Er spielt mit bekannten Künstlern wie Roosevelt, betreibt eine Drumschule in München und lässt in zahlreichen eigenen Projekten seiner Kreativität freien Lauf. Simon Popp ist ein moderner Drummer, der sich mit einem Mix aus fundierter Ausbildung, technischen Fähigkeiten und einem sicheren Gespür für Musik und Beat-Konstruktionen seinen Platz in der Münchner Live- und Studioszene erspielt hat. Bei dem Jazzquintett “Fazer” lässt er seine Faszination für afrikanische und indische Rhythmik einfließen, bei “Popp”, seinem Soloprojekt, geht er minimalistisch und soundorientiert vor.
Technik, Koordination und Geschwindigkeit kann er auch, sie sind bei ihm jedoch immer nur Mittel zum Zweck. Simon ist außerdem großer Sound-Nerd, arbeitet viel im eigenen Studio und verfügt über Trommeln und Percussioninstrumente aller Art, Mikros und Recording-Equipment. Im Interview hat er mir von seinen Anfängen an der Blockflöte erzählt, wie er den Job bei Roosevelt bekommen hat und wie es zur Gründung seiner Schlagzeugschule mit Flo König gekommen ist. Über die eine oder andere Snaredrum, sein altes Superstar Kit und weiteres Gear haben wir natürlich auch gesprochen. Im letzten Teil des Interviews war außerdem sein Kollege Sebastian Wolfgruber mit dabei, mit dem er gerade das zweite Album von “Fazer Drums” veröffentlicht hat.
Hallo Simon, erzähl doch mal ein bisschen was zu deinem Werdegang.
Ich bin auf einem Hof in der bayrischen Provinz aufgewachsen, mit dem Schlagzeug bin ich zum ersten Mal durch meinen Onkel in Kontakt gekommen. Und es war Liebe auf den ersten Blick. Vorher hatte ich mal Blockflöte gespielt, das war aber gar nix. (lacht) Das Tolle war, dass meine Eltern das Trommeln gleich unterstützt haben, ich konnte in einer Scheune nebenan einen Übungsraum einrichten und bekam Unterricht bei einem Kumpel meines Onkels. Zusätzlich habe ich schnell in Bands gespielt und war auch in Schulprojekten aktiv, wo es einen Drummer brauchte. Aufgewachsen bin ich anfangs mit der Musik, die auch meine Eltern gehört haben: Fleetwood Mac, Beatles, Led Zeppelin, also eher rockige Sachen. Ziemlich beeinflusst haben mich aber auch Musikerbiografien, zum Beispiel die von Jimi Hendrix. Meine Mutter ist damals einmal wöchentlich in die örtliche Bibliothek gefahren, da bin ich mitgekommen und habe mir eben diese Bücher ausgeliehen. Aber dort gab es auch CD’s, davon habe ich natürlich ebenfalls welche mitgenommen. Das war eine Riesenschule für mich.
Das war schon immer so in der Schwebe, aber als ich mit der Schule fertig war, musste ich mir Gedanken machen, ob es eher in Richtung Mathematik oder Musik geht. Irgendwann bin ich dann nach München gezogen, unter anderem, weil meine damalige Band – Hello Gravity – einen Plattendeal bekommen hat. Da war ich 19 Jahre alt. Und von da hat es sich immer mehr herauskristallisiert, dass ich Schlagzeug spielen möchte. In München habe ich dann auch angefangen, Jazz-Schlagzeug zu studieren und sechs Jahre später meinen Bachelor und Master gemacht. Parallel habe ich ständig mit Bands und vielen Musikern gespielt. Daher hat am Ende auch der Übergang in die Praxis ganz gut geklappt.
Afrikanische Rhythmuseinflüsse spielen bei dir eine große Rolle. Wie bist du auf die gestoßen?
Das fing schon im Studium an, da habe ich gemerkt, wie sehr mich diese Musik und die Rhythmen begeistern. Speziell die polyrhythmischen Ansätze haben mich fasziniert, ich habe dann später auch meine Bachelorarbeit darüber geschrieben. Ich finde, dass man als Musiker offen für viele Einflüsse sein sollte, und gerade in der afrikanischen und lateinamerikanischen Kultur gibt es extrem viel zu entdecken. Mit der indischen Rhythmussprache Konnakol habe ich mich auch beschäftigt.
Das merkt man deiner eigenen Musik auch deutlich an. In einigen deiner Videos verbindest du afrikanische Elemente sehr organisch mit einem elektronischen Aufbau.
Ja, für mich hat beispielsweise das trancemäßige in House- oder Clubtracks viele Parallelen zu westafrikanischer Musik. Aber auch die polyrhythmischen Elemente kommen in beiden Welten vor. Daher trenne ich das auch gar nicht bewusst. Ich lasse mich oft einfach auch von Sounds beeinflussen. In meinem Studio stehen immer viele Instrumente herum und davon lasse ich mich inspirieren. Außerdem habe ich auch diverse Effektgeräte, die ich dann einfach auf verschiedene Weisen verkoppele und sehe, was gut klingt.
Die Figuren, die du spielst, erfordern trotzdem viel Präzision und Unabhängigkeit. Was sind deine Übungskonzepte?
So ein richtiges Konzept habe ich gar nicht, vieles kommt noch aus dem Studium und dort speziell von Werner Schmitt, der mir als Dozent sehr gut verdeutlicht hat, dass eine fundierte Technik wichtig ist, um sich musikalisch frei ausdrücken zu können. Manchmal denkt man bei einigen Übungen noch gar nicht, dass sie einem irgendwie helfen könnten, aber irgendwann wird einem klar, dass sie für bestimmte Ideen dann doch wichtig sind. Einfach, weil man sie dann, ohne nachdenken zu müssen, umsetzen kann.
Übst du noch regelmäßig?
Mein Fokus liegt mittlerweile eher bei den Projekten und Produktionen, die anstehen. Aber ich habe auch immer mal wieder Phasen, wo ich ganz klassisch sehr viel übe, wenn ich merke, dass ich eingerostet bin. (lacht)
Nenne doch mal ein paar wichtige Drummer, die dich inspirieren.
Oh, das ist eine lange Liste! Ich höre ständig Musik und überall kommen mir interessante Drummer unter. Aber okay, ich werde mal versuchen, eine kleine Liste zu liefern. (lacht) John Bonham, Mitch Mitchell, Billy Martin, Steve Gadd, Tony Williams, Peter Giger, Milford Graves und so viele andere. In letzter Zeit habe ich zum Beispiel viel türkische Musik gehört und auch mit türkischen Musikern gespielt. Hey, und Daru Jones habe ich vergessen! (lacht)
Du spielst für verschiedene Künstler, darunter auch Roosevelt. Wie bist du an den Job gekommen?
Marius (Lauber, Roosevelts bürgerlicher Name, Anm. des Autors) hat mich 2017 in einem Video gesehen, das ein Freund gepostet hatte. Er suchte gerade einen Livedrummer und hat mich dann angeschrieben. Kurz danach ging es schon auf EU-Tour. Und seitdem bin ich dabei.
Spielst du auch die Drums der Alben ein?
Nein, Marius spielt die Instrumente alle selbst ein, die Drums auf den Platten sind aber auch tatsächlich “echt”. Daher ist es aber auch logisch, dann live eine Band mit richtigem Drummer zu verwenden. Meine Drums sind bei Roosevelt rein analog, ich verwende dort also keine Trigger oder Elektronik. Allerdings ist live neben einem Bassisten auch ein Percussion- und Synthiespieler dabei, der auch die elektronischen Sounds der Produktion spielt. Der typische Roosevelt Sound erfordert natürlich ordentlich Dämpfung an den Trommeln. Als Drumset verwende ich bei Roosevelt einen Vierteiler von Tama, ein Starclassic Walnut Birch mit extra tiefer 14x8er S.L.P. Walnut Snaredrum und den großen 16 Zoll Meinl Sand Hats.
In eine ganz andere Richtung geht dein Soloprojekt “Popp”. Was machst du da?
Bei Popp verarbeite ich im Grunde alle Sounds und Ideen, die ich mit der Zeit so ansammele. Klanglich geht es in eine eher minimalistische Richtung, viele sortieren meine Musik in den Ambient-Bereich oder bei der Minimal Music ein. Ich spiele im Studio gerne mit Instrumentarium und Klangerzeugern, aber auch mit Mikros und Preamps herum und komme dann auf Ideen, die ich dann auch vertonen möchte. Ursprünglich war es einfach so eine Art Spielwiese zum Experimentieren und Lernen, aber ich betreibe das auch durchaus ernsthaft, setze es live um – mit drei(!) Schlagzeugern – und freue mich natürlich, wenn die Resonanz positiv ausfällt.
Erzähl doch mal ein bisschen was zu deinem Equipment. Was steht bei Simon Popp im Studio?
Ja, Nerd Talk! (lacht) Ich habe verschiedene Sets, darunter einen Tama Star Maple Kesselsatz, aber auch so ein altes Superstar mit den dicken Birkenkesseln. Das liebe ich, das klingt sowohl offen als auch gedämpft super. Meine Becken kommen von Meinl, da verwende ich die oben schon erwähnten Sand Hats, aber auch viele andere dünne Modelle aus der Byzance-Reihe. Tendenziell geht es bei mir immer eher warm statt aggressiv zu. Ich habe so ungefähr sechs Snaredrums, gerade habe ich eine Tama Stave Ash Snare bekommen, die klingt absolut super. Ich bin aber für Auftragsarbeiten aller Art auch in Sachen Mikrofone und Preamps gut aufgestellt. Ich besitze ein paar edle Teile, die echt sehr gut klingen, wie zum Beispiel meine Chandler TG2 Preamps, auch von Retro und API habe ich jeweils ein Paar. Ich kann bei Bedarf sehr schnell Drumspuren liefern, weil ich alles immer griffbereit habe. In der letzten Zeit hab ich auch oft so etwas gemacht, auch für Filmmusik. Das macht mir Spaß und ist in der Corona-Zeit noch mehr geworden. Wer da etwas braucht, kann mich gerne kontaktieren.
Du betreibst eine Schlagzeugschule in München, zusammen mit Flo König, dem Drummer von Cro. Wie kam es dazu?
Flo und ich haben uns durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt und uns schnell gut verstanden. Die Idee einer gemeinsamen Schule kam schon ganz am Anfang auf, weil wir da beide Lust zu hatten und außerdem Studionachbarn sind. Das ergänzt sich sehr gut, wir unterrichten jeweils einen Tag in den Woche und die Schüler wechseln auch mal zwischen uns hin und her. Und natürlich können wir sehr praxisnah unterrichten, weil wir sowohl über viel Live-Erfahrungen verfügen als auch eben das Studio im Gebäude haben. Und daran haben auch viele Schüler großes Interesse, also Recording, Produktion und solche Sachen. Mit Flo mache ich aber auch Musik zusammen, wir haben ein Duo-Projekt namens 9ms, wo wir viel experimentieren, mit Infrarotsensoren und Magnetfeldantennen arbeiten und Effekte auf unkonventionelle Art verwenden.
Für dich ausgesucht
Lass uns ein bisschen über YouTube und Co. sprechen. Du bist dort natürlich auch mit Videos vertreten, aber auch bei instagram bist du aktiv.
Ja, genau. Ich spiele nach wie vor am liebsten mit echten Musikern auf einer Bühne, aber die Social Media Kanäle sind natürlich schwer wegzudenken und sie haben auch viele Vorteile. Andere Musiker können sich beispielsweise schnell einen Überblick über die Sachen verschaffen, die man so macht. Außerdem eröffnen sich neue Wege für Kontakte, die es vorher einfach nicht gab. Ich bekomme auch immer mehr Anfragen für Online-Unterricht oder eben für Drumtracks, die ich dann aufnehme und per Netz verschicke. Das wird speziell jetzt zu Corona-Zeiten mehr und hilft auch ein bisschen, die finanziellen Einbußen zu lindern, die es durch das Livespielverbot gibt.
Gerade wurde der zweite Corona-Lockdown beschlossen…
Ja, und das spüre ich natürlich deutlich. Wenn alle Gigs wegbrechen, bedeutet das finanzielle Probleme, davon abgesehen, dass ich das auch einfach brauche, um mich wohl zu fühlen. Ich sehe viele Kollegen, die gerade wirklich auf den Abgrund zutreiben, teilweise auch, weil die finanziellen Hilfen für ihre jeweiligen Tätigkeiten nicht greifen oder gar nicht vorhanden sind. Es geht gerade die Angst bei vielen um. Da muss dringend was geschehen.
Für den letzten Teil dieses Interviews ist Sebastian Wolfgruber dabei, mit ihm zusammen hat Simon das Projekt “Fazer Drums”, welches gerade ein neues Album samt Videos veröffentlicht hat.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenWas ist Fazer Drums?
Simon: Wir haben zusammen eine Band namens Fazer. Das ist ein Jazzquintett aus München mit Trompete, Bass, Gitarre und zwei Drummern, bei welchem wir durch die Besetzung viel westafrikanische, südamerikanische und indische Polyrhythmik einfließen lassen können. Weil das bei Fazer so gut zusammen klappt, hatten wir die Idee, auch mal eine reine Drumduo-Platte zu machen. Daraus hat sich dann das Ableger-Projekt „Fazer Drums“ von Sebastian und mir entwickelt, bei dem wir den Fokus komplett auf Drums und Percussions setzen.
Sebastian, bei Fazer bilden zwei Drummer eine rhythmische Einheit. Trotzdem kommt ihr euch nicht in Quere, sondern bildet eine organische Einheit. Erklär doch mal eure Rollen in der Band.
Sebastian: Wir haben zu fast jedem Song fest ausgemachte Parts, die sich gut ergänzen oder polyrhythmisch interessant klingen. Von diesen kompositorischen Parts ausgehend, improvisieren wir aber auch innerhalb der Tunes. Oft ist es so aufgeteilt, dass einer einen groovebasierten Part spielt und der andere eher ein Raster (zum Beispiel 16tel Triolen) mit verschiedenen Sounds spielt, die gut zum Groove oder Vibe des Stückes passen oder eine andere rhythmische Ebene darstellen. Manchmal nimmt einer auch eine sehr perkussive Rolle ein und spielt nur Djembe oder Congas, während der andere eher Drumset spielt. Und dann gibt es oft noch die Möglichkeit, dass beide Grooves spielen, die sich dann ergänzen. Besonders wichtig ist hierbei auch das Abstimmen der beiden Bassdrums, da versuchen wir weniger gleich zu spielen und mehr ergänzende Patterns zu finden.
Notiert ihr eure Parts aus?
Simon: Ausnotiert haben wir die Parts eigentlich noch nie, aber wir arbeiten sehr viel mit Soundfiles. Wenn wir etwas gefunden haben, das uns anfixt, nehmen wir das eigentlich immer gleich mit dem Handy oder ein bis zwei Mics auf und laden es in eine Dropbox. Manche Ideen kommen aber auch unterwegs und sind in Ableton mit MIDI-Instrumenten skizziert.
Könnt ihr was zum Recordingprozess erzählen? Welche Sound-Ansätze habt ihr verfolgt?
Sebastian: Wir stimmen unsere Trommeln nicht auf genaue Tonhöhen, achten aber darauf, dass sie schön zusammen klingen. Besonders wichtig ist das bei den Bassdrums. Und generell versuchen wir immer wieder neue Sounds zu finden für neue Stücke. Oft merkt man dann auch erst im Studio, was besser funktioniert oder vielleicht nicht gut klappt.
Simon: Sowohl bei der Mikrofonierung als auch im Mix sind es für uns weniger zwei separate Sets, sondern eher eine große Drumstation, die von zwei Spielern bedient wird. Unsere Schlagzeuge stehen direkt nebeneinander und die Basis bilden drei Overheads. Gerade im Studio merkt man auch oft, wie wichtig es ist, kompositorisch eher kontrastierend und ergänzend zu denken – sowohl von der Rhythmik als auch von den Sounds an sich. Wenn zum Beispiel viele Bassdrum- und Snareschläge aufeinanderfallen und beide parallel Fills spielen, wäre das eher kontraproduktiv.
Wer spielt welche Sounds?
Sebastian: Wir haben beide ein normales 4-piece Drumset, das mit verschiedenen Percussions und Sounds erweitert ist. Simon hat zum Beispiel immer Bongos, verschiedene Bells und Bowls oder ein paar Effektinstrumente integriert, bei mir sind es meistens noch eine Djembe, eine Conga, verschiedene Shaker und eine Framedrum. Bei „Fazer Drums“ steht außerdem ein Balafon zwischen uns, das wir von beiden Seiten spielen können. Vor allem für die Recordings packen wir eigentlich immer alle möglichen Instrumente ein, damit wir schnell was zur Hand haben.
Wie geht ihr live vor?
Sebastian: Wir haben mittlerweile gemerkt, dass es fürs Zusammenspiel sehr viel einfacher ist, wenn wir nah beieinander aufgebaut sind. Deshalb sind die Drums immer gemeinsam auf einer Seite der Bühne.
Simon: Ansonsten ändert sich vom Zusammenspiel nicht viel, weil wir im Studio ja auch alles live einspielen. Live spielen wir oft viele Stücke ohne Pause, da kommt es dann auch vor, dass ein Drummer mit seinem Part anfängt und sich das Stück dann so aufbaut.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Equipment:
Simon verwendet Tama Drums, Meinl Cymbals, Vic Firth Sticks, Meinl Percussion und Remo Felle.
Links:
Homepage: www.simonpopp.com
Instagram: https://www.instagram.com/simon.popp
Facebook: https://www.facebook.com/poppsimon
Youtube: https://www.youtube.com/channel/UCnXQV17xnsbdvdFHDaJWHwg
Bandcamp: https://simonpopp.bandcamp.com
Video-Anspieltipps:
Clip für Meinl Percussion: Galaxy
Roosevelt – “Loosing Touch” live
Fazer – “Wasi” live
Simon Popp – Soloprojekt
Vic Firth Performance Video