Mehrstimmige Melodieführungen auf der Gitarre sind ein festes Stilmittel vieler Rockbands, von Classic Rock bis hin zu modernem Metal. Und manchmal prägen sie den Bandsound so nachhaltig, dass man manche Vertreter unweigerlich mit dieser Spielweise assoziiert, denkt man beispielsweise an Iron Maiden oder Wishbone Ash.
Sicherlich haben sich einige unter euch auch schon gefragt, wie diese zweistimmigen Parts entstehen und wie man ein solches Solo überhaupt angehen sollte. Ein Grund mehr, die heutige Folge diesem Thema zu widmen und einige Grundlagen kennenzulernen.
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Mehr InformationenRein theoretisch entspringen Gitarrenharmonien der Tonart, in der sich das Stück bewegt. Deshalb ist die fundamentale Kenntnis unserer Tonleitern ohne Zweifel hilfreich, will man wissen, wie zu einer Melodielinie eine zweite Stimme aufgebaut werden kann.
Den Anfang sollte allerdings eine überzeugende Melodie machen, die bereits einstimmig gut klingt. Ist das der Fall, wirkt sie zweistimmig um so besser.
Als nächstes wählen wir ein Intervall, das wir entweder über diese Melodie setzen oder auch darunter. Da ein zwei- oder dreistimmiger Part letztendlich nichts anderes ist als Akkorde, die in Melodiegeschwindigkeit “vorbeiziehen”, bieten sich manche Intervalle mehr und manche weniger an. Das bedeutet zwar, dass Intervalle, die in Akkorden und deren Umkehrungen vorkommen, besonders harmonisch klingen, aber trotzdem noch lange nicht, dass deshalb nicht auch andere funktionieren können.
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1. Parallele Harmonien
Betrachten wir zunächst ein paar Intervalle und hören uns deren Klang an. Hier seht ihr die oben genannten Intervalle, wie sie uns in Akkorden begegnen, nämlich Terzen, Sexten, Quarten und Quinten. Terzen/Sexten und Quarten/Quinten haben untereinander eine sehr ähnliche Färbung, da sie Umkehrungen voneinander sind – von c nach e erhalten wir eine Terz, von e nach c´ eine Sexte. Die einzigen Intervalle, die uns hier fehlen, sind die Sekunde und die Septime. In den folgenden Beispielen hört ihr jeweils eine G-Dur-Tonleiter, die ich parallel, also immer mit dem gleichen Intervall darüber harmonisiert habe:
Terzen
Terzen sind das Geheimrezept der Zweistimmigkeit und finden sich in vielen harmonisierten Lines wieder. Als Eselsbrücke könnt ihr euch merken: Einfach die Line zwei Töne weiter in der Tonleiter beginnen!
Sexten
Sexten sind von der Stimmung her auch sehr harmonisch, reißen jedoch einen größeren Intervallsprung auf:
Quarten
Quinten
Wie ihr vielleicht hört, klingen Terzen und Sexten sehr lieblich, wohingegen Quarten und Quinten etwas sehr statisches und “mittelalter-mäßiges” bekommen, was wir uns jedoch auch zunutze machen können.
Pentatonisch
Haben wir uns bei folgenden Beispielen innerhalb der Dur-Tonleiter bewegt, können wir auch die Pentatonik als eine tolle Quelle für zweistimmige Ideen nutzen. Man könnte z.B. eine Pentatonik aufwärts spielen und als zweite Stimme einfach das übernächste Pattern verwenden.
Hier hört ihr die Am-Pentatonik in Lage V und dann als Harmonie in Lage X.
Auch als Ostinato über mehrere Akkorde bieten sich pentatonische Riffs gut an:
2. Zweistimmigkeit an die Akkordfolge angepasst
Vielleicht fällt euch auf, dass es stellenweise etwas seltsam klingt, wenn immer nur dasselbe Intervall angewendet wird, besonders am Anfang eines Taktes oder wenn es zu einem länger ausklingenden Ton kommt. Falls das so ist, hat das häufig damit zu tun, dass eure zweite Stimme kein sonderlich harmonischer Ton, ja eventuell sogar eine “avoid note” zu dem jeweiligen Akkord ist. Ist das der Fall, dürft ihr gerne eure Intervalllogik etwas aufbrechen und ein anderes Intervall für diese Stelle nehmen.
Im folgenden Beispiel hört ihr zwei Varianten einer Terzharmonie über Am – Em. Die erste löst sich etwas unglücklich auf, wohingegen die zweite durch das Ausweichen auf eine Quarte am Ende wesentlich harmonischer klingt:
3. Specials
Selbstverständlich gibt es auch ein paar besondere Fälle der Zweistimmigkeit, die ich euch nicht vorenthalten will. Hier finden auch ein paar schräge Intervalle und Sekundreibungen ihren Platz, die jedoch gut aufgelöst sehr wirkungsvoll sein können.
Der Pedalton:
Dabei bleibt eine Gitarre auf einer Note stehen, während die andere eine Bewegung spielt, die sich an manchen Stellen zwar etwas reibt, aber insgesamt gut klingt:
Der Kontrapunkt
Beim Kontrapunkt haben wir zwei Melodien, die jedoch in unterschiedliche Richtungen laufen. Hier z.B. eine Line über Em. Beide Stimmen beginnen auf dem E:
“Böse” Harmonien
Wollt ihr einen etwas sinistren, gruseligen Sound, bieten sich Chromatik und natürlich der Tritonus als das “Black Metal”-Intervall schlechthin an:
Mit all diesen Tipps wollen wir euch Anhaltspunkte und Faustregeln an die Hand geben, wie ihr zweistimmige Parts entwickeln könnt, die in jedem Fall funktionieren. Welche Melodien ihr wie umsetzt, solltet ihr jedoch in allererster Linie von eurem Gehör entscheiden lassen.
Habt keine Angst vor schrägen Sounds, vor Chromatik und Sekundreibungen, denn manchmal besitzen solche Momente einen sehr schönen Charme. Und immer daran denken: Erlaubt ist, was gefällt!
Und damit viel Spaß bei den zweistimmigen Harmonien!