Stimmgewaltige Gruppen wie die Beatles, Crosby, Stills, Nash & Young, Eagles, Tremoloes und viele andere produzierten in den 60er und frühen 70er Jahren vor allem mit ihrem homogenen Chorgesang einen fulminanten Sound, der auch ohne fettes Hammond- oder Synthesizerfundament tragfähig war. Aber auch wenn es in diesen frühen Jahren einige solcher Bands gab, waren sie die Ausnahme, denn nicht jede Gruppe konnte gleich drei oder vier gute Sänger aufbieten. Beim Gros der Bands war man froh, wenn sich überhaupt ein Musiker ans Mikro traute. Erst mit der Weiterentwicklung der Mehrspurtechnik konnte ein guter Sänger zumindest im Studio einen mehrstimmigen Chorsatz per Overdub generieren. Weil dieser sich aber auf der Bühne nicht oder nur mit erheblichem, vor allem personellen Aufwand reproduzieren ließ, blieb immer ein gewisses Unbehagen. In der Folge waren es Vocoder und Harmonizer, die ab Ende der 70er Jahre die Möglichkeit boten, eine Stimme zu verfremden oder polyphon auszugeben.
Die dänisch-kanadische Firma TC-Helicon hat es sich seit einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, mit ihren TC Helicon Voicelive-Geräten der perfekten Lösung für Bühne und Studio so nahe wie möglich zu kommen. Und mit ihnen sind Chorstimmengeneratoren endgültig auf der Bühne und im Studio
Der multifunktionale Stimmgenerator von TC Helicon wird in der vierten Generation unter anderem vom aktuellen Play Electric vertreten, ein speziell für den singenden E-Gitarristen konzipiertes Pedal. Aber auch wenn bei ihm der Stimmgenerator das Herzstück bildet, möchte unser Testkandidat außerdem mit Amp-Emulationen und als Looper und Multieffektgerät überzeugen.
Details
Der silberne Bodentreter aus Metall mit den Abmessungen 15,5 cm x 19,5 cm x 3,5 cm bietet mit lediglich drei Fußschaltern und einem Drehregler auf den ersten Blick eine übersichtliche und spartanisch anmutende Oberfläche. Die sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass unser multifunktioneller Kandidat außerdem zahlreiche Tools für Sänger und Spieler bereithält. Auf den zweiten Blick offenbaren sich nämlich seitlich des Displays sechs Softkeys, dazu ein Back- und ein Store-Taster sowie zwei Pfeiltasten, die manuell bedient werden wollen und mit deren Hilfe der Benutzer in die Untermenü-Welten eintauchen kann, um dort an allen denkbaren Parametern zu schrauben.
Die Fußschalter
Im Hauptmenü zeigt die LC-Anzeige den Presetnamen, der mit einer Presetnummer verbunden ist. Die Ziffern kann man übrigens auch im Stehen auf einer verdunkelten Bühne noch problemlos ablesen. Mit dem linken und mittleren Fußtaster steppt der Spieler linear durch (177) Presets, wobei die Dreiecke Up & Down optisch Rückmeldung geben. Aber auch mit dem gummierten Drehregler in zentraler Position wird vor- und zurückgescrollt, dann aber nur manuell. In erster Linie wird dieser Regler benötigt, um die Settings in den Untermenüs vorzunehmen. Mit dem Hit-Taster (ganz rechts) lässt sich das Publikum regelrecht in einen Schockzustand versetzen, denn mit einem Knopfdruck wird das aktuell gewählte Programm mit mehreren Effekten z.B. einer zweiten Harmoniestimme oder/und einem zusätzlichen Effekt angereichert. Auf diese Weise lässt sich der Refrain beispielsweise mit einem mehrstimmigen Satz von der Strophe absetzen. Wird der Hit-Taster (Hold For Talk) länger gedrückt, werden alle Vocal-Effekte am Ausgang vollständig abgeschaltet, denn das Publikum braucht sicherlich keine mehrstimmige Ansprache mit Ping-Pong-Echo. Bei angeschlossener Gitarre springt automatisch der Gitarren-Tuner an und das Gitarrensignal wird stummgeschaltet. So lässt es sich beim Nachstimmen dann lässig gleichzeitig aus dem Nähkästchen plaudern.
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Die Untermenüs
Wer nicht mit den vorprogrammierten Presets arbeiten will, kann diese auch bearbeiten. Viele machen einen kompletten Eindruck und bieten deshalb eine optimale Basis für eigene Kreationen. Die Zahl der programmierbaren Settings (z. Effektanteile und -stärke) bleibt überschaubar, d.h., die Effekte sind nicht mit Parametern überladen. Mit den beleuchteten Softkeys, die das Display flankieren, wählt man sich in die entsprechenden Untermenüs ein. Jetzt ist die Displaybeschriftung allerdings nur noch aus der Nähe zu erkennen.
1. Vocal FX (Menü mit 7 Seiten)
2. Guitar FX (Menü mit 5 Seiten)
3. Mix (Menü mit 2 Seiten)
4. Favorite
5. Genre
6. Setup (Menü mit 8 Seiten)
Modifizierte Presets werden anschließend mit der schwarzen Store-Taste gespeichert, Speicherplatz (von Nr. 177 bis zur Nr. 500) ist reichlich vorhanden. Die schwarze Back-Taste geleitet wieder zurück ins Hauptmenü.
Genre-Menü
Mit der Genre-Taste werden sämtliche Presets nach Stilkategorien (z.B. Vocal And Guitar Sounds From The Pop Music Genre) oder Effekttypen (Filter Your Voice Through Telefons, Radio, Amps And Megaphones) gefiltert. Weil nur noch eine entsprechende Auswahl im Genre-Menü angezeigt wird, unterbleibt ein zeitraubendes “Abchecken” einzelner Sounds, denn alle sonstigen, nicht benötigten Presets werden unterdrückt.
Favourite-Menü
Wer auf der Bühne nicht zu viel Zeit mit dem Suchen eines Presets vergeuden will, sollte rechtzeitig seine Lieblinge mit der Taste Favorite selektieren. Diese kann man dann für die Performance in Reihe schalten. Sämtliche Favoriten erscheinen außerdem auch in der Genre-Liste.
Vocal FX-Menü
Das Mikrofonsignal durchläuft eine Effektkette, die keine Wünsche offenlässt. Die programmierbaren Vocal-Effekte sind Harmony, Double, Delay, Reverb, HardTune, Transducer sowie µMod. Die zentrale Schaltzentrale im Vocal FX-Menü ist die Harmony-Seite. Der Sänger kann bis zu zwei Harmoniestimmen zu seiner Stimme hinzufügen und auch die Intervallstruktur des Satzes bestimmen. Dabei stehen 22 sinnvolle Möglichkeiten zur Auswahl, während die Originalstimme in der Ober-, Unter- oder Mittelstimme ertönen kann. Auf der Output-Seite wird mit dem Schalter “Lead Mute” die Durchleitung der Hauptstimme an- oder abgeschaltet.
Die Tonart für die Chorstimmen wird ebenfalls auf der Harmony-Seite eingegeben. Diese kann noch näher spezifiziert werden, indem man an die Tonart einen Modus (“Kirchentonleiter”) anhängt. Aus der Referenztabelle in der Bedienungsanleitung lässt sich entnehmen, wie sich die verschiedenen Skalen der Kunststimmen zur Grundleiter der Originalstimme verhalten. Ansonsten ermittelt das Gerät auch komfortabel die Skala für den Chorsatz mittels der automatischen Akkorderkennung. Ist eine E-Gitarre angeschlossen, liefern die Klänge des Instrumentes in erster Linie die Informationen für die Skala. Wenn der Gitarreneingang nicht belegt wird, werden auch der Aux-Eingang (Rückseite) oder die RoomSense-Mikrofone für die Generierung einer Skala verwendet. Der Aux-Eingang akzeptiert jede beliebige Signalquelle, auch der gute alte Sony-Walkmann beispielsweise aus dem Jahr 1981 kann hier zeigen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört. Die RoomSense-Mikrofone, die an beiden Seiten des Gerätes ihre Ohren spitzen, können den Umgebungsschall z. B. eines einzelnen Instruments oder der gesamten Band verarbeiten. Mit dem Parameter “RoomSense” im Mix-Menü wird jedenfalls die Arbeitsweise der beiden Mikrofone festgelegt. Der Double-Effekt erzeugt eine weitere Unisono-Stimme der Hauptstimme, die sich auch eine Oktave/Quinte höher oder tiefer setzen lässt, sodass sich ein “unechter” vierstimmiger Satz ergibt. Kleine Abweichungen bei Timing und Tonhöhe sorgen – auf Wunsch – für ein realistisches Ergebnis.
Auf der Delay-Seite wird das Signal bei Bedarf mit einem Ping-Pong-Effekt oder einem Multitap verschönert, während auf der Reverb-Seite 29 Räume auf ihren Einsatz warten.
Weil knapp daneben bekanntermaßen auch daneben ist, kann der nicht hundertprozentig stimmsichere Interpret den Auto-Tuner zu Hilfe rufen, der nach voreingestellten Skalen incl. chromatischer Leiter rastert. Dabei lassen sich Geschwindigkeit und “Aggressivität” festlegen, mit der dieser Effekt bei der Tonhöhenkorrektur “zupacken” soll. Mit dem Parameter “Gender” wird die Stimme einer Hormonbehandlung unterzogen und klingt auf Wunsch weiblicher oder männlicher, ohne dass mit schädlichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Und mit dem Pitch-Shifting-Effekt wird problemlos auch ein Death-Metal-Zombie zum Leben erweckt.
Die Transducer-Option umfasst zahlreiche Effekte, die den Klang der Stimme durch das Hinzufügen verschiedener Filter und Verzerrungen verändern. Ob allerdings eine Megafon- oder Telefon-Stimme nötig ist, wollen wir dem Benutzer überlassen. Der μMod-Effektblock umfasst 24 gängige Effekte wie Flanger, Phaser, Panning oder Chorus, mit denen sich das bearbeitete Signal weiter modulieren lässt.
Gitarren-Menü
Im Menü Guitar FX wird das Signal der E-Gitarre bearbeitet. Neben der Simulation von Amps, 25 an der Zahl, hat man die Elemente der wichtigsten Pedaleffekte aus der TC TonePrint-Serie integriert. So stehen neben dem Corona für die Modulationseffekte die Parameter des Flashback-Delays und die des Hall of Fame Reverb-Pedals zur Verfügung, dazu Overdrive und Distortion sowie Dynamikprozessoren wie Kompressor, Gate und einige mehr. Es kann also nach Lust und Laune gezaubert und kombiniert werden.
Mix-Menü
Das Mix-Menü ist die Schaltzentrale für sämtliche Lautstärkeverhältnisse. Hier werden die Pegel für die Harmonie- und Doppelstimmen, der Ausgangspegel für das Gitarrensignal, der Gesamtpegel des Signals am Ausgang, die Lautstärke des Kopfhörerausgangs und die Empfindlichkeit der RoomSense-Mikrofone sowie der Pegel des eingehenden USB-Signals festgelegt. Dem Kopfhörer hätte der Hersteller aber ruhig ein externes Poti schenken dürfen, denn es braucht Zeit, sich in das entsprechende Untermenü einzuwählen.
Setup-Menü
Im Setup-Menü werden grundlegende Funktionen (Input, Output) des Gerätes eingestellt. Mit dem Parameter “Mic Type” wird der Mikrofontyp (Kondensator- oder dynamische Mikrofone) ausgewählt. Auf der Input-Seite wird in diesem Fall der Input der XLR-Buchse an der Rückseite auf “Condenser” (Phantompower on) geschaltet. Darüber hinaus können auch “MP-75” oder “e835-fx” Mikrofone zum Zuge kommen. Diese Mikrofone verfügen über eine integrierte Taste, mit der sich verschiedene Funktionen des TC Helicon Play Electric wie Hit oder Looper fernsteuern lassen. Natürlich sind diese Mikrofone nicht im Lieferumfang enthalten.
Auch die Settings für den Looper werden im Setup-Menü manuell eingestellt. Drückt man Up und Down gleichzeitig, wird der Looper angeworfen. Jetzt erhalten die drei Taster Up & Down und Hit eine neue Funktion: Mit dem Fußtaster Down wird ein Pattern abgespielt oder aufgenommen (Fußtaster gedrückt halten), mit Fußtaster Up die Aufnahme gestoppt oder gelöscht (Fußschalter gedrückt halten). Auch mit Overdubs darf man sein Publikum blenden. Undo macht bei Nichtgefallen der Aufnahme den letzten Schritt wieder rückgängig, der Hit-Schalter schließlich beendet den Loop-Modus.
Anschlüsse
Anschlüsse sind an der Rückseite des Helicon TC Helicon Play Electric reichlich vorhanden. Dort befindet sich der XLR-Mikrofoneingang, der vom Mic-Gain-Regler an der linken Seite begleitet wird. Der passt Mikrofon- und Gitarrensignal an, worüber die kleine LED mit der Bezeichnung “In” auf der linken Oberseite Rückmeldung gibt. Die beiden XLR-Outputs sind auch die Hauptausgänge, über die standardmäßig die Harmoniestimmen und die darauf angewendeten Effekte in Stereo ausgegeben werden. Die Gitarre wird mit einer Monoklinke an die Guitar In-Buchse angeschlossen. Solange die Buchsen Guitar Out und Guitar Thru nicht belegt sind, wird auch das Gitarrensignal über die XLR-Ausgängen ausgegeben.
Über Guitar Out bzw. Guitar Thru lässt sich das Gitarrensignal aber auch an einen externen Amp oder ein Pedalboard weitergeben. Beim Anschluss an Guitar Thru werden die internen Effekte nicht übertragen, der Sound kann bei Bedarf mit externen Effekten verschönert werden. Trotzdem erkennt das TC Helicon Play Electric auch in diesem Fall die Skala für die Harmoniestimmenerzeugung. Auch ein digitales Audiosignal kann vom PC via Mini-USB-Bus an das TC-Helicon (und umgekehrt) übertragen werden. Ein USB-Kabel ist im Lieferumfang enthalten. Mit der Software VoiceSupport, die zum Download bereitsteht, lassen sich die Presets komfortabel per PC verwalten. Die separat erhältlichen Fuß-Schalterleisten Switch-3 oder Switch-6 erweitern die Möglichkeiten unseres Kandidaten erheblich. Die drei bzw. sechs Schalter der Fußleisten sind frei mit Effekten belegbar, sodass man sich sein eigenes Setup zusammenstellen kann. Diese Controller werden mit einem Klinkenkabel an die Buchse “Pedal” an der Rückseite angeschlossen. Daneben wartet übrigens ein Kopfhöreranschluss, wie der Aux-Eingang als Mini-Klinkenbuchse ausgeführt. An letzteren lassen sich, wie schon erwähnt, externe Audiospieler anschließen.