Eine Liebeserklärung an den Marshall Guv’Nor

Ende der 80er Jahre war die Produktion verschiedenster Overdrive- und Distortionpedale diverser Herstellern bereits in vollem Gange und als Gitarrist konnte man aus einer Fülle von Modellen jeglicher Couleur auswählen. Nichtsdestotrotz war der Druck, der aus einem verzerrten Amp gewonnen wurde, dem Pedalsound in der Regel deutlich überlegen und häufig wurden die Pedale zum damaligen Zeitpunkt als Booster eingesetzt.

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Das sollte sich 1988 ändern, als Marshall einen Verzerrer vorstellte, der den Sound eines Amps, in diesem Fall des JCM800, ins Bodentreterformat bannen sollte, den Guv’nor. Damit öffnete Jim Marshall die Tür für eine ganze Riege Amp-artiger Pedale auch anderer Hersteller wie z.B. die Crunch Box, den JHS Angry Charlie, den Friedman BE-OD oder diverse Plexi-Pedale, die den Unterschied zwischen einer verzerrten Ampvorstufe und dem Pedalsound nur noch schwer erkennen lassen.
Was heute selbstverständlich ist, galt damals als Novum, und darum möchte ich euch heute ein paar Stationen dieses Pedalklassikers aufzeigen und euch natürlich auch seinen Sound nicht vorenthalten.

History:

Guv’Nor 1988
Der erste Guv’nor erblickte 1988 das Licht der Welt und war Marshalls erstes Pedal seit dem Supa-Fuzz und Supa-Wah Ende der 60er Jahre. Ziel war es, wie oben erwähnt, den Sound eines Amps zum ersten Mal in einem Pedal einzufangen, ein Vorhaben, das bis zu diesem Zeitpunkt kaum einem Pedalhersteller geglückt war. Der Name geht Anekdoten zufolge auf einen Gitarristen zurück, der einen Prototyp des Pedals hörte und verblüfft bemerkte: “That pedal’s just the guv’nor”, was ein Ausdruck von starker Bewunderung ist. Anderen Gerüchten zu Folge war “Guv’Nor” schlichtweg Jim Marshalls Spitzname.
Eine der Besonderheiten des Pedals war die verstärkerähnliche Potibelegung mit Volume, Gain, Bass, Mid und Treble und der Einschleifweg, der hinter der Zerrsektion platziert ist und durch Aktivieren des Pedals in den Signalfluss integriert wird.
Die ersten Modelle waren noch Made in UK, was man an der Schlitzschraube und dem Aufkleber des Batteriefachs erkennen kann.
Spätere Modelle hingegen wurden in Korea oder Taiwan hergestellt, bei denen eine Kreuzschraube am Batteriefach zum Einsatz kam

Fotostrecke: 2 Bilder Marshall Guv’nor 1

Drive Master
1991 wurde der Guv’nor von einer Pedalreihe abgelöst, die aus Shredmaster, Bluesbreaker und Drivemaster bestand. Letzterer entspricht schaltungstechnisch und auch bzgl. der Gehäuseform dem Erstlingsmodell, allerdings entfällt der Einschleifweg und ein roter Schriftzug garniert das Gehäuse. Dieses Pedal galt als sehr beliebtes Modell seiner Zeit und erzielt auch heute noch ähnliche Sammlerpreise wie der Ur-Guv’nor.
Auch dieses Modell wurde ein paar Jahre später wieder eingestellt und ist nur noch auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich.

Marshall Drive-Master
Marshall Drive-Master

Guv’Nor Plus (GV2)
1998 brachte Marshall eine neue, dritte Reihe heraus, die diesmal jedoch ein wesentlich deutlicheres Facelift erfahren hatte. Heute besteht das Produktportfolio aus dem Bluesbreaker II, dem Jackhammer (in Anlehnung an den Shredmaster) und den Guv’nor 2 Plus. Letzteres weist schaltungstechnisch einige Veränderungen gegenüber dem Urmodell auf und besitzt mit dem Deep-Regler eine zusätzliche EQ-Option für tiefe Frequenzen, die dem Deep Switch des JCM2000 nachempfunden ist.
Auch wenn es signifikante Soundunterschiede zu den Vorgängermodellen gibt, so ist dieses Pedal hinsichtlich Bypass und Robustheit den Urpedalen deutlich überlegen.

Marshall Guv'nor Plus
Marshall Guv’nor Plus

Eigenarten:

Der Guv’nor erzeugt seine Verzerrung über Hardclipping, wie auch der MXR Distortion+, allerdings über rote LEDs anstatt den üblicheren Dioden, was ein stärkeres Signal mit geringerer Kompression ermöglicht und einen höheren Threshold (bzw. Durchbruchsspannung) besitzt, als dies z.B. beim MXR der Fall ist. Das geboostete, geclippte Signal geht dann durch die passive Klangregelung und dann über den Einschleifweg in den Output.
Die Klangregelung ähnelt der des Big Muff und ist hier stark interdependent, das heißt, die Regler beeinflussen sich gegenseitig. Die Treble-Regelung des Tonestacks hat auch Auswirkungen auf die Mitten und die Bassseite blendet einen zusätzlichen Kondensator ein, der den Bassfrequenzbereich beeinflusst.
Dreht man den Treble-Regler komplett auf, vermindert man den Einfluss des Bassreglers, der Mittenregler hingegen beeinflusst in beiden Extremsettings den Höhenbereich. Das bedeutet, dass Herumprobieren angesagt ist, will man sein Wunschergebnis erzielen!
Auch wenn der Sound der ersten Guv’nor Modelle über jeden Zweifel erhaben war, galt das aufgrund der Massenproduktion nicht für die Buchsen und Potis, die qualitativ nicht auf dem aktuellen Stand waren. Anders als bei handelsüblichen älteren Pedalen lassen sich die Bauteile hier nur schwer austauschen, da sie proprietär auf der Platine angebracht wurden. All dies änderte sich seit dem Guv’nor Plus.
Auch verfügt der Guv’nor über einen “Hard Bypass”. Die Eingangsbuchse ist konstant an einige Widerstände gekoppelt, die etwas Sound schlucken können, wenn das Signal nicht gut gepuffert ist.
Übrigens gab es auch einige Firmen, die sich an den Guv’nor herangewagt haben und nennenswerte Klone dieses Klassikers herausbrachten, wie z.B. Danelectro mit dem Daddy O., der mittlerweile allerdings auch nicht mehr erhältlich ist. Dieses Pedal hat identische Potis, verfügt aber, anders als die Marshall-Variante, über Ein- und Ausgangspuffer.

Danelectro Daddy O.
Danelectro Daddy O.

Player:

Besondere Aufmerksamkeit bekam der Guv’nor sicherlich durch Gary Moore, der ihn sogar auf der Rückseite des Plattencovers von “Stil got the blues” ablichten ließ.
1989 verwendete Gary einen Amp der JTM45 Reissue-Serie in Verbindung mit seiner 1959 Les Paul Standard, einem Marshall Guv’nor Pedal und einer 1960B 4×12″ Box mit Electro Voice 12″ Speakers. Auf den meisten Stücken des Albums, den Titelsong eingeschlossen, kam das Pedal zum Einsatz.
Gary Moore kann in diesem Zusammenhang mit einer Anekdote beitragen: “One of the guys from Metallica goes up to [producer] Bob Rock and says, ‘This is the sound I want,” and plays him ‘Oh Pretty Woman’ from Still Got The Blues. Then they proceed to go through all these pre-amps and processors to achieve it. I felt I should write and say, ‘That’s not how to do it. You’ve got the money now guys, go out and buy a ’59 Les Paul, a Guv’nor pedal and a JTM45!”
Kevin Shields von “My bloody Valentine” und auch der aktuelle “Red Hot Chili Peppers” Gitarrist Josh Klingenhoffer sind ebenfalls bekennende Guv’nor-User. Darryl Stuermer hat ebenfalls in seinen frühen Genesis/Phil-Collins-Zeiten das Marshallpedal eingesetzt.
Ursprünglich für den Einsatz an der Gitarre konzipiert, erfreut es sich auch unter Bassisten einer großen Beliebtheit. Und das insbesondere, nachdem “Rage against the machine” – Bassist Tim Commerford den Guv’nor verwendete.

Gary Moore "Still got the blues" Cover
Gary Moore “Still got the blues” Cover

Sounds:

Hören wir nun ein paar Guv’nor Sounds mit unterschiedlichen Setups:

Alle Testexemplare
Alle Testexemplare

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Beispiel 1:

Für die ersten Klangbeispiele parke ich den Guv’nor vor einen halbwegs cleanen Marshall JTM45 und setze ein Les Paul ein:

Audio Samples
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Marshall Guv’nor Marshall Drive Master Marshall Guv’nor Plus Danelectro Daddy O

Beispiel 2:

Nun ein JTM45, aber mit einer Fender Stratocaster gespielt:

Audio Samples
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Marshall Guv’nor Marshall Drive Master Marshall Guv’nor Plus Danelectro Daddy O

Beispiel 3:

Zum Abschluss hört ihr eine Ibanez AZ über einen Fender Bassman:

Audio Samples
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Marshall Guv’nor Marshall Drive Master Marshall Guv’nor Plus Danelectro Daddy O

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Profilbild von B Wolfen

B Wolfen sagt:

#1 - 31.12.2022 um 00:20 Uhr

0

In der Tat, dieses Pedal ist ein Granddaddy der Boutique Distortionfraktion. Das GV2 hat sich vom "Idealsound" des Ur-Guv'Nor entfernt, ist vor allem nicht so dynamisch spielbar. Meins hat für kleines Geld und zwei Stunden Lötarbeit eine Modifikation zum Ur-Guv'Nor erhalten, und vereint nun Sound und die bessere Verarbeitung des GV2. Heaven on Rock Earth!

Profilbild von skinner

skinner sagt:

#2 - 27.07.2024 um 13:59 Uhr

1

Ich kann anhand der Soundbeispile keine Unterschiede feststellen. Jedenfalls kann von gravierend bei mir keine Rede sein. Ich Artikel fiel mir eine Unart auf, die mich damals schon in Publikationen, wie Gitarre und Bass u.ä. massiv geärgert haben: Irgendwelche englischen Zitate in die Texte einzuarbeiten ohne diese zu übersetzen. Was will mir der Autor damit zeigen, dass er Fremdsprachen kann und unglaublich toll ist? Irgendwie ein elitäres Gehabe. Soll man eure Texte lesen und verstehen oder ist euch das scheißegal?

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