Die amerikanische Band Mother’s Finest ist eine Legende im Bereich des extrem rockig gespielten Funk – oder etwa des funky gespielten Rock? Seit 1970 begeistert die von dem Ehepaar Joyce „Baby Jean“ Kennedy und Glen „Doc“ Murdock in Atlanta gegründete Gruppe mit ihrem genialen Crossover-Stilmix aus Funk, Soul und hartem Rock. In diesem Bassworkshop stelle ich euch die Bassline zu ihrem größten Hit vor – die Rede ist natürlich von “Baby Love”!
Mother’s Finest: Mehr Power geht nicht!
Das Wort “energiegeladen” wird ja gerne etwas inflationär im Bereich der Musik verwendet. Beim legendären Auftritt der amerikanischen Band Mother’s Finest in der Essener Grugahalle im Jahre 1978 ist er aber definitiv angebracht! Live im Fernsehen in der Rockpalast-Reihe übertragen, rollte die Band wie eine Dampfwalze über das deutsche Publikum hinweg. Eine explosive Mischung aus Funk und Rock, gepaart mit der entsprechenden Performance, ließ eine verblüffte Zuschauermenge zurück.
Diese Mixtur aus verschiedenen Stilen mit vielen prägnanten Unisono-Riffs war ein ganz neuer Sound. Kein Wunder, dass Bands wie Rage Against The Machine und andere Mother’s Finest als ihren größten Einfluss bezeichnen. Leider blieb der Gruppe der ganz große Erfolg verwahrt, doch dank einer weltweiten treuen Fangemeinde ist die Band auch 40 Jahre später noch aktiv.
Seit Anbeginn dabei und auf wundersame Weise optisch fast unverändert ist der Bassist Jerry “Wyzard” Seay. Er prägt den Sound der Band maßgeblich mit seinem knackigen Spiel. Die meiste Zeit sieht man ihn slappen. Allerdings nutzt Wyzard die Spieltechnik vorbildlich als Mittel zur Klanggestaltung und nicht, um technische Kapriolen vorzuführen. Angerissene Noten setzt er selten ein – meist reduziert er sich auf banddienliches Groovespiel mit seinem Daumen.
In früheren Aufnahmen ist ein Washburn mit PJ-Bestückung zu hören, aber auch ein Fender Precision. In den 90er-Jahren sah man Wyzard häufig mit einem Pangton Headless der deutschen Edelschmiede LeFay. In jüngerer Zeit ist er wieder vermehrt mit seinem geliebten Precision Bass von Fender zu sehen.
Für dich ausgesucht
Achtung: die Noten und Tabs der einzelnen Parts stelle ich euch hier nicht einzeln, sondern als Komplett-Sheet am Ende dieses Workshops zum Ausdrucken zur Verfügung!
Größter Erfolg: “Baby Love”!
Wie schon erwähnt, erschien “Baby Love” auf der 1977-Studioscheibe “Another Mother Further”. Der Track erhielt seinen endgültigen Schliff mit mehreren zusätzlichen Teilen jedoch auf der legendären Platte “Mother’s Finest Live” (1979). Damals war auch alles noch ungeschönt live mit “allen Ecken und Kanten”.
Bereits das ziemlich verstimmte Intro von “Baby Love” ist herrlich erfrischend im Vergleich zum heutigen glattgebügelten und bis zur Langeweile perfektionierten Einheitsbrei im Radio. Auch im Groove rumpelt es ab und zu etwas, was jedoch gerade das Flair und das Leben der Aufnahme ausmacht. Die kleinen Ungenauigkeiten werden durch die schier unbändige Energie mehr als ausgebügelt.
Ich habe hier für euch hier die Live-Version transkribiert. Aufgrund der Länge dienen als Hörbeispiele exemplarisch jedoch nur die drei wichtigsten Parts: Vers, Chorus und Keyboard-Solo. Sie kehren allesamt mehrfach im Song wieder. Das Tempo beträgt anfangs 98 BPM und endet bei ca. 102 BPM. Kein seltenes Phänomen bei Live-Versionen – das passiert schon mal, wenn man mit Power spielt!
“Baby Love” – Vers
“Baby Love” ist am Bass weniger eine spieltechnische als vielmehr eine rhythmische Herausforderung! Schon alleine den Groove des Verses stabil zu halten ist wirklich nicht ohne, da er nie auf der Zählzeit 1 beginnt. Genau deshalb ist das aber eine gute Übung für unseren eigenen musikalischen Puls. Hier könnt ihr in den Vers reinhören.
“Baby Love” – Chorus
Während im Vers die Zählzeit 1 konsequent umgangen wird, bildet der Chorus einen schönen Kontrast dazu. Hier spielt Wyzard jeweils nur die schweren Downbeats (Zählzeiten 1 und 3), die er jeweils mit einer Sechzehntel vorbereitet. Am Ende der viertaktigen Phrase folgt ein kleines Fill mit geslappten Oktaven.
Wie ihr hören könnt, dreht Wyzard hier geschickt die Gewichtung von tiefen und hohen Noten um. Die angerissenen Oktaven kommen im Vergleich zum Groove vorher also jetzt auf den Viertel-Pulsschlägen. Mit einem angerissenen G landet er wieder auf der 1 der nächsten viertaktigen Phrase. Das fühlt sich zunächst etwas komisch an – also erst einmal langsam üben, bis man es im Gefühl hat!
“Baby Love” – Solo-Begleitung
Den markanten Groove während des Keyboard-Solos spielt Wyzard unisono mit der Gitarre. Alle Töne werden hier mit dem Daumen angeschlagen. Erneut ist die Herausforderung eher rhythmisch als technisch.
“Baby Love” – Transkription
Hier findet ihr die Transkribtion der besprochenen Teile in Noten und Tabs. Ich empfehle, sich das Sheet herunterzuladen und auszudrucken. Dann anhand der Klangbeispiele die einzelnen Parts üben und am Schluss “zusammenzubauen”.
Die restlichen Parts des Songs sind vorwiegend Unisono-Riffs, also sehr eindeutig zu hören. “Baby Love” ist wirklich ein absolut zeitloser Klassiker. Die Live-Version zeigt zudem schön, dass uns Musik nicht aufgrund von Perfektion anspricht, sondern wegen der vermittelten Leidenschaft, Energie, Authentizität etc.
Viel Spaß mit “Baby Love” und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt