In meiner Zeit als Basslehrer habe ich von vielen Schüler:innen gehört, dass sie gehörigen Respekt vor dem Thema “Walking Bass” haben. Das ist auch durchaus verständlich, denn die meisten E-Bassisten sind eher grooveorientierte Spieler und daher an eher sich wiederholende Patterns gewöhnt. Beim Walking Bass hingegen ist die ständige Improvisation von harmonisch passenden Basslinien gefragt. Klar, um bei diesem Thema mitmischen zu können, helfen nur Üben, jede Menge Praxiserfahrung sowie ein solides Wissen über Harmonielehre und Akkorde. Mit den nachfolgenden Tipps findet aber sicher auch der eine oder andere Walking-Neuling einen besseren Einstieg in die Welt der swingenden Viertelnoten.
Walking-Bass lernen: Weniger ist mehr
Ein Walking-Basslinie besteht in erster Linie aus gleich lang klingenden Viertelnoten, rhythmische Verzierungen oder Vorschlagsnoten sind für swingende Walking-Basslines in Wahrheit gar nicht unbedingt nötig. Konzentriert euch statt dessen lieber erst einmal darauf, die nackten Viertelnoten mit dem Ride-Becken des Drummers zum Swingen zu bringen und überlasst dem Schlagzeuger auch die kleineren Notenwerte und die rhythmischen Variationen – er wird es euch danken!
Wenn ihr mit dem Drummer gut zusammenspielt, spricht aber natürlich auch nichts dagegen, die Viertelnoten alle paar Takte mit einer dezenten rhythmischen Variationen aufzulockern, wie ich es beispielsweise beim nachfolgenden Jazz-Blues im fünften Takt mache.
Grundton chromatisch anspielen
Die größte Herausforderung beim Walking-Bass besteht für viele Bassisten sicherlich in der richtigen Tonwahl. Aber keine Angst, bei einfachen Jazz-Standards mit regelmäßigen Akkordwechseln kommt man selbst mit einfachsten Mitteln und etwas Übung schon sehr weit. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, die jeweiligen Grundtöne der Akkorde chromatisch anzuspielen. Je mehr Variationen ihr verwendet, desto abwechslungsreicher wird sich euer Walking-Bass natürlich anhören.
Im folgenden Beispiel (es handelt sich um die ersten 16 Takte des Jazzstandards “Autumn Leaves”) wechseln die Akkorde taktweise und ich spiele jeden Grundton mit drei chromatischen Tönen an: Mal zwei Halbtöne von oben und einer von unten, mal drei Halbtöne von oben oder drei Halbtöne von unten. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten; mit etwas Übung kommt man auf diese Weise sogar ohne Harmonie- und Skalenkenntnisse durch einfache Jazz-Standards.
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Beim Walking-Bass ruhig Tonwiederholungen verwenden
Es spricht nichts dagegen, ab und zu mal “auf der Stelle” zu walken und Töne zu wiederholen. Bei mehrfachen Wiederholungen, die einen Takt oder länger dauern, solltet ihr allerdings nur starke Akkordtöne, wie etwa den Grundton, die Terz oder die Quinte verwenden.
Verschiedene Töne auf der “1” spielen
Es hilft natürlich immens bei der Orientierung im Song, wenn man die Grundtöne der Akkorde als Ankerpunkt immer auf den ersten Schlag (oder bei halbtaktigen Akkordwechseln auf den dritten Schlag) spielt. Eine Walking-Bassline kann dadurch aber leider auch schnell etwas statisch und langweilig klingen.
Wenn ihr auch andere Akkordtöne auf die “1” des Taktes setzt, sodass der Takt z.B. auch mal mit der Terz oder der Quinte des jeweiligen Akkords beginnt, sorgt ihr mit vergleichsweise wenig Aufwand für tolle Abwechslung – die Linien klingen augenblicklich flüssiger und eleganter! In meinem Beispiel – ihr hört wieder zweimal den A-Teil von “Autumn Leaves” – beginne ich jeden zweiten Takt mit der Terz oder der Quinte des jeweiligen Akkordes.
Walking-Bass lernen: Pedal Points einbauen
Eine swingende Walking-Bass-Begleitung bringt ordentlich Fahrt, manchmal macht es aber musikalisch durchaus Sinn, einen Kontrast zum Walking-Bass zu setzen und die Fahrt etwas abzubremsen. Ihr könnt das sture Walken beispielsweise aufbrechen, indem ihr über mehrere Takte einen “Pedal Point” (zu deutsch: “Orgelpunkt”) mit einem tonalen Zentrum und einer unaufgeregten Rhythmik spielt. Dieser kann Ruhe im Song schaffen und gibt dem Harmonieinstrument mehr Freiheit zur Entfaltung.
Einen geeigneten Pedal Point zu finden, ist nicht wirklich schwierig: Bei einfachen Standards, die zum großen Teil aus II-V-I-Verbindungen bestehen, “ruhen” wir uns einfach über die gesamte Dauer der Akkordverbindung auf der Stufe V, also der Dominante, als tonales Zentrum aus. In unserem “Autumn Leaves”-Beispiel bieten sich als sinnvolle Pedal Points folglich F (Dominante der ersten II-V-I-Verbindung in Bb-Dur) und D (Dominante der zweiten II-V-I Verbindung in Am) an.
Ich hoffe, diese Tipps sind hilfreich für euch und wünsche euch viel Spaß beim Walken!
Euer Rainer Wind