In meinem Geburtsjahr konnte man die Hersteller von Großmembran-Kondensatormikrofonen noch mit den Fingern beider Hände abzählen. Mit Aston Microphones aus England ist der Markt um einen weiteren Namen reicher geworden – und um zwei Studiomikrofone, mit denen die Briten um Aufmerksamkeit und Kunden buhlen: Spirit und Origin.
Das Origin ist ein Nierenmikro mit Pad und Hochpassfilter, das Spirit, das etwas größere der beiden, bietet etwas umfangreichere Schaltmöglichkeiten, vor allem die Wahl zwischen den Richtcharakteristiken Kugel, Acht und Niere. Gute Nachricht: Die beiden Kondensatormikros sind erstaunlich preiswert!
Natürlich will Aston nicht einfach nur „ein weiterer Hersteller unter vielen“ sein. Aston ist das auch nicht: Einer der Gründer des Mikrofonbau-Unternehmens ist James Young, der lange Jahre für sE Electronics tätig war. Mit Aston wurde ein Konzept verfolgt, das zunächst so klingt, als könne es überhaupt nicht aufgehen: Hochwertige Mikrofone in Großbritannien herzustellen, ohne dabei in preislich absurde Höhen zu entgleiten, das erscheint unmöglich. Allerdings hat sich das Aston-Team schlicht die Frage gestellt, was ein Mikrofon wirklich braucht und was nicht, was im Grunde nur beibehaltene Tradition ist, aber auch anders, dabei vielleicht eben besser und gleichzeitig preiswerter gelöst werden kann. Ein Blick auf die Mikros zeigt, dass der Mikrofonkorb offensichtlich ein solcher Punkt ist. Und auch der Body: Der Verzicht auf eine Lackierung spart ein paar Pfund Herstellungskosten.
Details
Blattfedern: Mikrofongrill fällt auf
Wo die meisten Mikrofone in Form gebrachtes Drahtgewebe in Kombination mit einer feinen Metallgaze oder einem Schaumstoff als Schutz für die empfindliche Mikrofonkapsel nutzen, geht man bei Aston einen anderen Weg. Und dieser Weg ist auffällig. Ich möchte allerdings behaupten, dass diese Auffälligkeit zwar natürlich der Aufmerksamkeit durch potentielle Kunden zuträglich ist, aber nicht der Grund gewesen ist. Für Spirit und Origin wurde als äußerste Schicht ein Material benutzt, welches an alte LKW-Blattfederung erinnert. Bis auf die Breite der verwendeten Flachmetalle erzielt man durch die Anordnung zwei Effekte: Zum einen ändern sich die Abstände der Bänder zueinander, was akustisch begrüßenswert ist, da es bei Mikrofonen wie dem Horch RM3, den Unidyne-55-Gehäusen von Shure und dem alten Thiele aus Leipzig durchaus zu hören war, dass der Grill dort starr und gleichförmig ist. Zum anderen ist der Grill insgesamt eine Art Tellerfeder und damit flexibel. Die beiden Inbusschrauben in der Kopfplatte drücken dieses System wie zusammen. Aber ob es dadurch Resonanzprobleme geben wird?
Es lebe die Unordnung: Metallmatte vor der Kapsel
Die Besonderheiten hören nicht hinter dem beschriebenen äußeren Material auf. Dahinter ist dort, wo sonst mit Gaze oder Schaumstoff gearbeitet wird, eine Matte aus Stahl eingelegt, die Spucke und natürlich starke Wellenfronten durch Pop-Laute von der in jeglicher Hinsicht empfindlichen Membran fernhalten soll. Auffällig ist, dass es keine wiederkehrende Struktur gibt, was akustisch natürlich vorteilhaft ist, vor allem in so enormer Nähe zum Schallwandler. Als alleinige Erfinder eines derartigen Systems dürfen sich Aston nicht bezeichnen, der Mikrofon-Umbauspezialist Myrinx aus der Schweiz arbeitet mit strukturell ähnlichen Materialien, wie wir auf der Musikmesse 2015 gezeigt hatten. Was ich in diesem Zusammenhang allerdings nicht ganz verstehe, ist, wieso darauf verzichtet wurde, auch die Basis der Kapsel zu „entschärfen“ – viele Hersteller gestalten den Boden unter der Kapsel konisch, um Reflexionen von der Kapsel wegzuleiten und Kammfiltereffekte in den Höhen zu vermeiden. Aber wenn es keine negativen Auswirkungen gibt, gibt es auch keinen Grund, etwas zu verändern.
Messingblech? Massiver Stahl!
Tuben für preiswerte Mikrofone werden gemeinhin aus Blech gefertigt, welches in Zylinderform gebogen wird. Problematisch kann auch hier sein, dass das Material resoniert. Sowohl Aston Spirit und auch das kleine Aston Origin kommen jedoch mit einem Body aus massivem, lasergeschnittenem, zwei Millimeter dickem Stahl, der überdies noch auf der Innenseite mit Gummimatten bedämpft ist. Super!
Kapsel: Braunmühl-Weber
In Aston Spirit und Aston Origin wird eine Doppelmembrankapsel mit Mittenkontaktierung, die nicht etwa aus einem chinesischen Katalog bestellt wird, sondern laut Hersteller in einem aufwändigen Verfahren selektiert wird. Eine UK-Fertigung wäre zu diesem Preis jedoch nicht durchführbar. Die rückseitige Membran des Origins ist nicht kontaktiert und arbeitet daher als Passivmembran, übernimmt also die Aufgabe der Laufzeitverzögerung, damit die entstehende Richtcharakteristik Niere ist. Zu verzeichnen gibt es sonst keine Außerordentlichkeiten – das Material ist Mylar, das Kondensatorprinzip kommt durch dünnschichtige, gleichmäßige Goldbedampfung und eine gebohrte Backplate zustande, die an eine M7-Kapsel erinnert. Die Einfassung erfolgt mit Schrauben im umlaufenden Ring.
Pad, HPF und Pattern-Umschaltung bei den Astons
Während beim Origin ein 10dB-Pad und ein 80Hz-Hochpassfilter schaltbar sind, sind es beim Spirit eine Pad-Stufe mehr (-10 und -20 dB) sowie nachvollziehbarerweise die Richtcharakteristiken. Als Polar-Patterns lassen sich die Niere, eine Kugel und die bidirektionale Acht auswählen, aber keine Zwischenstufen. Die Beschriftung hebt sich leider deutlich zu wenig von der „Industrial“-Oberfläche des Stahltubus ab und kann schon bei normalen Lichtverhältnissen recht schlecht erkannt werden.
Spirit rauschärmer als das Origin
Aston Spirit und Aston Origin zeigen sich pegelresistent: Schon ohne Pad sind es 138 Dezibel Sound Pressure Level, die notwendig sind, damit ein 1kHz-Ton mit 0,5 Prozent harmonischen Verzerrungen angereichert wird. Bedenkt man, dass mit 10 oder sogar 20 dB Pad gearbeitet werden kann, steht dem Einsatz als Outer-Bassdrum-Mikrofon nichts im Wege. Auf der anderen Seite der Dynamikspanne gibt es aber die Erklärung: Mit 14 bzw. 18 dB(A) zählen die Mikrofone nicht zu den rauschärmsten – aber irgendwo muss die hohe Pegelfestigkeit ja herkommen. Erstaunlich aber: Das umschaltbare Mikrofon hat das geringere Rauschen und somit die höhere Dynamik der beiden Astons. Zu erwarten wäre es bei gleichen Kapseldesigns andersherum. Aber möglicherweise liegt die Begründung dafür auch in der unterschiedlichen Elektronik der Kondensatormikrofone. Ein wenig Deutschland findet man übrigens auch im englischen Mikrofon, denn auf den Leiterplatten sind auch Kondensatoren aus Unna verbaut: WIMA ist durchaus ein bekannter Name!
Keine Spinne, kein separater Halter
Den Mikros liegen Manuals mit Frequenzgängen bei, die zwischen 20 Hz und 20 kHz innerhalb der 3dB-Toleranzgrenze bleiben. Dort lässt sich eine leichte Höhen-, aber nur geringe Präsenzanhebung ablesen. Zum weiteren Lieferumfang gehört übrigens auch ein kleiner Anstecker mit dem Aston-Logo. Aston führt in der Broschüre explizit seine „eco-friendly“ Verpackung an, aber die Formteile sind aus Kunststoff (wenn auch aus Recyclingmaterial und auch erneut komplett recyclebar). Einen separaten Halter oder ein Spinne findet man übrigens weder in der Verpackung noch im Zubehörportfolio des Herstellers. Das ist auch nicht unbedingt nötig: Sowohl am Fußteil des Spirit als auch des Origin findet man ein Gewinde, wodurch man die Aston-Mikros direkt auf ein Mikrostativ pfropfen kann. Die solide Konstruktion und das stattliche Gewicht von etwas unter (Aston Origin) und etwas über (Aston Spirit) einem halben Kilogramm machen es Trittschallübertragungen außerdem recht schwer.
Chris sagt:
#1 - 05.02.2016 um 09:55 Uhr
Hey,was ist denn das geiles!!!?? Das Origin ist gleich mal meins!! Ich hab schon mit dem Violet the Atomic geliebäugelt. Da es aber zu Poppanfällig ist fällt das raus.
Das Origin rauscht dafür ein bisschen mehr, aber angesichts der Leistung und einem Output von 23mV geht das i.O.Chris
Chris sagt:
#2 - 05.02.2016 um 11:35 Uhr
Noch was was mir auffiel...das Origin kommt dem Mojave dermaßen nahe....das ist schon sehr bemerkenswert. Dagegen klingt das CAD nach A....und F....:-)
Daniel sagt:
#3 - 14.02.2016 um 12:43 Uhr
Ich wollte mir eigentlich das Shure SM7b kaufen. Weil ich eher mit Stimmen der härteren Gangart zu tun habe. Jetzt habe ich diesen Test hier gelesen und das Origin klingt auch sehr interessant (ist auch günstiger ;D). Allerdings wird mir aus dem Test nicht ganz klar, ob es für meinen Einsatzbereich auch brauchbar wäre ^^
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#3.1 - 15.02.2016 um 12:06 Uhr
Hi Daniel,ja, "geeignet" ist es in jedem Fall, wie fast jedes Mikrofon – ob es für die jeweilige Stimme und den jeweiligen Mix die beste Wahl ist, kann man nicht voraussehen. Ein Kondensatormikrofon wie das Aston ist in jedem Fall etwas höhenreicher als das SM 7B, das ja ein Tauchspulenmikro ist. Das muss aber nicht negativ sein. Allerdings ist es sehr sinnvoll, bei Verwendung eines dynamischen Mikrofons auch einen ordentlichen Preamps zur Verfügung zu haben. Sonst besorg' Dir einfach beide mit Rückgabeoption und probiere aus, was Dir besser passt. Lass' Dich aber nicht direkt vom höhenreicheren Sound eines Kondensers blenden, sondern setze die Stimme auch mal in einen Mix!Beste Grüße,
Nick
Antwort auf #3 von Daniel
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChris sagt:
#4 - 18.02.2016 um 11:18 Uhr
Hallo Nick,könntest du dir auch vorstellen, das Origin bei einer M/S Mikrofonierung als Mittenmikro einzusetzen?Danke!LGChris
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#4.1 - 18.02.2016 um 11:35 Uhr
Hallo Chris,ja, das könnte ich. Allerdings werden gerne sehr schnelle Kleinmembraner eingesetzt. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass der nicht allzu bissige Charakter dem tendenziell sehr "konkret" klingenden MS-System etwas entgegenarbeitet, was durchaus gut sein kann. Bei der querliegenden Acht bist Du mit einem Einzelmembran-Mikrofon wahrscheinlich besser beraten als einem umschaltbaren wie dem Spirit.Beste Grüße,
Nick
Antwort auf #4 von Chris
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChris sagt:
#4.1.1 - 18.02.2016 um 15:07 Uhr
Hi Nick,
ja, das ist richtig, kleinmembraner werden eigentlich bevorzugt. Dennoch haben bekanntlich Großmembraner die Eigenschaft eine Klangquelle wie ein Orchester etwas Körperhafter abzubilden. Das Origin ist wie getestet dennoch ziemlich schnell mit den Transienten. Wie ist das mit dem Rauschen, Nick...Kann ich auch in diesem Punkt sorglos sein, wenn es um M/S mit etwas größerem Abstand geht?Danke dir!!!LGChris
Antwort auf #4.1 von Nick (Redaktion Recording)
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenNick (Redaktion Recording) sagt:
#4.1.1.1 - 18.02.2016 um 16:30 Uhr
Hi Chris,ja, da sagst Du was… Du wirst sehr wahrscheinlich nicht irrsinnig komprimieren, aber 18 dB(A) sind zumindest für Großmembraner nicht wahnsinnig wenig. Aber schau' Dir zum Vergleich mal die Werte von Kleinmembranern an, die sind eigentlich immer höher; selbst Schoeps Colette CMC6 mit MK4 liegt noch bei 15 dB(A). Wichtiger als die Zahl ist aber, dass das Rauschen beim Origin nicht "grainy" war, sondern stabil, ausgewogen und vor allem dicht. Wahrscheinlich wird Dir der Preamp dabei mehr Sorgen bereiten.Ich kenne Dein Setup und Deine Anwendung natürlich nicht, aber probier auch ruhig mal ein M/S mit einem Druckempfänger als M-Mikro.Beste Grüße,
Nick
Antwort auf #4.1.1 von Chris
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChris sagt:
#4.1.1.1.1 - 19.02.2016 um 07:50 Uhr
Hi Nick,Da ich das Mikro auch für Solo-Instrumente und Gesang brauch, denke ich, daß es das Richtige ist. Wenn es für den M/S Einsatz auch tauglich ist...dann ist das der QUAN!:-)
Ich hab mehrere gute Preamps..u.a. einen Focusrite ISA, einen DAV, einen True Systems, einen Audient...etc...ich denke, das dürfte mit allen gut funktionieren...Danke dir!!LGChris
Antwort auf #4.1.1.1 von Nick (Redaktion Recording)
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMusikzumLeben sagt:
#5 - 23.12.2017 um 10:40 Uhr
Hey,
erstmal möcht ich den wie immer sehr aufwendig gestalteten und äußerst hilfreichen Test loben (bonedo ist für mich in den letzten Jahren immer die erste Seite "to go" wenn ich wieder ein neues Schmuckstück suche), aber auch eine Frage stellen.
Ich besitze zur Zeit ein Rode NT1-A, das mir schon einige Zeit super Dienste leistet (hab auch ein paar Chöre mit gutem Ergebnis aufgenommen). Jetzt bin ich auf der Suche nach etwas neuem, das sich etwas vom Rode abhebt. Ich dachte eigentlich auch an umschaltbare Charakteristik, hab aber so viel gutes vom Origin gehört, dass ich mir nicht mehr so sicher bin. Es geht ja vor allem um den Sound!
Aufnahmesituationen sind vor allem Gesang (eher bissige dunklere Stimme, aber auch mal andere Leute), aber auch Gitarre sowie, weniger oft, alle möglichen Hintergrundinstrumente und Chöre.
Ich wäre sehr dankbar die Meinung eines Profis zu hören und freie mich schon auf die Antwort.Viele Grüße,
Lucas
Robert sagt:
#6 - 02.11.2018 um 07:25 Uhr
Hej Nick,
vielen Dank für Deine tollen Reviews!!! Ich habe nun auch mal eine Frage: Kannst Du mal beschreiben, wie sich das Origin im Vergleich zum MA-201 FET schlägt... das wäre für mich mal sehr interessant. Ich besitze derzeit fast nur Tauchspulenmikros (RE20, MD21), die ich dank Deiner Tests für mich sehr lieb gewonnen habe. Als Kondensatormikro habe ich das MK 4, welches mir an vielen Stellen etwas zu brilliant klingt... kann man zwar auch korrigieren, aber ich hätte da gerne ein etwas linearers. In erster Linie möchte ich es nutzen, um Akustikgitarren aufzunehmen, auch mal als Room und Vocals-Mic. Als Preamps benutze ich einen 6176 und DMA 73. Soundlich stehe ich besonders auf den Stones Sound von 68-71.
Vielen Dank für Deine Hilfe & Gruß Robert
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#6.1 - 06.11.2018 um 11:56 Uhr
Hi Robert,danke zurück für die Blumen. Zum Thema: Zunächst einmal ist das MA deutlich teurer. Ich empfinde es als etwas reichhaltiger und dynamisch etwas "aufgeregter" als das Aston. Und je länger ich es kenne, desto mehr separiere ich den Übertrager vom Grundklang, das Origin wirkt dahingehend etwas schlüssiger. Hör' Dir auf jeden Fall die Files im Player an, allerdings ist das ja Gesang. Das MK4 ist eben ein gutes Mix-Ready-Gerät. Was Linearität angeht, ist sicher ein Schoeps nicht verkehrt, auch ein Audio-Technica AT5045 oder ein DPA. Mit Deinen Amps kombiniert, kann das sicher sehr passend klingen. Auch mal an Bändchen gedacht? Ein Coles 4038, aber schon ein Beyerdynamic M130 oder ein preiswertes Ribbon können gut helfen, soundmäßig an Rockproduktionen der späten 1960er zu kommen.Beste Grüße,
Nick Mavridis (Redakteur Recording und eher bei den Beatles als bei den Stones :-D )
Antwort auf #6 von Robert
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