Man kann sich aus heutiger Sicht nur ausmalen, wie es gewesen sein muss, als unbedarfter Teenager in den 1960er-Jahren die Band The Who live zu erleben. Die urgewaltige Power, die enorme Lautstärke, die vier exzentrischen Charaktere, die bei ihren Konzerten bisweilen eine regelrechte Zerstörungsorgie auf der Bühne entfesselten – das alles dürfte jeden musikbegeisterten Teenie mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen zurückgelassen haben.
The Who live im “Marquee Club” – einfach irre!
Die Aufzeichnung dieses Auftritts aus dem Londoner “Marquee Club” von Roger Daltrey (voc), Pete Townshend (git), Keith Moon (dr) und John Entwistle (b) stammt aus dem Jahr 1967 und entstand bei einer Übertragung des “Beat-Club”. Der Sender “Radio Bremen” produzierte diese erste Musiksendung mit englischen Interpreten im deutschen Fernsehen von 1965 bis 1972.
Kaum ein Song hätte wohl besser in die Sendung gepasst als “My Generation”, mit dem sich damals Heerscharen von Teenies identifizierten. Natürlich beinhaltet die Performance sämtliche Facetten, für die The Who damals bekannt waren, aber euer besonderes Augenmerk möchte ich natürlich auf Mr. John Entwistle lenken, den einflussreichen Bassisten der Band!
John Entwistle: Einer der besten Rock-Bassisten aller Zeiten!
Das legendäre Basssolo, das im Video bei Minute 0:49 beginnt, gilt als eines der ersten in der Geschichte der Rockmusik. Auf der im Oktober 1965 veröffentlichten Single bediente Entwistle – nachdem ihm auf nicht weniger als drei Danelectro-Longhorn-Bässen jeweils eine der werksmäßig aufgezogenen Roundwound-Saiten gerissen waren – noch einen Fender Jazz Bass mit Black-Nylon-Saiten.
Sowohl Entwistle als auch die gesamte Band klingt in der originalen Aufnahme noch wesentlich zahmer. Hier im Clip hingegen geht es dafür umso mehr zur Sache. Von dem immensen Energie-Level kann sich so manche andere Rockband eine gute Scheibe abschneiden!
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John Entwistle am “White Whale”-Precision Bass
John Entwistle spielte beim “Marquee”-Gig einen 1966er Fender Precision Bass mit Slab-Body und “White Blonde”-Lackierung. Allem Anschein nach stellte Fender nur 20 Exemplare dieses seltenen “White Whale”-Sondermodells her. Drei davon besaß Entwistle – zerstörte sie jedoch früher oder später allesamt!
Ein Hals, ein Pickup-Paar und eine Elektronik dieser drei Bässe fanden sich jedoch später in seinem berühmten “Frankenstein”-Bass wieder, den er aus Teilen zerstörter Instrumente während eines Tour-Aufenthaltes in einem Hotel in San Francisco zusammenbaute. “Frankenstein” wurde zu seinem erklärten Lieblingsinstrument und zum wichtigsten Bass in der Geschichte von The Who überhaupt.
Das ohrenbetäubend laute, erdbebenartige Grollen von Entwistles Sound wird in diesem Clip von zwei Marshall 1967 Major Lead-Verstärkern (bekannt unter dem Kosenamen “The Pig”) erzeugt, die ihre 200 Watt Leistung in insgesamt vier Marshall-Cabs blasen. Die Verwendung eines Plektrums verstärkt den brutalen Crunch-Sound natürlich umso mehr.
Man kann nur mutmaßen, was die vier Musiker in den verbleibenden Minuten ihres Gigs noch alles angestellt hätten, wenn nicht kurz vor Ende des Songs plötzlich der Strom ausgefallen wäre. Kurz zuvor sieht man bereits Rauch hinter Pete Townshends Amp aufsteigen, dann folgt eine Explosion – und dann ist die Show blitzschnell vorüber. Ob nun als herbeigeführtes Show-Element oder echter Stromkreis-Zwischenfall – der hohe Unterhaltungsfaktor damals wie heute ist einfach unbestritten. Ebenso unbestritten wie die Tatsache, dass die heutige Rockmusik ohne diese vier Briten garantiert anders klänge – und aussähe!
Viel Spaß mit dem Clip!