Tube-Tech HLT-2A im bonedo-Test – Wer sich schon immer gefragt hat, wieso es manches Tonstudio-Equipment zur Legende geschafft hat, sollte sich den Tube-Tech HLT-2A anhören.
Es handelt sich bei diesem 19-Zoll-EQ um einen spartanisch ausgestatteten Equalizer mit zwei Shelving-Filtern auf Röhrenverstärker-Basis, einem sogenannten passiven Tilt-Filter, je einem Hoch- und Tiefpass und ein paar Bypass-Schaltern.
Das hört sich zunächst nicht nach viel an, aber dennoch reiht sich der HLT-2A klanglich mühelos in die Produktpalette der über alle Zweifel erhabenen High-End-Legenden aus dem vergangenen analog-Zeitalter ein. Dies erwartet man schon bevor man ihn ausgepackt und angetestet hat, denn wenn die dänischen Tube-Tech-Schmiede ein neues, blaues Eisen aus dem Feuer holen, kann man eigentlich davon ausgehen, dass es perfekt verarbeitet ist und dass es außergewöhnlich klingt. Um es vorweg zu nehmen, der Test hat gezeigt, dass man dafür am liebsten endgültig seinen alten 19″-Sampler oder ein paar alte Effektgeräte aus seinem Rack verbannen möchte, um Platz für diesen Analog-EQ zu schaffen – vorrausgesetzt, man besitzt das nötige Kleingeld.
Details
Tube-Tech ist der Spezialist für Röhrengeräte
Die Firma Lydkraft aus Dänemark fing vor rund 25 Jahren unter der Bezeichnung „Tube-Tech“ damit an, legendäres Röhren-Equipment wie den berühmten Pultec-EQ oder den LA2A-Kompressor von Teletronics unter die Lupe zu nehmen. Mit eigens entwickelten, an jene Geräten angelehnten und modernisierten (und somit rauschärmeren) Schaltungen, konnte Firmenmitbegründer John Petersen über die Jahre den guten, alten Analogsound in Form von auffällig ins Auge stechenden, blauen 19-Zoll-Geräten wieder auferleben zu lassen. Lydkraft machte es sich zur Aufgabe, nicht nur EQs oder Kompressoren nachzubauen, sondern brachte im Laufe der Jahre eine ganze Reihe eigener Kombinationen hochwertiger Studiogeräte wie Mic-Pre-Amps, Summing-Amps oder auch komplette Channel-Strips auf den Markt. Mit dem Testkandidaten wagten sie sich an das Konzept einer sogenannten Tilt-EQ-Schaltung heran.
„I’m blue, da-ba-di, da-ba-dei…“
Vom Äußeren her sieht der Tube-Tech seinen Geschwistern zum Verwechseln ähnlich. Er besitzt das markante, RAL-5001-blaue 19″-Gehäuse seiner nächsten Verwandten, an dessen Frontpanel zum Fummeln lockende, große Drehregler sitzen, verziert mit ein paar Kippschaltern und Skalen und der obligatorischen Jewel-Leuchte, die dem Nutzer leuchtenderweise bescheinigt, dass das Gerät eingeschaltet ist. Auf der Rückseite sind natürlich die Ein- und Ausgänge, und daneben thront im separaten Gehäuse das Netzteil. Die Power Supply ist übrigens die einzige Komponente des Tube-Tech HLT-2A, die mit Transistoren ausgestattet ist: Im Signalweg fährt man ausschließlich auf Röhrenreifen.
“Was ist denn da groß drin?”, fragt man sich, wenn man das relativ kleine Gehäuse in Händen hält, und ist versucht, dem Röhrenboliden unter die blaue Haube zu schauen. Wie an Weihnachten fühlt man sich, wenn man die letzte Schraube gelöst hat, und dem Entzerrer in den Bauch schaut. Man erkennt sofort, dass hier kein Kompromiss zugunsten eines massetauglichen Preises eingegangen wurde. Das Platinenlayout, die Aufgeräumtheit, die Bauteile – alles vom Feinsten! Sechs Röhren stecken unscheinbar neben den über alle Zweifel erhabenenen Lundal-Übertragern. Gäbe es ein 19″-Quartettspiel, hätte man mit diesen Bauteilen äußerst gute Karten auf der Hand. Da möchte man doch eigentlich gar nicht länger nur gucken, sondern hören.
Das Anschließen geht schnell von der Hand, zwei mal XLR rein, zwei mal XLR raus, Netzkabel dran, fertig. Keine Clock, kein Synchkabel, kein Toslink, kein AES, kein MADI, kein Ethernet, nein: einfach vier solide, analoge XLR-Anschlüsse. Jetzt ertappe ich mich, wie ich plötzlich kurz an meinen zunächst zum Test verwendeten Standard-Kabeln zweifle. Sind sie gut genug? Soll ich vielleicht doch lieber zu Monster- oder Vovox-Kabel greifen? Nein, muss ich nicht, wie ich später festgestellt habe, denn man hört die Unterschiede auch so schon auf überzeugende Art und Weise.
Funktionen des HLT-2A
Der Funktionsumfang ist überschaubar, aber wie bei vielen, ähnlich gut durchdachten und eventuell minimalistisch gehaltenen Edel-Geräten, ist dies kein Grund zum Jammern. Letztendlich hat man zwei EQs, die man auf ein Stereosignal anwenden kann. Und um die EQs ein wenig bändigen zu können, gibt es das passive Tiltfilter und für unten und oben jeweils ein passives Hoch- und Tiefpass-Filter. Die von mir scheinbar banal mit EQ bezeichneten Filter teilen sich das Frequenzspektrum quasi auf. Ein Low-Shelf für unten, ein High-Shelf, abgerundet durch das Tilt-Filter mit durchschaltbarer Mittenfrequenz.
Die Möglichkeiten der einzelnen Filter
Am Low-Shelf stellt man eine von sechs verschiedenen Grenzfrequenzen ein, die den oberen 3dB-Punkt des Shelvingfilters setzt. Am Gain-Regler lässt sich das Filter rasterlos von -12dB-Absenkung bis +12dB-Anhebung pegeln. A propos rasterlos: Tube-Tech hat übrignes noch für 2015 eine rastende Variante angekündigt, speziell für Mastering-Zwecke. Wir sind gespannt! Zurück zu den Filtern: Das High-Shelf ist aus faktischer Sicht ebenso schnell abgefrühstückt: Fünf Grenzfrequenzen für den unteren Dreh- und Angelpunkt, +/-12 dB Gain.
Das Tilt-Filter kippt den Frequenzgang
Der interessanteste und außergewöhnlichste Bestandteil des HLT-2A ist das sogenannte Tilt-Filter. Hier handelt es sich um ein passives Filter, welches das Frequenzspektrum wie eine Wippe um einen Achsenpunkt im Mittenbereich kippen lässt. In welchem Maße dies geschieht, ist anhand der Skala am Regler abzulesen. Verstärkt man die Frequenzen oberhalb einer der drei wählbaren Grenzfrequenzen (aka Achsenpunkte), werden die Frequenzen unterhalb der Grenzfrequenz abgesenkt, nicht einfach mit getauschten Vorzeichen etwa, sondern in einer vorgegeben Kurve. Kurzum: Hebt man die hohen Frequenzen per Rechtsdrehung des Reglers an, werden gleichzeitig aber auch die tiefen Frequenzen abgesenkt. Dreht man den Gainregler nach links, so verstärkt man die Frequenzen unterhalb der Grenzfrequenz, senkt aber gleichzeitig die hohen Frequenzen ab. Auf gut Deutsch: Verstärke ich die Höhen, werden die Bässe abgesenkt. Das Signal wird höhenreicher und schlanker. Verstärke ich die Bässe, werden die Höhen abgesenkt. Der Sound wird wärmer. Wer sich nun wundert und fragt warum dies so gemacht wurde, dem kann ich keine bessere Erklärung liefern als die Tatsachen, dass es kinderleicht zu bedienen ist und einfach grandios klingt! Neu ist das nicht: Tilt-Filter finden wir beispielsweise bei Tonelux, wie hier im Sidechain eines Kompressors oder hier als Plug-In.
HPF und LPF
Es gilt zudem noch verbleibenden beiden Filter zu würdigen, und zwar die Hoch- und Tiefpassfilter. Dass man die hohen und die tiefen Frequenzen verstärken kann ist gut und recht, aber in vielen Fällen macht es Sinn, diese Verstärkungen in Zaum zu halten, und genau dies gelingt mit den resonanzfreien, passiven Low- und High-Cuts. Wenn man beispielsweise einer Gesangsspur den nötigen Höhenglanz geben möchte, ist es vielleicht manchmal hilfreich, nicht auch das Rauschen in höheren Frequenzen zu verstärken, die man nicht hören möchte. Schon behilft man sich mit dem ansässigen High-Cut. Oder wenn man einem Kontrabass einen schönen, warmen Bass-Sound geben möchte, aber nicht unbedingt den tiefbassigen Schlag auf den Holzkorpus mit anheben möchte, so bedient man sich eben den Highpasses.