Das Album “Destroyer” war das vierte Werk der New Yorker Kult-Rockband Kiss, die vor allem durch ihre konsequenten Maskierungen und opulenten Bühnenshows berühmt wurden. Darüber hinaus spielt die Band aber natürlich bis zum heutigen Tag auch kernigen Rock’n’Roll! 1975 begann Produzent Bob Ezrin mit dem wüsten Quartett zu arbeiten – und schickte sie gleich zu Beginn erst einmal auf die musikalische Schulbank. Er quälte Paul Stanley, Gene Simmons, Ace Frehley und Peter Criss geradezu, die nach eigenen Angaben bis zu diesem Zeitpunkt so gut wie gar nichts über Musik wussten. Ezrin gelang es dabei geschickt, mehr aus den Musikern herauszuholen, als sie selbst es jemals zu träumen gewagt hätten. Weil “Destroyer” geradezu einen Quantensprung zu den vorher veröffentlichen Platten von Kiss symbolisierte, wurden schnell Gerüchte laut, im Studio hätten andere Musiker das Album eingespielt. Bob Ezrin schwört jedoch, dass es tatsächlich die Musiker von Kiss waren, die nach monatelanger Arbeit und intensiven Proben die Songs eingespielt haben.
“Detroit Rock City” – Originalaufnahme
Ich war Zeitzeuge, als 1976 das Album “Destroyer” von Kiss erschien und die Single “Detroit Rock City”, ein Song mit treibendem Shuffle-Groove, erstmals im Radio gespielt wurde. Es war wie eine Offenbarung! Ich kannte die Band bis zu diesem Zeitpunkt nicht und wusste auch nichts von deren Maskerade. Es war lediglich die Musik, die mich aus dem Radio geradezu ansprang!
Der Song war in mehrerlei Hinsicht epochal: Das Beeindruckende war, dass “Detroit Rock City” mit einer 90-sekündigen Audiosequenz (dem Sound einer Filmszene gleichend) begann, in der man eine Stimme aus einem Küchenradio hört, die von einem tödlichen Autounfall in Detroit berichtet. Hintergrund war und ist übrigens eine wahre Geschichte: Das traurige Thema des Songs ist, dass jemand auf dem Weg zu einem Kiss-Konzert tödlich verunglückt.
Anschließend hört man eine Person in ein Auto steigen, abermals das Radio einschalten aus dem verschiedene Kiss-Songs plärren, während der Insasse seine Fahrt beginnt. Hier steigt nun der Song ein. Der Track endet mit den krachenden und quietschenden Geräuschen eines Autounfalls. Dadurch ist der Song wirklich ein echtes Kunstwerk in der breiten Masse von Rock’n’Roll-Songs, weshalb man sich wohl auch entschloss, dieses Glanzstück als Single zu veröffentlichen.
Als B-Seite der Single platzierte man “Beth”, die einzige Ballade des Albums, von der man sich ohnehin wenig Chancen erhoffte. Nun schlug die volle Ironie des Musikbusiness zu, denn die besagte B-Seite sollte sogar zum erfolgreichsten Song der Band avancieren! Nichtsdestotrotz bleibt “Detroit Rock City” sicher einer der bekanntesten Songs von Kiss mit einem Killer-Basspart, gespielt von Gene Simmons.
Hier das Original des Songs:
Für dich ausgesucht
- Die besten Bass Riffs in Noten und Tabs – Huey Lewis and the News: „The Power Of Love“
- Gene Simmons: „Ich erinnere mich an nichts, was Flea spielt!“
- Die besten Bass Riffs in Noten und Tabs – Guns N’ Roses: “Sweet Child O’ Mine”
- KISS beim AFL Grand Final 2023: Feuer, Rauch und Rock’n’Roll!
- Die besten Bass Riffs in Noten und Tabs – SAGA: „On The Loose“
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Weitere InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen“Detroit Rock City” – Songstruktur
Mittlerweile dürften es viele “Bassriff der Woche”-Leser gewohnt sein, dass Rocksongs häufig erfordern, den Bass einen Halbtonschritt tiefer zu stimmen, also auf Eb, Ab, Dd und Gb. Auch “Detroit Rock City” macht von diesem sogenannten Drop-Tuning Gebrauch.
Wie gewohnt notieren wir aber den Song so, als wäre der Bass normal gestimmt, was das Einstudieren des Songs schlicht vereinfacht. Stimmt also euren Bass einfach einen Halbton tiefer und lest dann die Noten/Tabulatur – wenn dann z.B. ein E notiert ist, klingt auf dem Bass in Wahrheit ein Eb.
Der Song steht in E-Dur (Eb-Dur). Das Tempo ist tatsächlich recht schwankend und bewegt sich im Mittelmaß bei ca. 184 bpm in einem treibenden Shuffle-Beat. Daher beachtet bitte, dass gerade notierte Achtel in den Notenbeispielen “ternär” (also triolisch) phrasiert werden müssen! Die Temposchwankungen machen deutlich, dass damals ohne Click-Track gearbeitet wurde – und genau das macht ohne Frage einen Großteil des Charmes und der Energie in Aufnahmen aus der damaligen Zeit aus: Musik, die atmet!
Die Songstruktur besitzt ein wenig “Drehbuch”-Charakter:
- Intro (Chorus A)
- Verse 1
- Chorus A, Chorus B, Chorus A
- Verse 2
- Chorus A, Chorus B (instrumental, extended), Chorus A
- Verse 3
- Chorus A
- Guitar Solo Part 1 (Drums only)
- Guitar Solo Part 2 (Chorus ABA)
- Verse 4
- Chorus A – Stop Chorus A
- Car-Crash (End)
“Detroit Rock City” – Intro & Strophe
Nachdem die 90-sekündige Hörspielsequenz beendet ist, beginnt das Song-Intro, aus dem Nichts kommend, mit einem starken Crescendo (also lauter werdend). Der Bass spielt unisono mit den Gitarren ein Shuffle-Wechselriff zwischen C# und B-Natural und endet nach vier Takten im Chorus-A-Thema, das lediglich aus den lang gehaltenen Tönen A und B-Natural (dem deutschen H) besteht, jeweils mit einem vorangehenden Vorschlag auf E. Nochmals: Beachtet bitte, dass die notierten Achtel ternär, also triolisch gespielt werden müssen!
Die Strophe ist einerseits relativ spartanisch angelegt, allerdings von der Ausführung her wirklich Rock’n’Roll-Königsklasse, denn die Achteltriolen bei dem schnellen Shuffle-Tempo sauber hinzukriegen, ist wirklich nicht ohne. Zumal Gene Simmons ja auch ein Plektrum verwendet.
Interviews zufolge war es wohl Produzent Bob Ezrin, der das Strophen-Riff vorschlug. Im Netz kursieren viele Versionen davon. In nahezu jeder dieser Versionen – inklusive auch einer angeblichen “Original Master Basstrack”-Version – wiederholt sich die Figur in Takt 12 (mit C# beginnend) alle vier Takte. Hört man sich den Originaltrack jedoch genau an, so wird man feststellen, dass Gene Simmons die zweite und vierte Wiederholung anders spielt, nämlich mit F# beginnend. Das funktioniert auch mit den Gitarrenakkorden wesentlich besser und macht die Strophe etwas interessanter.
Insgesamt besitzt der Song vier Strophen, die von der Form her identisch sind. Allerdings sind die Teile zwischen diesen Strophen nie gleich, was dem Arrangement immer einen Überraschungseffekt beschert.
“Detroit Rock City” – Chorus
Sehr clever ist die Chorus-Form, die aus zwei Teilen besteht, die ich “A-Chorus” und “B-Chorus” nenne. Der A-Chorus besteht aus lang gehaltenen Powerchords, der B-Chorus ist ein Unisono-Riff mit den Gitarren:
Verlängerter Chorus
Super spannend ist der darauffolgende zweite Refrain, dessen B-Teil verlängert ist. Zudem wird er rein instrumental gespielt und moduliert für fünf Takte einen Ganzton nach oben, bevor er wieder clever in das A-Chorus-Riff zurückleitet. Wie bereits erwähnt, werden die Refrains im Gegensatz zu den Strophen niemals 100% identisch gespielt, sondern stets leicht variiert.
“Detroit Rock City” – C-Teil & Gitarren-Solo
Absolut ungewöhnlich an “Detroit Rock City” ist auch die Art und Weise, wie mit dem durchkomponierten Gitarrensolo verfahren wird. In der ersten Hälfte spielen die Gitarren ausschließlich zu den Drums eine flamencoartige Melodie. In der zweiten Hälfte des Solos kommt das volle Chorus-ABA-Thema hinzu, bevor es schließlich in die vierte Strophe überleitet.
Der Basssound von Gene Simmons
Das komplette “Destroyer”-Album besitzt einen klaren Signature-Sound – man erkennt sofort nach wenigen Takten eines jeden Songs, dass es sich um Kiss bzw. “Destroyer” handelt. Damit hat die Produktion einen deutlichen Fingerabdruck – Produzent Bob Ezrin hat hier wirklich fantastische Arbeit geleistet!
Was den Basssound anbetrifft, so muss man feststellen, dass der Bass erstens nicht unbedingt prominent und vordergründig im Mix steht. Ohnehin ist die gesamte Produktion nicht sonderlich basslastig, sondern eher in den Powerchord-Mitten der Gitarren angesiedelt.
Dennoch hat der Bass einen sehr eigenständigen Sound. Es ist wirklich schwer zu sagen, welcher Bass auf “Detroit Rock City” Verwendung fand. Bekannt ist, dass Simmons Gibson-Bässe verwendete, vor allem die Modelle Grabber und Ripper. Vom Sound von “Detroit Rock City” her zu urteilen, könnte man durchaus meinen, dass einer dieser Bässe darauf zu hören ist.
Ich habe daher für die Aufnahmen einen Gibson Grabber G3 verwendet, den ich mit dem Plektrum gespielt habe. Es kommen keine Effekte oder klangfärbende Preamps zum Einsatz. Da es in den 70ern durchaus Usus war, Amps und Boxen zusätzlich neben dem DI-Signal abzunehmen, könnte dies theoretisch eine weitere Komponente des Basssounds von “Detroit Rock City” darstellen. Meine Recherchen hierzu waren leider nicht von Erfolg gekrönt.
Viel Spaß bei dieser Zeitreise in den Rock’n’Roll der 70er wünscht euch
Oliver Poschmann