Wahrscheinlich kennt ihr es von euch selbst: Wenn ihr mit einer Mischung beginnt, fahrt ihr noch recht moderate Pegel bei den Abhören. Bei jedem Solo-Schalten oder dem Begutachten der besonders leisen Passage geht dann die Hand zum Pegelsteller der Lautsprecher, aber er wird nicht wieder ganz auf den Anfangswert zurückgefahren. Und wenn man den Song mag, wird es ebenfalls immer lauter. Und wenn es zu laut erscheint, macht ihr einfach wieder leiser…
Dabei wärt ihr gut beraten, das Level nicht nur beizubehalten, sondern wirklich jede Mischung mit dem gleichen Level zu fahren.
Was hat der Abhörpegel mit einem guten Mix zu tun?
Das ist eine berechtigte Frage. Und für sie gibt es eine Antwort, die ihr euch zu Herzen nehmen solltet. Es gibt nämlich einen enorm wichtigen Grundzusammenhang zwischen Pegel und Frequenzempfinden. Unser Gehör arbeitet nicht linear, das wird bekannt sein. So sind wir deutlich empfindlicher und empfänglicher für den Bereich, in dem die wesentlichen Elemente der Sprache stattfinden als etwa für Tiefbass oder die höchsten Höhen. Psychoakustiker haben einiges darüber herausgefunden und konnten „Kurven gleicher Lautstärke“ und vergleichbare Graphen entwickeln. Neben den Fletcher-Munson-Kurven sind es besonders die Robinson-Dadson-Kurven, die den Sachverhalt gut erklären können. Betrachtet man diese, wird deutlich, dass sie sich mit unterschiedlichen Pegeln nicht linear verschieben. Anders ausgedrückt: Hört man mit unterschiedlichen Pegeln ab, empfindet man bei exakt der gleichen Mischung bestimmte Anteile, etwa das Air-Band oder den Präsenzbereich, unterschiedlich laut. Das bedeutet wiederum, dass eine Mischung tonal unterschiedlich ausgewogen sein wird, wenn man besonders laut oder besonders leise mischt. Aus diesem Grund ist es ratsam, bei immer gleichem Pegel zu beurteilen und zu arbeiten. Ich verspreche euch: Ohne viel Zeit- und Geldaufwand sorgt ihr damit für bessere, professionelle und vor allem konstantere Ergebnisse, weil eure Mischungen spektral ausgewogener werden.
Grundvoraussetzungen für die Kalibrierung der Abhören
Eine vernünftige Abhörkette ist eine Notwendigkeit für tontechnische Arbeit. Die korrekte Aufstellung von Lautsprechern spielt eine große Rolle, die Raumakustik sollte keine Katastrophe sein und die möglichen Filter von Aktivboxen stimmig gewählt sein.
Ihr benötigt ein Messgerät
Halt! Bitte nicht sofort dieses Browserfenster wieder schließen: Ihr müsst keine superteuren Hardware-Messgeräte anschaffen, ich habe ja gerade eben noch von „geringem Geldaufwand“ gesprochen. Zwar sind externe Pegelmessgeräte eine feine Sache und auch schon für verhältnismäßig wenig Piepen zu bekommen, aber für unsere einfachen Zwecke tut es durchaus eine rudimentäre Measurement-App für das Smartphone, wie sie im PA-Bereich zum Einsatz kommt. Hier findet ihr einen Überblick. Gemessen wird mit C-Filerkurve und langer Integrationszeit, das können aber fast alle Systeme. Allerdings ist die Tiefbassempfindlichkeit von Mikros in Mobiltelefonen eher mau, was die Ergebnisse durchaus verfälschen kann.
Vorgehensweise zum Kalibrieren von Monitoren
Mit irgendwelcher Musik oder einem 1kHz-Sinus sollte nicht kalibriert werden, da dann sehr individuelle Probleme das Ergebnis beeinflussen könnten. Üblicherweise wird ein Rauschen verwendet, das auf mehrere Art und Weise gefiltert wurde. So findet ein Pegelabfall zu den Höhen statt, damit es „Pink Noise“ wird. Das Messrauschen könnt ihr in vielen DAWs mit mitgelieferten Plug-Ins zwar einstellen, aber der Einfachheit halber könnte ihr euch hier das korrekte Audiofile herunterladen (Achtung beim Anhören – das ist voll normalisiert, also sehr laut!):
Auf einer Mono-Audiospur wird das geloopte Audiofile mit -18 dB wiedergegeben. Alle weiteren Fader, die sich dazwischen befinden, stehen auf 0 dB, also in Ausgangsstellung. Den typischen Hauptregler für eure Abhörlautstärke, also das Level am Monitorcontroller oder Control Room Level am Mischpult, setzt ihr auf minus Unendlich, dreht also zu.
Das Messgerät, euer Smartphone oder Tablet mit der entsprechenden App fixiert ihr dort, wo sonst beim Abhören im Sweet-Spot eure Nase ist. Filterkurve C (nicht A!), Integrationszeit hoch (also „slow“). Dann routet ihr das Signal auf ein Lautsprecherpaar. Euren üblichen Levelregler dreht ihr dann so weit hoch, bis das Messgerät 80 dB(C) zeigt. Das ist ziemlich laut, besonders in kleineren Räumen auf kleineren Abhören ist das ein Pegel, bei dem man niemals fertig gemasterte Mischungen abhören sollte.
Steht euer Level für den ein Speakerpaar, ist das andere an der Reihe, falls vorhanden. Im Idealfall belasst ihr das Abhörlevel wie es ist und ändert das Routing auf den zweiten Speaker. Treten hier sehr große Abweichungen auf, muss per Trimmer am Speaker angeglichen werden. Kleinere Abweichungen solltet ihr eher ignorieren.
Level markieren und benutzen
Euer gefundenes Level markiert das “Lauthören”. Diesen Punkt könnt ihr beispielsweise mit einem Klebestreifen markieren. Für viele Arbeiten wird man auch ein geringeres Level wählen oder im “Dim”-Modus arbeiten. Manche Abhörcontroller erlauben die Nutzung von Level-Presets, was ungemein praktisch ist! Leider – und unverständlicherweise – sind das nur wenige. Ist dies aber der Fall, könnt ihr euch auch noch weitere Levels einrichten, beispielsweise folgende: Standard (wie eben beschrieben), sehr leise/Hörschwelle (oft für Balance Snare/Vocals/Gitarre sehr gut geeignet), Boost für das Solohören und „Belohnung“, also ein richtiges Ausfahren der Monitoring-Anlage, um eine fertige Mischung so richtig zu genießen.
Sonderfall Subwoofer im 2.1-Setup
Natürlich ist die hier gezeigte Variante eine recht einfache und schnelle Lösung, aber für die typischen Zwecke ist sie definitiv ausreichend. Was mit einem schmalbandigen Rauschen und einem einfachen Messaufbau nicht geht, ist das Beurteilen des Subwoofer-Levels, falls ihr mit einem solchen arbeitet. Auch spielt hier der Raum eine große Rolle. Hier kommt ihr zunächst nicht drum herum, den Sub mit dem Gehör einzustellen. Tipp: Die meisten erfolgreichen Engineers und Producer untertreiben es mit dem Level lieber, anstatt übertrieben viel tieffrequente Energie in den Raum zu pusten.
John sagt:
#1 - 02.02.2017 um 22:49 Uhr
Danke erstmal für den tollen Artikel. Eine Frage hätte ich zum Einstellen des Rauschpegels. Gehe ich richten der Annahme, dass ich das Rauschen auf -20dBFS RMS am Rechner einstellen muss? Der Abhörpegel ist dann eine gehobene-laute Zimmerlautstärke..
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#1.1 - 03.02.2017 um 06:48 Uhr
Hallo John,besten Dank. Folgendes: In kleinen Räumen und bei nahen Speakern kannst Du auch etwas weiter runter, aber nicht weiter als etwa 76. Dann ist es bei den Messungen tatsächlich besser, man nimmt ein breitbandiges Rauschen. Mein Fehler – ich habe das entsprechend oben im Text und im Downloadbereich geändert, danke an dieser Stelle. Auch gibt es ja noch folgenden Zusammenhang: Wenn Du eine fertige Produktion hörst, wird die sehr laut sein. Die ist ja auch gemastert und dementsprechend optimiert (Multibandkompression, Limiting, Psychoakustik-Limiting…). Sollten Deine Produktionen dann immer noch sehr laut sein, schau mal auf den Mix: Wenn sich Dein RMS-Level bei -20 dB bewegt, läufst Du in keinem Fall zu heiß, hast genug Headroom und Abstand nach "unten". Und viele Plug-Ins klingen dann sogar besser, wenn man sie nicht mit enormen Levels befeuert.Beste Grüße,
Nick
Antwort auf #1 von John
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenStephan sagt:
#2 - 31.05.2020 um 11:59 Uhr
Ich hoffe, dass nach so langer Zeit trotzdem noch jemand auf meinen Post reagiert: Ich habe das alles so eingestellt und hatte den gegenteiligen Effekt: ich kam zu der Erkenntnis, dass ich bisher ziemlich LEISE abgehört habe. Bei 80 dB fliegen mir förmlich die Ohren weg. Ich habe fast den Eindruck, ich habe etwas falsch gemacht.Rauschen in Wavelab mit FreeG -20dB leiser gemacht, den Masterbereich auf 0 dB gepegelt. Mein Fireface UFX II zeigte -10,5 dB bei gemessenen 77 dB/c. Das habe ich für unerträglich und hörschädigend empfunden. Ich habe dann wieder auf -45 dB beim Interface runterreguliert... Da stimmt doch was nicht...
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#2.1 - 02.06.2020 um 06:16 Uhr
Hallo Stephan,danke für die Nachricht. So aus der Ferne erkenne ich das auch nicht. Wie im Artikel steht, wenn Du fertig gemischte und vor allem gemasterte aktuelle Produktionen hörst, werden diese deutlich lauter wirken. Der Klang kann dann scharf und bissig werden, besonders bei kleinen Abhören. Auch die Einzelsignale in Channels und Bussen und den gesamten Mix an der Pegel-Obergrenze zu fahren, kann ein wenig viel sein, aber es ist eigentlich nicht der Unterschied, der Ohren wegfliegen lässt. In jedem Fall ist es wichtig, dass Du für Dich ein Level findest, welches Dir auch über die Dauer einer ganzen Session in Ordnung ist.Beste Grüße
Nick Mavridis (Redaktion Recording)
Antwort auf #2 von Stephan
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenRamon sagt:
#2.2 - 11.06.2020 um 19:21 Uhr
Mir fliegen wenn ich das so mache auch danach beim abhören die Ohren raus, zudem hängt alles am Limit. Habe es dann auf 80 dB eingestellt ohne die Referenz Spur vorher auf -20 dB zu stellen. Dann passt auch alles Recht gut.
Antwort auf #2 von Stephan
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenRamon sagt:
#3 - 12.06.2020 um 03:37 Uhr
Wie unten schon beschrieben ist das doch aber auch völlig logisch das da die Ohren weg fliegen, man stellt 80 dB C ein. Stellt aber vorher die Referenz Spur auf -20 dB ein OK, danach arbeitet man weiter und hört ein Track der nah der 0 dB gemastert würde. Dieser erklingt jetzt 20 dB lauter als unser Testsignal, 10 dB ist eine Verdopplung und unsere 20 dB hier eine vervierfachung unsere Lautstärke. 100 dB kommt einer Kreissäge nah. Das definitiv zu laut und nicht zu empfehlen. Irgendwo ist in der Anleitung ein logischer Fehler.
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#3.1 - 12.06.2020 um 13:16 Uhr
Hallo Ramon und alle anderen,erstmal Danke für das Feedback. Ich habe auch noch mal mit einigen Kollegen über das Thema gesprochen und auch im Netz nachgesehen. Unter ähnlichen Artikeln gibt es sogar vergleichbare Kommentare. Dass es reichlich laut ist, wenn man „Loudness War“-gemasterte Produktionen ohne Pegelreduktion abhört, wahrscheinlich in kleineren Räumen mit kleineren Anlagen, ist tatsächlich für die Ohren ein Flugticket mit Destination Rückwand, das ist logisch. Aber: Alle, mit denen ich gesprochen hatte (mittelgroße bis große Regieräume und Abhören allerdings) haben mit -22 bis -18 dBFS Pink Noise einen Pegel von 80 – 86 dB(C) am Abhörort. Das ist dann das „max“-Level beim Abhören. Einschränkungen und Unterschiede sind hier: Das gilt nur während Recording und Mixing, nicht für fertige Produktionen oder das Mastering. Es gilt bei Pegelstruktur in der Session mit ausreichend Headroom, also nicht mit Dunkelorange-Pegeln schon in den einzelnen Kanalzügen und einem Master-Meter, das nur kurz unter Clip bliebt und sich kaum bewegt. Und: Es ist das Maximallevel. Und: Es ist in größeren Räumen mit entsprechenden Abhörsystemen. Mir ist im 16 qm-Raum mit einer Nahfeldsituation dieser Pegel auch zu hoch für durchgängiges Arbeiten, für die typische Level-/Spektrum-Beurteilung bei ordentlichem Pegel kommt das für mich gut hin. Am Abhörort mit Big Beat oder Prog Rock (vor Mastering) bin ich damit bei 75- 80 dB(C). Vollpeglig South of Heaven" (Slayer) oder "Diesel Power" (Prodigy) angespielt, zerplatzen mir fast die Augäpfel – klar. Eine dynamische Klassikproduktion ist da aber hervorragend hörbar (Schnittke C.Grosso 5/BIS). Ich habe aber gemerkt: Bei typischen Standardarbeiten wie dem Editing, aber auch beim Entscheiden von Balance in der Mitte (Snare/Stimme, Stimme/Gitarre etc…) bin ich reichlich leise unterwegs, wie ich gerade beim Messen gesehen habe. Da bin ich typischerweise bei 60 dB(C). In jedem Fall sollte man sich natürlich nicht zwingen, lauter abzuhören, als es einem angenehm erscheint. Es gibt also sehr viele Variablen, die wohl wichtigste Sache ist sicher, sich zwei oder drei Level (Max/Norm/Dim) zu markieren, die man bei ähnlichen Produktionen einhält. Und dass man nicht mit zu hohen internen Pegeln arbeitet und versucht, schon im Mix die Lautheit einer voll gemasterten Referenzproduktion zu erreichen. Das Ziel ist ja eine ausgeglichene Mischung. Aufgrund der Nonlinearität des Gehörs ist eine Beurteilung des gesamten Spektrums bei den genannten Pegeln einfacher, aber auch ich bin der Meinung, dass man durch gutes Kennenlernen der Abhörsituation (und eben auch des -pegels) dennoch ein gutes Bild machen kann. Ich werde das auf jeden Fall mit in den Artikel einfließen lassen, wenn er noch einmal umgebaut wird.Beste Grüße und allen ein schönes Wochenende
Nick
Antwort auf #3 von Ramon
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenRamon sagt:
#3.1.1 - 14.06.2020 um 17:45 Uhr
Vielen Dank für die Ausführliche Antwort erstmal. 100 % verstehe ich aber immer noch nicht, du schreibst: " haben mit -22 bis -18 dBFS Pink Noise einen Pegel von 80 – 86 dB(C) am Abhörort. Das ist dann das „max“-Level beim Abhören" Warum ist das das max Level? meine Spuren stehen ja auch mal auf - 10 -5 oder wie auch immer. Ich hab hier gerade eine Session offen die hat auf dem Masterzug Peak bis -9 db ohne Effekte auf dem Master das dann natürlich lauter als die Pinknoise spur.Dann sollte man sich wohl, wirklich damit arrangieren und von Anfang genug Headroom lassen. Dann dreht man auch nie so viel rein. Für anderen Situation werde ich Gain Pluggins auf den Master legen um schnell zwischen diesen zwei, drei Werten zu wechseln. Mein Referenztrack mach ich eh immer so leise das er nah an meinen kommt.Windows muss dann wo anders runter regeln, damit dann nicht dort die Ohren platzen.
Antwort auf #3.1 von Nick (Redaktion Recording)
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenNick (Redaktion Recording) sagt:
#3.1.1.1 - 16.06.2020 um 08:29 Uhr
Hallo Ramon,diesmal leider nur kurz: Der Artikel ist geupdatet worden, das "max. Level" ist auf einem Foto als "Mix" zu sehen – im Gegensatz zum händischen Dim.Beste Grüße
Nick
Antwort auf #3.1.1 von Ramon
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