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Aufnahmeprüfungen zum Musikstudium Jazz/Rock/Pop

Das Musikstudium blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück und ist seit dem Jahre 1843 möglich, in dem Felix Mendelssohn Bartholdy die gleichnamige heutige Hochschule für Musik und Theater in Leipzig gründete und so die ersten Studiengänge in Deutschland ermöglichte. Mit moderneren Stilarten sah es hier zunächst problematisch aus und so war es in Deutschland bis in die 80er Jahre prinzipiell nur möglich, klassische Musik zu studieren, wollte man seiner Liebe zur Muse auch beruflich frönen.

(Bild: © Shutterstock Von: Enrique Arnaiz Lafuente)
(Bild: © Shutterstock Von: Enrique Arnaiz Lafuente)


Glücklicherweise hat sich in der Entwicklung der Studiengänge einiges getan, und angehenden Berufsmusikern öffnen sich mittlerweile diverse Möglichkeiten eines stilistisch breit aufgestellten Bachelor- oder Master-Musikstudiums, auch wenn man konstatieren muss, das Deutschland in dieser Hinsicht vielen anderen Ländern lange hinterherhinkte.

Das Instrumental/Vokal-Studium unterscheidet sich ganz fundamental von anderen Studiengängen, und das beginnt bereits bei der Aufnahme zu diesem Studiengang. Wo häufig eine Hochschul- oder Fachhochschulreife vorausgesetzt wird, möglicherweise in Verbindung mit einem Numerus Clausus, so zählt beim Musikstudium primär das Bestehen der praktischen und theoretischen Eignungsprüfung. Hat man diese erfolgreich absolviert, besitzt man zwar die Qualifikation, den entsprechenden Studiengang zu besuchen, was jedoch noch lange nicht bedeutet, dass auch ein Studienplatz garantiert ist. Die sind in der Regel sehr rar gesät und häufig muss man mit Mitbewerbern um die freien Stellen rangeln. Deshalb heißt es nicht selten, nachdem man die erste Hürde genommen hat, auch noch besser zu sein als die anderen Mitstreiter, was bereits im Vorfeld einen großen Druck aufbauen kann und viele von dieser Entscheidung abhält. Trifft man diese erst kurz vor dem Schulabschluss, ist es für viele bereits zu spät, um die zum Bestehen erforderlichen Skills zu erwerben.

Die gute Nachricht ist jedoch: Man kann sich darauf vorbereiten, wenn man Fleiß, Geduld und evtl. etwas Geld für ein oder zwei gute Lehrer und Bücher in die Hand nimmt.
Leider laufen die Eignungsprüfungen an jeder Musikhochschule vollkommen anders ab, und manche Einrichtungen treffen anhand von Bewerbungsunterlagen inklusive Demosongs bereits eine Vorauswahl, dennoch gibt es einige grundlegende Elemente, die sich in mehr oder weniger ähnlicher Form bei allen Hochschulen finden. Welche diese sind und welche Strategien man zum Bestehen der Aufnahmeprüfung anwenden kann, möchte ich euch nachfolgend erläutern:

1. Theorie

Theoretische Aufnahmeprüfungen finden an jeder Musikhochschule inhaltlich unterschiedlich statt. Manchmal beschränkt sich der Teil auf reine Jazz/Pop-Thematik und Idiomatik, manchmal werden jedoch die “Klassiker” und die “Jazzer” mit dem gleichen Theorieteil geprüft, und das ist der klassische.
Ein Aspekt ist die sogenannte “Allgemeine Musiklehre”. Hier geht es um ganz grundlegende Begrifflichkeiten wie Intervalle, Tonarten, Quintenzirkel, Artikulationsbezeichnungen usw., allerdings manchmal auch um Fachtermini wie z.B. was ist ein Cantus Firmus, oder was ist ein Mordent?
Hier rate ich dazu, sich mit einem guten Grundlagenwerk zum diesem Thema zu befassen, wozu beispielsweise die “Allgemeine Musiklehre” von Hermann Grabner gehört oder Standard-Nachschlagewerke wie z.B. der DTV Musikatlas, die ihr gut durchforsten solltet.
Ein weiterer Teilbereich ist die Harmonielehre. Hierbei geht es primär darum, Intervalle, Akkorde oder Skalen zu erkennen bzw. zu benennen oder diese aufzuschreiben – Fragen nach den Tönen eines Bbmaj9 oder denen der Eb Mixolydisch Tonleiter beispielsweise. Allerdings werden manchmal auch Analysen von einfachen Progressionen abverlangt, das Schreiben eines simplen Klaviersatzes, die Transposition eines Stückes oder die Harmonisation einer Melodie.
Hierfür empfiehlt es sich, mit dem Instrumentallehrer bzw. Piano-Nebenfachlehrer alle Eventualitäten abzuklären und sich mit guten Harmonielehre-Büchern wie z.B. Frank Sikoras “Neue Jazzharmonielehre” oder ähnlicher Literatur intensiv vorzubereiten und auch tatsächlich schriftlich viel zu trainieren!

2. Gehörbildung

Dieser Teil der Prüfung wird den meisten Aspiranten sicherlich am meisten Bauchschmerzen bereiten, aber keine Angst: Gehörbildung lässt sich üben, wie alles andere auch.
Unerlässlich ist hierbei oft ein zusätzlicher Lehrer, allerdings gibt es ergänzend auch gute Software oder Apps, mit denen man sein Gehör trainieren kann, wie z.B. Ear Master. Macht euch auch zunutze, dass eure Stimme und euer Gehör eng miteinander verknüpft sind: Was man singen kann, kann man auch leichter hören!

Häufig spaltet sich dieser Prüfungsteil in vier Bereiche auf:

a) Erkennen von Intervallen

Euch werden zwei Töne entweder simultan (gleichzeitig) oder sukzessiv (hintereinander) vorgespielt und ihr müsst das Intervall benennen. Gerne nimmt man zu Übungszwecken Songanfänge als Eselsbrücke wie z.B. “Oh when the Saints” als Merkhilfe für die große Terz, die das Anfangsintervall dieser Melodie ist.

b) Melodiediktat

Hier wird euch ein Startton gegeben und der Rest der Melodie muss nach mehrmaligem Vorspielen von euch aufnotiert werden. Im Prüfungsraum ist es meistens unerwünscht, wenn man leise vor sich hin summt, zumal häufig auch andere Prüflinge im Raum sind. Hier gilt es demnach, auch stumm eine Melodie notieren zu können.
Das lässt sich, von oben erwähnten Strategien abgesehen, auch sehr gut dadurch üben, dass ihr Melodien, die ihr bereits kennt – seien es Popsongs oder Kinderlieder – einfach aus der Erinnerung heraus notiert. Auch das Nachsingen von Melodien vom Blatt erhöht eure Fähigkeiten bei Melodie-Diktaten immens.

c) harmonische Akkorderkennung oder Diktat einer Progression

Diesmal geht es darum, komplette Akkorde, in der Regel Drei- und Vierklänge, zu erkennen und zwar oft auch noch deren Umkehrungen. Kommen bei Dreiklängen gerne alle Varianten (Dur, Moll, vermindert, übermäßig und sus4) vor, so beschränkt sich das Vierklangs-Akkordmaterial meist auf maj7, 7, m7, m7b5 und 07.
Auch hier rate ich dazu, erst die Akkordtöne als Arpeggio zu singen und dann einen “Vorspieler”, vorzugsweise einen Pianisten, zuhilfe zu nehmen.

Beim Diktat einer kompletten Progression könnt ihr zunächst auf die Grundtonbewegung und dann auf den Akkordtyp achten bzw. umgekehrt. Da das Diktat mehrmals gespielt wird, könnt ihr das gut separieren.

d) Rhythmusdiktat

Beim Rhythmusdiktat wird euch eine Taktart vorgegeben und dann hört ihr einen Rhythmus, der manchmal auch der Auszug eines Stückes sein kann, den ihr auf einer Notenzeile notieren müsst.
Meist reichen die Subdivision bis zu Sechzehnteln und Achteltriolen und im schlimmsten Fall kommt mal eine Sechzehnteltriole vor. Auch Rhythmen lassen sich sehr einfach auch alleine anhand von bereits bekannten Stücken üben, deren Rhythmus ihr aus dem Kopf aufnotiert.

3. Praktisches Vorspiel

Dieser Teil besteht häufig aus dem Vorspiel von bis zu drei Stücken aus Jazz- oder Popmusik, worunter manchmal auch Eigenkompositionen vertreten sein dürfen, und ist sicherlich der entscheidende Teil der Prüfung.
Der Vortrag des Stückes schließt meistens die Melodie, eine Improvisation über die Akkordfolge und evtl. auch einen Durchgang Begleitung ein.
Dabei ist es durchaus sinnvoll, verschiedene Tempi und Stilrichtung auszuwählen wie z.B., BeBop, Ballade, Up-Tempo, aber auch R&B, Jazz-Waltz, Funk, Rock, Latin etc.
Auch innerhalb einer Jazzeignungsprüfung werden Standards in Swing, Latin, Ballade, Waltz usw. unterteilt – macht euch das zunutze und zeigt eure Vielfalt. Die Kommission achtet neben technischer Finesse vor allem auf eure Musikalität und Reife, also denkt an Motivik, Soloaufbau, Pausen, etc. und versucht nicht, die Jury durch schnelle Licks, die musikalisch keinen Sinn machen, zu beeindrucken. Solche Vorhaben werden schnell durchschaut!
Auf Wunsch der Prüfungskommission kann auch manchmal die Improvisation über unbekannte Akkordfolgen verlangt werden, die euch dann in Form eines Leadsheets vorgelegt werden oder aber nach Gehör stattfinden muss. Keine Angst: Hier ist nicht zu erwarten, dass hochkomplexe Changes, wie sie in Abschlussprüfungen vorkommen, aufgelegt werden. Dennoch ist es ratsam, sich auf das “Prima Vista”-Improvisieren vorzubereiten, indem man zum Playback über unbekannte Tunes soliert.
Manche Hochschulen verlangen das Vorspiel einer vorbereiteten Transkription, was entweder ein Solo, ein Akkordarrangement oder ein durchkomponiertes Stück sein kann. Sucht euch auch hier keines aus, das an eurer Leistungsgrenze liegt, sondern verschafft euch etwas “Headroom”.
Auch das Überprüfen von Blattspielkenntnissen ist häufig Gegenstand der Eignungsprüfung. Fühlt man sich hier etwas unsicher, so wird man kaum nur aufgrund eines versiebten Blattlesetests durch die Prüfung fallen. Aber bedenkt auch, dass ihr gegen eine Konkurrenz antretet und in je mehr Teilbereichen ihr punkten könnt, desto besser sieht euer Gesamterscheinungsbild aus. Blattlesen ist eine rein technische Angelegenheit, die man gut üben und mit 20 Minuten täglich über ein Jahr sehr gut in den Griff bekommen kann. Auch hierzu gibt es für jedes Instrument tonnenweise Literatur.
Einige Hochschulen verlangen, insbesondere von Pianisten, auch das Vortragen eines klassischen Stückes nach freier Wahl, um grundlegende instrumentale Techniken abzufragen.
In den meisten Fällen wird euch die Institution für den praktischen Teil eine Begleitband oder Korrepetitoren (Begleiter) zur Seite stellen, mit denen ihr die Stücke spielt. Denkt daher daran, die von euch ausgewählten Stücke in Notenform für alle Begleitmusiker parat zu haben.
Um euch auf diesen Teil vorzubereiten macht es Sinn, die gewählten Stücke als Playalong/Playback zu besorgen bzw. aufzunehmen und dann dazu zu üben. Geht es dann auf die Prüfung zu, sollte man Musikerkollegen fragen, ob sie nicht ab und zu als Probeband zur Verfügung stehen, denn der “menschliche” Faktor ist beim Spielen/Improvisieren manchmal unerlässlich, um ein halbwegs realistisches Szenario herzustellen. Habt auch keine Scheu davor, euch im Vorfeld der Vorspielsituation zu stellen, indem ihr Familie oder Freunde als Publikum einladet.

4. Nebenfach

Unabhängig von eurem Hauptinstrument wird gelegentlich auch eine Prüfung im Nebenfachinstrument abgenommen, was in den meisten Fällen das Klavier sein dürfte.
Der Grund dafür ist logisch: Wer später unterrichten will, muss seinen Schüler auch begleiten können und benötigt daher ein Harmonieinstrument, und da gibt es nun mal nur Gitarre und Klavier. Ebenso für das Schreiben von Arrangements oder der Arbeit an der DAW ist das Tasteninstrument unerlässlich und daher durchaus eine sinnvolle Wahl.
Das bedeutet leider nicht, dass Pianisten und Gitarristen hier fein raus sind, denn auch von denen kann ein Zweitinstrument abverlangt werden.
Hier sind die Anforderungen meistens nicht sonderlich hoch. Häufig reichen grundlegende Klavierkenntnisse, der Vortrag eines einfachen Stückes (z.B. die “Children Songs” von Chick Corea, einen Blues, Stücke für Kinder o.ä.) und das Beherrschen der Dur- und Mollakkorde, II-V-I Kadenzen oder weniger Tonleitern aus, d.h. auch Nicht-Pianisten haben die realistische Chance, sich innerhalb eines Jahres auf diesen Teil der Prüfung vorzubereiten.
Nehmt euch einen Klavierlehrer und sagt ihm, dass es euch nicht um das grundlegende Erlernen des Pianos geht, sondern darum, die für die Prüfung erforderlichen Stücke gut abliefern zu können, und er wird mit euch Strategien entwickeln, wenn ihr euch einen realistischen Zeitrahmen steckt.

Fazit:

 Da die Vorkenntnisse bei jedem, der ein solches Studium anstrebt, sehr individuell ausgeprägt sein können, lassen sich keine pauschale Regeln aufstellen, wie eine Vorbereitung am Besten aussehen soll, doch mein ganz persönlicher Tipp an die Spätberufenen lautet:
Nehmt euch ca. ein Jahr vor der Aufnahmeprüfung Zeit, in der ihr euch intensiv vorbereiten könnt. Sinnvoll ist es, einen Instrumental-/Vokallehrer zu wählen, der euch speziell für den Praxis-, aber auch den Theorieteil fit macht.
Zusätzlich sucht ihr euch einen Klavierlehrer, mit dem ihr rudimentär das Nebenfach trainiert und der euch auch in Gehörbildung unterweist. Erfahrungsgemäß findet sich in einer 45 – 60 minütigen Unterrichtsstunde für beides die Zeit, da wie oben erwähnt, das Spielen des Nebenfaches häufig eine untergeordnete Rolle spielt.
Zusätzlich ist es immer ratsam, sich unmittelbar zuvor direkt an der Hochschule oder bei Absolventen zu informieren. Manchmal kann man sogar beim Hauptfachdozenten im Vorfeld eine Stunde nehmen, um sich gegenseitig kennenzulernen. Außerdem kann so der Dozent einschätzen, wie der Stand der Dinge tatsächlich ist, falls ihr in der Prüfungssituation zu aufgeregt sein solltet und ein paar Sachen schief laufen.
Auch eine nicht bestandene Prüfung ist kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Gebt euch ruhig zwei, drei Jahre Zeit dafür und klappert diverse Institutionen in Deutschland ab. Bedenkt jedoch auch, dass man an vielen Hochschulen keine unbegrenzte Zahl an Aufnahmeprüfungen hat – meist sind es nur zwei oder drei.
Sollten wirklich alle Stricke reißen, darf man auch keine Angst davor haben, sich einzugestehen, dass ein solches Studium vielleicht auch nicht zwangsläufig der richtige bzw. einzig richtige Weg für einen selbst ist. Ganz hervorragende Musiker haben nie studiert und Spaß an der Musik kann man sowieso mit und ohne Studium haben.
In diesem Sinne wünsche ich euch alles Gute, unabhängig davon, wie euer Weg verläuft! 

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