Anschläge ohne Tonhöhe. Dies erreicht man, indem man mit der Greifhand den Ton loslässt, aber an der Saite bleibt, um sie gleichzeitig zu dämpfen. So entsteht ein perkussiver Sound, der ausschließlich rhythmische Funktion hat. Für die Anschlagshand ändert sich hierbei nichts. Hier ist ein typischer Jaco-Groove mit Dead Notes und Staccato-Technik:
Ein weiteres perkussives Element, das Jaco häufig einsetzte, ist das sogenannte Raking. Was es damit auf sich hat, könnt ihr in diesem Workshop nachlesen, der sich ausführlich mit dieser Technik beschäftigt. Auch zwei Beispiele zu Jaco sind darin enthalten:
So viel erst einmal für heute – ich wünsche euch viel Spaß und Erfolg!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Joerg Pahlke sagt:
#1 - 23.05.2022 um 16:23 Uhr
Wir haben damals als Erstes die Bünde entfernt um "wie Jaco" zu klingen, denn Jacos Slidetöne (und die Flageolettakkorde) waren für uns der Hammer. Dann wurde zu den berühmten Aufnahmen geübt und nach und nach das amtliche Jaco-Equipment angeschafft (Fender Jazz Bass fretless, Rotosound 66, Acoustic 370/320, 2x15"EV/JBL) Aber das genügt nicht, denn um annähernd wie der Meister "zu klingen" musste man sich dessen innovative Spieltechnik aneignen. M.E. resultiert diese aus dem Bestreben, dem phlegmatisch klingenden Fretless mehr Dynamik einzuhauchen, durch angerissene Töne, durch Stopps, im Wechsel mit angerissenen mehrstimmigen Flageoletts, und dann immer wieder lange Growls mit Slide, sehr tief, voll und präzise. Mein Tipp: karibische Musik üben.