Reverb, also Hall, und Delay gehören zu den meistgenutzten Effekten beim Mixdown. Ihre Verwendungsmöglichkeiten sind vielseitig. Wenn man gerade erst in die Grundlagen der Musikproduktion einsteigt – vielleicht, weil man sich ein Heimstudio einrichtet oder einen Tontechnik-Kurs besucht – können sie deshalb zunächst etwas verwirrend wirken.
Ein Teil des Problems liegt sicherlich in der großen Bandbreite von Geräten, die diese Effekte erzeugen können, und ihren oft undurchschaubaren Einstellmöglichkeiten. Zum Glück gibt es viel Lesestoff, der diese technischen Details entmystifiziert, zum Beispiel im Online-Artikelarchiv von Sound on Sound. Außerdem haben die heutigen Effektgeräte in der Regel jede Menge Presets, sodass man als Einsteiger nicht so tief in die algorithmischen Details eintauchen muss – und ehrlich gesagt glaube ich, dass man durch Auswählen und Anpassen eines Presets in der Regel schneller zum Ziel kommt, als wenn man jeden Effektparameter selbst einstellt.
In meinen Augen ist es am Anfang die größere Schwierigkeit, die grundlegenden, praktischen Fragen zu klären: Wie viele Effekte sollen verwendet werden, welche Effekte sollen auf welchen Spuren zum Einsatz kommen und in welcher Stärke? In diesem Artikel werde ich versuchen, einen Teil dieses Ratespiels zu lösen, indem ich eine praktische, allgemeine Herangehensweise an den Gebrauch von Reverb und Delay im Mix aufzeige. Außerdem werde ich euch ein paar Tipps geben, worauf man beim “Surfen” durch Hall-Presets achten sollte, und die wichtigsten Effektparameter und Techniken erklären. Weil man mit Worten beim Beschreiben von Mix-Techniken irgendwann an Grenzen stößt, habe ich einige Hörbeispiele zusammengestellt, sodass ihr euch selbst ein Bild davon machen könnt, wie wirksam ihr die vorgeschlagenen Methoden findet.
Delay und Reverb sind beides Effekte, mit denen man dem Mix die Charakteristiken einer akustischen Umgebung hinzufügen kann, entweder durch einfache Echos oder durch die Simulation komplexer Schallreflexionen. Sie sind deshalb so wichtig, weil die einzelnen Spuren einer modernen Mehrspurproduktion in der Regel nur wenig Raumklang enthalten und kaum Raumgefühl kommunizieren. Ohne Delay und/oder Reverb klingen die Signale oft etwas “fehl am Platz” und erwecken nicht den Anschein, als gehörten sie zur gleichen Aufnahme.
Egal, ob man mit Hard- oder Software arbeitet: Hall und Delay werden zumeist als Send-Effekte eingesetzt. Auf diese Weise kann man die erzeugte Raumillusion auf mehrere Spuren anwenden. Bei vielen Studioproduktionen werden mikrofonierte Instrumente sehr nah abgenommen, um den Raumklang zu reduzieren. Die Entscheidung über die gewünschte akustische Räumlichkeit der Produktion braucht dann erst im Mixdown getroffen zu werden.
Der Hauptzweck von Reverb und Delay ist es, mehreren Spuren ähnliche akustische Charakteristiken zu geben und sie dadurch miteinander in Einklang zu bringen. Darum soll es in diesem Artikel gehen. Natürlich gibt es viele weitere, kreative Einsatzmöglichkeiten für Hall und Delay, aber diese spielen in den meisten Mixes eher eine Nebenrolle (abgesehen davon, dass sie immer Geschmackssache sind) und tun einem Mix auch nicht gut, wenn der Gesamtzusammenhang nicht stimmt.
Send-Effekte und Mischungsverhältnis
Es geht also darum, verschiedene Spuren in eine gemeinsame akustische Umgebung einzubetten. Deshalb ist es sinnvoll, die Plug-Ins oder Hardware-Effektgeräte so einzubinden, dass der Effekt mehreren Spuren gleichzeitig zugewiesen werden kann. Dies geschieht in Hardware und Software auf eine ganz ähnliche Art und Weise. Zuerst wird der Ausgang des Effektgeräts an einen freien Stereo-Eingang des Mixers angeschlossen. Dann erstellt man einen separaten Mix der Spuren speziell für den Effekt und schickt ihn an den Eingang des Effektgeräts. Das bearbeitete Signal wird dann dem Mix wieder hinzugefügt. Indem man die Anteile der verschiedenen Spuren im sogenannten “Send-Mix” verändert, kann man bestimmen, wie stark sie jeweils mit dem Effekt versehen werden.
Hardware-Mixer haben dafür in jedem Kanalzug sogenannte Aux-Send-Regler. Sie ermöglichen das Erstellen einer Reihe von unabhängigen Send-Mixes, die jeweils über eine eigene Ausgangsbuchse ausgegeben werden. Über die verschiedenen Aux-Ausgänge des Mischpults kann man mehrere Effektgeräte gleichzeitig betreiben – vorausgesetzt, es stehen genügend freie Eingänge für die Return-Signale zur Verfügung. In Software-Mixern muss normalerweise zuerst ein Kanal erzeugt werden, der das Effekt-Plug-In enthält, das man dann über die Send-Regler in den einzelnen Kanalzügen mit Signalen versorgen kann. Auf genau diese Weise habe ich in Reaper die Klangbeispiele zu diesem Artikel erzeugt.
Unabhängig davon, mit welchem System man arbeitet, sollte man zwei Dinge beachten, damit diese Konfiguration richtig funktioniert. Zum einen sollte das Effektgerät nur das Effektsignal ausgeben und nicht eine Mischung aus dem unbearbeiteten und dem bearbeiteten Signal. Sonst verändert man durch das Drehen an den Send-Reglern auch die Gesamtlautstärke der betreffenden Spuren im Mix. Einige Effektgeräte haben getrennte Regler für das Effektsignal (wet) und das unbearbeitete Signal (dry), während andere einen Balance-Regler besitzen, mit dem man das Verhältnis einstellen kann. In letzterem Fall muss der Regler auf 100% wet gestellt werden, damit kein unbearbeitetes Signal durch das Effektgerät gelangt.
Außerdem sollte man sicherstellen, dass die Aux-Send-Signale nach den Kanalfadern abgegriffen werden – mit anderen Worten: Man sollte “Post-Fader-Sends” verwenden. Auf diese Weise wird der Effektanteil für eine Spur entsprechend angepasst, wenn man einen Kanalfader bewegt. Würde man einen “Pre-Fader-Send” verwenden, so könnte man den Kanalfader ganz herunterziehen und würde trotzdem noch das Effektsignal hören. Das ist normalerweise unerwünscht, außer für gelegentliche Spezialeffekte.
Reverb-Presets auswählen
Wenn die Verbindungen stehen, ist es Zeit die Effekte selbst zu betrachten. Zunächst soll es darum gehen, wie man einen Mix mit Hilfe von Reverb homogener machen kann. Als Mixing-Einsteiger hat man genügend andere Probleme zu lösen, als sich mit der Programmierung eines Reverbs von Grund auf zu beschäftigen, sodass ich auf jeden Fall empfehlen würde mit Presets zu arbeiten. Aber auch so muss man sich noch für den richtigen Effektprozessor und das richtige Preset für die jeweilige Aufgabe entscheiden. Hier kommen ein paar Tipps dazu.
Mein erster und wahrscheinlich nützlichster Ratschlag: Ignoriert die Preset-Namen und versucht stattdessen, euch den Raum vorzustellen, den der Mix einnehmen soll. Wenn es nicht gerade ein Klang aus einer anderen Welt sein soll, kann es helfen, an real existierende Räumlichkeiten zu denken. Ein Reverb, der schon die richtige akustische Signatur mitbringt, kann meistens mit ein paar Handgriffen im Klang und in der Länge angepasst werden, während eine falsche Entscheidung bei dieser Frage im Mix oft nicht mehr ausgebügelt werden kann. Ich probiere oft mehrere Dutzend verschiedene Presets aus, bis ich eines finde, das sich instinktiv nach dem richtigen für den Mix anfühlt. Nehmt euch Zeit für diesen Prozess!
Neben dieser eher schwer in Worte zu fassenden Entscheidung gibt es noch ein paar andere, bodenständigere Dinge zu bedenken. Wenn ihr die Wahl zwischen mehreren Effektgeräten oder Plug-Ins habt, vermeidet solche, die einen metallischen Klang erzeugen, besonders auf Drum-Spuren. Die nächsten beiden Hörbeispiele zeigen, was ich damit meine. Reverb 1 erzeugt ein metallisches “Klingeln”, während sich der zweite Hall (auch wenn er noch längst nicht perfekt ist) in dieser Hinsicht etwas besser verhält und sich im Mix wahrscheinlich als brauchbarer erweisen würde. Das Problem metallischer Resonanzen ist, dass die Obertöne stark hervortreten, was den Mix färbt und den Effekt zu offensichtlich macht. Reverbs mit einem resonanten Charakter haben sicherlich ihre Berechtigung, in der Regel liegt sie aber eher in anderen, spezielleren Anwendungen, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würden.
(Wenn ihr genau hinhört, werdet ihr zudem feststellen, dass Reverb 1 während des Ausklangs zu einer Seite des Stereobilds wandert, was ebenfalls nicht ideal ist.)
Ein weiteres, grundlegendes Kriterium bei der Suche nach Reverbs zum “Zusammenkleben” einer Mischung ist es, solche zu vermeiden, die starke Betonungen am oberen oder unteren Ende des Frequenzspektrums aufweisen. Weder sehr hohe noch sehr tiefe Frequenzen sind hilfreich dabei, einen Mix homogen wirken zu lassen. Erstere lassen den Reverb selbst zu stark hervortreten, während letztere den “Punch” im Bassbereich stören können, einem Bereich, in dem eine saubere Definition normalerweise sehr wichtig ist.
Reverbs einstellen: An welchen Reglern man drehen sollte
Mit etwas Glück habt ihr ein Reverb-Preset ausgewählt, das perfekt zu eurem Track passt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass kaum ein Preset dem Mix auf Anhieb gerecht wird, und ich drehe beim Mischen meistens noch an verschiedenen Reglern, um es anzupassen. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es unter den zahlreichen üblicherweise einstellbaren Reverb-Parametern einige gibt, die beim Anpassen sehr viel effektiver sind als andere. Hier sind ein paar Tipps.
Am wichtigsten ist die richtige Balance zwischen der Länge des Halls und seinem Level auf den verschiedenen Spuren der Mischung. Bei den meisten Mixes, die ich zur “Rettung” bekomme, wurde diese Balance nicht richtig getroffen – entweder ist der Reverb zu lang, sodass man ihn nicht laut genug machen kann, ohne den gesamten Mix zu verwässern, oder er ist zu kurz, sodass man keinen vollen Klang erreichen kann, ohne die einzelnen Spuren bis hinter den Horizont zu rücken. Fast jedes Hallgerät hat eine Einstellmöglichkeit für die Länge des Halls (oft heißt sie “Decay Time” oder “Reverb Time”) und man sollte mit verschiedenen Längen experimentieren und dabei gleichzeitig den Return-Fader bewegen, um die richtige Balance zwischen diesen beiden Parametern zu finden. Ich komme oft gegen Ende einer Mischung zu dieser Einstellung zurück, weil die Entscheidung schwierig sein kann, solange die Effektanteile für die einzelnen Spuren noch nicht festgelegt sind.
Die nächsten Klangbeispiele zeigen, wie die Länge eines Halleffekts die “Fülle” der Mischung beeinflussen kann – die Effektanteile wurden dabei zwischen den einzelnen Beispielen nicht verändert. Durch den kurzen Hall im ersten Beispiel lässt der Mix etwas Wärme vermissen. Im zweiten Audio-File wurde die Länge des Halls übertrieben, wodurch die Details verwaschen werden und die Mischung unnatürlich klingt. Das mittlere Setting im dritten Beispiel ist eine Balance zwischen diesen beiden Extremen und klingt im Ergebnis am besten. Im vierten File hört ihr den Abschnitt zum Vergleich ganz ohne Reverb, wodurch deutlich wird, wie der Hall zur Bindung der Mischung beiträgt.
Als nächstes justiere ich meistens den Frequenzgang des Halls, damit er besser zum Song passt. Während viele Hallgeräte eigene, eingebaute Equalizer besitzen, ziehe ich es vor, den Hall im Return-Weg mit einem nachgeschalteten, externen EQ zu bearbeiten. In aller Regel schneide ich mit einem Hochpassfilter bei etwa 100-300 Hz einen Teil der tiefen Frequenzen weg, einfach weil es dadurch leichter wird, den “Punch” von Kickdrum und Bass beizubehalten. Auch hohe Frequenzen senke ich oft ab, entweder mit einem Tiefpassfilter oder einem High Shelf. Dadurch erreicht man einerseits, dass sich der Hall nicht so sehr als künstlich hinzugefügter Effekt in den Vordergrund spielt (insbesondere bei Gesangs-Konsonanten und hochfrequenter Percussion). Andererseits hat das den psychologischen Effekt, dass der Hall weiter weg klingt als die helleren, trockenen Klänge.
Neben dem Absenken der höchsten und tiefsten Frequenzen kann es sehr sinnvoll sein, die Tonalität des Halls noch detaillierter mit einem EQ zu modellieren – etwa, wenn sie dem Mix unerwünschte Färbungen hinzufügt. Auch wenn der Hall kaum merklich hervortreten soll, aber dennoch laut genug sein muss um die Instrumente effektiv “zusammenzukleben”, kann man so verfahren. Wenn der Reverb eine Frequenz betont, die sonst im Mix nicht prominent vertreten ist, kann er zu aufdringlich werden, bevor er seinen Zweck erfüllt. Ein paar gezielte EQ-Absenkungen im Reverb-Return können das Ergebnis deutlich verbessern – insbesondere, wenn das Ziel ein durchsichtiger Gesamtsound mit einem guten Zusammenhalt ist.
Um dies zu demonstrieren, habe ich den gleichen Halleffekt wie in den letzten Beispielen verwendet und die angesprochenen EQ-Bearbeitungen vorgenommen (Reverb EQ Full). Dann habe ich einzelne Bänder des EQs abgeschaltet, um ihren Effekt deutlich zu machen: ein Hochpassfilter bei 240 Hz, ein sehr sanftes Tiefpassfilter bei etwa 7 kHz und eine Peak-Absenkung von 5 dB in einem Bereich von einer Oktave bei 580 Hz.
Der dritte Reverb-Parameter, an dem ich normalerweise Veränderungen vornehme, ist das Pre-Delay, welches das Einsetzen der Hallreflexionen um einen einstellbaren Wert verzögert. Je länger das Pre-Delay ist, desto näher wirken die Instrumente im Verhältnis zu den Wänden des simulierten Raumes. Manche Hallgeräte haben keine Einstellmöglichkeit für das Pre-Delay oder einen Standardwert von Null, und wenn man daran nichts verändert, rückt der Hall die Schallquelle(n) psychologisch vom Zuhörer weg. Das ist aber nicht der einzige Grund: Die beinahe zeitgleichen Reflexionen eines Halls ohne Pre-Delay können auch auf unvorhersehbare Weise mit den trockenen Sounds interagieren, wodurch unerwünschte Effekte oder Klangverfärbungen auftreten können. So kann ein sofort einsetzender Hall die Sprachverständlichkeit des Gesangs verschlechtern, weil er wichtige Konsonanten verwäscht. Alle diese Probleme sehe ich regelmäßig beim “Retten” von Mixes, weil das Pre-Delay ignoriert wurde. Selbst wenn das verwendete Hallgerät keinen Pre-Delay-Parameter besitzt, sollte man sich damit beschäftigen – etwa indem man vor dem Hall noch ein Delay einsetzt.
Vergleicht einmal die nächsten beiden Hörbeispiele. Im ersten Beispiel beträgt das Pre-Delay 35 ms, während es im zweiten Beispiel deaktiviert wurde. In meinen Ohren klingt das zweite Beispiel so, als würde die Sängerin einen Schritt zurück gehen und undeutlicher singen.
Der Lange und der Kurze
Um einen Mix aus einem Guss klingen zu lassen – so als ob die Instrumente sich alle im gleichen Raum befänden – läge es eigentlich nahe, einen einzigen, globalen Hall zu verwenden. Da die Auswahl und Einstellung dieses einen Reverbs dann aber umso sensibler und komplizierter wird, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man mit zwei verschiedenen Reverbs meist schneller zu hörenswerten Ergebnissen kommt.
Die beiden Reverbs dienen verschiedenen Zwecken und können miteinander kombiniert werden, um verschiedenen Elementen im Mix gerecht zu werden. Der erste Hall sollte kurz sein (normalerweise deutlich unter einer Sekunde) und ein kurzes Pre-Delay von vielleicht 5-10 ms besitzen. Er dient dazu, die Bestandteile der Mischung “zusammenzukleben” und die Entfernung der einzelnen Elemente zum Zuhörer zu definieren, ohne als künstlich hinzugefügter Effekt hörbar zu werden. Einige Mixing-Engineers sprechen daher bei einem solchen Effekt von “Ambience” (Umgebung) statt Reverb. Der zweite Hall erzeugt eine deutlich wahrnehmbare Illusion eines Raumes und kann länger und evtl. heller als der erste sein. Damit er die Elemente, auf die er angewendet wird, nicht zu weit vom Hörer entfernt, sollte er ein längeres Pre-Delay von etwa 30-70 ms aufweisen.
Mit diesen beiden Reverbs hat man dann für verschiedene Situationen die richtigen Werkzeuge zur Hand. Zum Beispiel kann man eine Synthesizer-Spur, die in den Hintergrund gehört, mit einer größeren Dosis vom kurzen Hall weit weg vom Hörer platzieren. Der Lead-Gesang bekommt hingegen nur gerade so viel davon, dass er sich gut in die Mischung einfügt. Man könnte auch damit experimentieren, dem Gesang gar nichts vom kurzen Hall zu geben, aber dann kann es passieren, dass er “aus dem Mix fällt”. Beide Spuren könnten aber etwas von dem langen Hall gebrauchen, damit sie natürlich zusammen klingen.
Ein anderes Beispiel: Drum-Overheads, die mit viel Raumklang aufgenommen wurden, benötigen häufig überhaupt keinen zusätzlichen Hall (man kann aber versuchen, den Klang des längeren Reverbs ähnlich dem Raumklang auf den Mics zu gestalten, damit andere Elemente besser im Kontext funktionieren). Indem man einigen der Close-Mics der Drums etwas vom kurzen Hall gibt, kann man vermeiden, dass sie sich im Mix zu sehr in den Vordergrund drängen. Ein getriggertes Drum-Sample wird hingegen eine vorsichtig ausbalancierte Mischung beider Reverbs benötigen, damit es sich in den Gesamtzusammenhang des Drumkits einfügt: Der kürzere Hall platziert es in der Tiefe des Raums, während der längere Hall die Illusion erzeugen kann, es wäre im gleichen Raum wie das Drumkit aufgenommen worden.
Beide Reverbs werden sicherlich etwas Anpassung benötigen, damit sie zum Track passen, aber wenn man sich auf ihre jeweiligen Aufgaben konzentriert, kann dabei recht wenig schief gehen. Wenn es mit dem kürzeren Hall nicht gelingt, Spuren zusammen zu schweißen, ohne dass er im Mix zu hörbar wird, kann man seine Nachhallzeit weiter reduzieren oder den Hall mit einem EQ bearbeiten, bis es passt. Wenn der längere Hall dazu führt, dass Elemente sehr weit weg klingen, kann man die hohen Frequenzen etwas absenken und ihn dadurch dezenter machen. Wenn er den Mix verschwimmen lässt, sollte man die Balance von Level und Länge anpassen oder mit einem Hochpassfilter die tiefsten Frequenzen absenken.
Um dieses Setup aus zwei Reverbs in der Praxis zu zeigen, habe ich einen Roughmix des Chorus unseres kleinen Demo-Projekts gemacht, in dem beide Effekte zum Einsatz kommen. In den beiden weiteren Beispielen hört ihr nur den kurzen oder nur den langen Hall, wodurch deutlich wird, was sie jeweils zum Gesamtsound beitragen. Zum Vergleich folgt am Schluss der gleiche Abschnitt ganz ohne Reverb.
Wie viel und auf welchen Spuren?
Viele Engineers sehen grundsätzlich davon ab, die Bassdrum und den Bass mit Hall zu versehen, um Klangbrei im niedrigen Frequenzbereich zu vermeiden. Wer sich jedoch zu eisern daran hält, riskiert das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wenn etwas Reverb dabei hilft, diese Instrumente in den Gesamtkontext der Mischung einzubetten, dann kann das durchaus eine gute Sache sein – wenn man den Bassbereich des Hallsignals mit einem EQ im Zaum hält.
Eine Sorte Signal, auf die ich nur sehr selten Reverb gebe, sind Synthesizer-Pads im Hintergrund. Sie fügen sich meist ohne weiteres Zutun in den Mix ein – und weil sie sowieso schon eine homogene Fläche aus Klang bilden, sind selbst große Mengen Reverb darauf kaum wahrnehmbar. Das einzige, was Hall auf solchen Sounds bewirkt, ist eine Verzögerung im Timing. Wenn ein Synth-Pad im Mix zu sehr hervorsticht, ist es wirksamer, die Höhen mit einem EQ etwas abzusenken.
Das Wichtigste, was man über die Verwendung von Hall sagen kann, ist vielleicht: Es ist fast immer besser, eher etwas zuwenig als zuviel Hall zu verwenden. Das gilt vor allem, wenn der Mix später mit Mastering-Dynamikprozessoren bearbeitet werden soll, die Hallfahnen häufig stärker hervortreten lassen. Wenn nicht gerade ein offensichtlicher Spezialeffekt gewünscht ist, ist es eine gute Faustregel, gerade so viel Hall hinzuzufügen, dass man ihn erst bewusst wahrnimmt, wenn man den Return-Kanal stummschaltet – also wenn der Hall plötzlich fehlt. Auf diese Weise stellt man sicher, dass er lediglich unterstützend wirkt und die trockenen Signale nicht überschwemmt.
Ein anderer nützlicher Trick, den bekannte Engineers wie Geoff Emerick und Alan Parsons vorgeschlagen haben, ist es, die wichtigsten Spuren im Mix – also zumeist Drums, Bass und Lead Vocal – vorübergehend zu muten. Dadurch kann man deutlicher hören, ob es ungünstige Reverb-Verhältnisse zwischen den Backing-Spuren gibt.
Einen Mix mit Delays zusammenkleben
Delay ist ein viel simplerer Effekt als Reverb – meistens braucht man nur die Delayzeit (die Zeit zwischen den Echos) und das Feedback Level (die Zahl der Echos) einzustellen und das war’s schon. Vielleicht liegt es an dieser Einfachheit, dass so viele Musiker das Delay beim Mischen zu ignorieren scheinen, oder daran, dass sie keine störenden Echo-Effekte haben möchten. Das ist schade, denn ein Delay ist fast genauso nützlich zum “Zusammenkleben” von Instrumenten im Mix wie ein Reverb. Für moderne, relativ trockene Produktionen ist es auf eine gewisse Weise sogar nützlicher, denn es erzeugt Zusammenhalt ohne eine offensichtliche Hallfahne. Dadurch bleiben die einzelnen Signale vorne und eigenständig und behalten eine gewisse “Rauheit”. Im Endergebnis klingt der Mix oft klarer, weil ein Delay im Gegensatz zum Reverb nicht alle Lücken im Stereobild schließt.
Obwohl es viele Anwendungsbereiche für Mono-Delays gibt, liefern Stereo-Delays bei solchen subtilen Bindungsaufgaben die transparentesten Resultate. Wenn man einen gepannten Mono-Track oder einen Stereo-Track zum Delay-Kanal schickt, sollten die Echos an den gleichen Stereo-Positionen zurückkommen. Bei Hardware-Setups ist das auch mit einem Stereo-Delay manchmal gar nicht so leicht zu bewerkstelligen, weil nur sehr wenige Hardware-Mischpulte über Stereo-Sends verfügen. Also muss man notfalls mit zwei getrennten Send-Wegen für den linken und rechten Delay-Kanal arbeiten und sie vorsichtig ausbalancieren, um das Stereobild beizubehalten. Mit Software geht das normalerweise etwas einfacher, aber man sollte sich trotzdem vergewissern, dass alles so funktioniert wie beabsichtigt.
Wie beim Reverb könnte man auch mit einem einzelnen Delay arbeiten, um den Mix zusammenzuhalten. Auch hier kommt man nach meinem Empfinden aber schneller zu guten Ergebnissen, wenn man zwei Delays verwendet. Das erste Delay sollte ein kurzes “Slapback”-Echo sein, mit 50-100 ms Delay-Zeit und ganz ohne Feedback. Das zweite ist ein längeres Delay mit etwas Feedback und einer zum Songtempo synchronisierten Delay-Zeit. Das kurze Delay wird ähnlich wie der bereits beschriebene kurze Hall verwendet. Bei perkussiven Signalen sollte man es allerdings sparsam einsetzen, weil es sonst zu unschönen Flam-Effekten kommen kann, die den rhythmischen Puls des Tracks stören. Mit seiner temposynchronen Delay-Zeit fügt sich das längere Delay auf eine sehr transparente Weise in den Mix ein und erzeugt eine ähnliche Wärme und Tragkraft wie der längere Hall, ohne dass ein echter Raumeindruck entsteht.
Ähnlich wie Reverbs können auch Delays vom sorgfältigen Gebrauch eines EQs profitieren. Dabei gelten die gleichen Prinzipien wie beim Reverb.
Die nächsten Beispiele zeigen, wie Delays im Vergleich zu Reverbs eine andere “Geschmacksrichtung” von Räumlichkeit bieten. Ihr hört wieder eine Reihe von Roughmixes des Chorus, aber nun mit Delays statt Reverbs.
Alles zusammen
Viele professionelle Mixing-Engineers arbeiten mit einer Reihe von Standard-Effekten, die sie oft schon einstellen, bevor sie überhaupt mit dem Mischen beginnen. Die Erfahrung lehrt sie, welche Effektgeräte und Settings immer wieder verlässlich die gewünschten Ergebnisse geliefert haben. Die vier Effekte, die ich hier beschrieben habe, sind als solche “Allzweckwaffen” für Mischungen in vielen Stilrichtungen gedacht und lassen sich gemeinsam verwenden. Wenn die Aufnahme schon lebendig klingt und hauptsächlich “Bindemittel” gefordert ist, kommen eher der kürzere Reverb und das Slapback-Delay zum Einsatz. Die längeren Varianten sind zum Beispiel gefragt, wenn mehr Räumlichkeit benötigt wird um einer Pop- oder Electronica-Produktion Leben einzuhauchen. In einem Mix, der schon den nötigen Raumcharakter hat, aber noch Resonanz und “Fülle” vermissen lässt, könnten die Delays das Werkzeug der Wahl sein.
Um zu zeigen, wie diese vier Effekte zusammen passen können, habe ich den Abschnitt noch einmal gemischt und dabei alle vier verwendet.
Ein wichtiger Aspekt fehlt noch: Bei kaum einer modernen Produktion bleiben die Effekt-Levels über die gesamte Länge des Songs konstant, sondern passen sich Änderungen im Arrangement an und unterstützen die Dynamik und den Fluss des Tracks. Also sollte man nicht erwarten, dass die Reverb- und Delay-Einstellungen für den Chorus ohne Anpassung auch in den Strophen funktionieren. Um dies zu zeigen, habe ich drei längere Audio-Beispiele erstellt, die den Chorus und eine Strophe des Demosongs beinhalten. Im ersten Beispiel habe ich in der Strophe einfach die Settings aus dem Chorus weiterbenutzt und es fällt auf, dass die Effekte im sparsameren Arrangement etwas zu dominierend wirken. Das lässt sich leicht beheben, indem man die Levels der beiden Delays und des längeren Halls mit der Mixer-Automation herunter regelt, wie es im zweiten Beispiel zu hören ist. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Vorgehensweise ist, dass der nächste Chorus breiter klingt und “aufgeht”, wenn die Effektanteile wieder nach oben gebracht werden. Zum Vergleich hört ihr im dritten Beispiel wieder die trockene Version ohne Effekte.
Wie immer gilt auch für den Einsatz von Reverb und Delay: Übung macht den Meister! Probiert das Vier-Effekt-Setup, das ich hier beschrieben habe, in euren eigenen Mixes aus und experimentiert damit. Mit etwas Übung werden eure Ohren auch feinste Details einer Mischung wahrnehmen, sodass ihr die Effekteinstellungen für jede Spur erfolgreich treffen könnt.