Wenn man an einem Produkt kaum noch etwas verbessern kann, weil es sich dabei um ein bereits etabliertes und ausgereiftes Fabrikat handelt, dann gilt häufig nur noch eine Devise: “Wie kann man es als Hersteller noch günstiger anbieten, ohne Kompromisse eingehen zu müssen?” Eine kniffelige Angelegenheit, von der so mancher Hersteller bittere Geschichten erzählen kann. Mittlerweile haben sich parallele Konstruktionsstätten – vor allem in Asien – als kostengünstige Praxis bei der Serienfertigung von Instrumenten etabliert. Waren zu Beginn dieses Trends noch deutliche Qualitätseinbußen bei preiswerten “Parallelprodukten” zu erkennen, so haben die hinzugewonnenen Erfahrungswerte mittlerweile zu einem derart hohen Standard geführt, dass die Parallelwelt die Originalwelt schon längst eingeholt hat. Da fragt sich so mancher zu Recht, warum er noch zum teuren Original greifen soll?
Einen eindrucksvollen Beweis dieser Entwicklung liefern die Bässe der amerikanischen Firma G&L. 1980 vom legendären Leo Fender und seinem Freund George Fuller gegründet, dauerte es nicht lange, bis der G&L L-2000 Bass das Licht der Welt erblickte. Instrumente, die einst Kultstatus erlangten, wie die gleichfalls von Leo Fender ersonnenen Modelle Precision Bass, Jazz Bass und Music Man Stingray, werden bis heute nahezu unverändert weitergebaut.
Auch der G&L L-2000 ist solch ein Kandidat. Man kann ihn in der USA-Variante erstehen – oder aber für wesentlich weniger Geld in der sogenannten Tribute-Version aus Indonesien. Wir haben uns den günstigeren Asiaten in Tobacco Sunburst angesehen. Seht, hört und staunt selbst!
Details
Einer der Kompromisse, die man bei günstigen Modellen häufig in Kauf nehmen muss, ist das Fehlen von Koffern und sonstigem Zubehör. Auch der G&L Tribute L2000TBS wird ohne Koffer oder Gigbag ausgeliefert.
Der 3,9 kg schwere in Indonesien gefertigte Bass in Tobacco Sunburst besitzt einen einteiligen Sumpfesche-Korpus. Der Farbverlauf des Tobacco Sunburst beginnt mit einem schönen Gelbton in der Mitte der Decke und verläuft zum Rand hin in dunkles Rotbraun (dem Farbton, mit dem auch der Korpusrücken gebeizt ist).
Die Decke lässt die Maserung des Korpusholzes attraktiv durchschimmern. Die Lackierung ist tadellos, sowie auch die Ausführung der im gleichen Farbmuster gestalteten Kopfplatte (Matched Headstock), die dem Bass zweifelsohne zu einem hochwertigen Erscheinungsbild verhilft.
Die Kopfplatte wurde mit vier offenen Chrom-Mechaniken mit großen, konisch verlaufenden Mechanikachsen versehen. Für einen erhöhten Druck der G- und D-Saite auf den Sattel wird ein tellerförmiger String Tree (Saitenniederhalter) verwendet.
Der naturmatte Ahornhals (34-Zoll-Mensur) ist mit einem 21bündigen Palisander-Griffbrett bezogen, in welches klassische Dot Inlays eingearbeitet wurden. Die Halsbefestigung ist, wie bei G&L üblich, mit sechs Schrauben versehen, welche in paralleler 3:3-Anordnung verlaufen. Der Hals sitzt dabei perfekt in der Hals-/Korpustasche, und auch alle weiteren Fräsungen wurden sehr ordentlich ausgeführt. Der offene Zugang zur Halsstellschraube liegt an der Kopfplatte.
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Die G&L-Brücke stammt aus eigener Fertigung und entspricht nach wie vor unverändert dem Ur-Design der Brücke des L-2000-Vorbildes. Sie wurde mit sechs Schrauben am Korpus befestigt. Die Reiter sind zweidimensional verstellbar, während das Stringspacing – also der Abstand der Saiten zueinander – nicht verstellbar ist. Die Reiter-Elemente werden gemeinsam durch eine seitlich in der Bridge befindliche Madenschraube arretiert, damit sie sich nicht ungewollt verstellen können. Die Höhe der individuellen Stegreiter stellt man mithilfe zweier Inbusschrauben ein, die Oktavreinheit via Standard-Kreuzschlitzschraube.
Absolut identisch mit dem USA-Modell ist bei dem indonesischen Tribute-Modell neben der Hardware auch die Ausstattung bezüglich Tonabnehmer und Elektronik. Zwei sogenannte “Magnetic Field Design”-Humbucker (MFD) mit jeweils acht individuell verstellbaren Polepieces sorgen für den typischen G&L-Sound, neben der ebenfalls einzigartigen Eigenentwicklung der aktiven “Tri-Tone”-Elektronik. Drei kleine Toggle-Schalter teilen sich den Platz oberhalb dreier verchromter geriffelter Flattop-Potiknöpfe, die für Lautstärke, Höhen und Bässe zuständig sind.
Mithilfe der Schalter hat man Zugriff auf folgende Funktionen:
- Passiv, aktiv, aktiv mit Trebleboost Dreifach-Schalter an der Brücke: passiv (unten) / aktiv (Mitte) / aktiv plus Höhenboost (oben)
- Tonabnehmer-Spulen parallel oder seriell Zweifach-Schalter Mitte: parallel (unten) / seriell (oben)
- Tonabnehmerwahl: Bridge solo, beide Pickups, Hals solo Dreifach-Schalter Richtung Hals: Tonabnehmerwahl (unten/Bridge; Mitte/beide; oben/Hals)
Passiv kann der Bass auch ohne Batterie betrieben werden. Ungewöhnlich dabei ist, dass die Bass- und die Höhenblende weiter funktionieren – wenn auch naturgemäß im Cut-Only-Betrieb.
Passive Höhenblenden ist man ja durchaus gewohnt, auf passive Bassblenden trifft man jedoch naturgemäß sehr viel seltener. Dass unser G&L über beides verfügt, darf als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Tonabnehmer bereits von sich aus (also ohne elektronische Unterstützung) einen enorm potenten Sound liefern. Die Ausgangsstellung beim passiven Sound ist daher mit voll aufgedrehten Potis gegeben.
Was G&L-Bässen traditionell fehlt, ist eine stufenlose Tonabnehmerblende bzw. getrennte Lautstärkeregler für die Tonabnehmer. Man kann die Tonabnehmer also lediglich schalten, aber nicht im Verhältnis zueinander regeln. Dass dies dennoch kein Nachteil sein muss, zeigt sich im Praxisteil anhand der vielen Soundmöglichkeiten.
Die Batterie sitzt in einer Aussparung des Elektronikfaches, welches von einer Kunststoffplatte mit sechs Schrauben abgedeckt ist. Leider ist die Batterie nicht über ein separates Fach zugänglich. Das ist jedoch tatsächlich der einzige Minuspunkt, den ich weit und breit entdecke: um an die Batterie zu gelangen, müssen zunächst alle sechs Schrauben gelöst werden. Allerdings findet man diese Lösung auch heute auch in vielen Bässen oberhalb der 5.000-Euro-Grenze, sie ist also beileibe kein Alleinstellungsmerkmal einer preiswerten Gilde.
Die Klinkenbuchse sitzt in der unteren Zargenkurve – minimal versenkt und optimal positioniert für die Verwendung von Winkelsteckern.
calvato sagt:
#1 - 12.04.2017 um 16:30 Uhr
....ich selbst hab die 5-Saiter-Version (L-2500) und LIEBE ihn! Ja, der Hals ist durchaus "männlich", aber keiner meiner anderen Bässe (darunter auch ein MM Stingray) hat einen derartigen Druck, der immer definiert bleibt ohne zu matschen. Das Ding ist einfach monströs, vor allem für den Preis.....
Christian sagt:
#2 - 12.04.2017 um 17:03 Uhr
Also, soweit ich das auf den Bildern beim großen T erkennen kann, ist der Korpus aber mehrteilig geleimt. Demzufolge ist die "einteilige" Bezeichnung im Test etwas irreführend. Hätte mich auch gewundert, bei diesem Preis! Wie dem auch sei, ich wollte das nur angemerkt haben.
Nichts für ungut!
p.s.
Wie ist das eigentlich bei dem 5-Saiter?
Oliver - BONEDO Red. Bass sagt:
#2.1 - 13.04.2017 um 09:20 Uhr
Hallo Christian,da hast Du absolut recht. Ich habe das bei dem Testbass falsch beurteilt, denn die Teile waren wirklich derart hervorragend zusammengeleimt, dass ich meiner eigenen Beurteilung auf den Leim gegangen bin. Der Vertrieb bestätigt, dass der Korpus der G&L Tribute Serie dreiteilig ist. Genau so verhält es sich bei den 5-Saitern. Das gibt eine 1+ für Aufmerksamkeit! Was wären wir ohne unsere Leser. Vielen Dank !Oliver - BONEDO Red. Bass
Antwort auf #2 von Christian
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChristian sagt:
#2.1.1 - 13.04.2017 um 17:15 Uhr
Wie ist das derzeit eigentlich? Will man einen Korpus aus einem Stück Holz, muß man wohl ins vierstellige Preissegment schielen. Sehe ich das richtig? Mal ganz abgesehen davon, ob das nun einen hörbaren Unterschied macht...Mir ist das nur aufgefallen, dass es eigentlich, sofern man nicht in die Tausender gehen will, heutzutage unmöglich ist, einen einteiligen Korpus zu kriegen. Das war mal anders, oder?Oder ist das etwa nur ein hölzerspezifisches Phänomen (Esche) mit der Leimerei?Fragen über Fragen.....
Antwort auf #2.1 von Oliver - BONEDO Red. Bass
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