3.1 – Strategien für den Fall, dass es mal nicht läuft
Man hat ja nicht immer einen Lauf, manchmal ist einfach Sand im Getriebe. Nicht selten kommt es vor, dass man beispielsweise mit ein paar guten Zeilen einen Anfang gefunden hat, dann aber nur schleppend bis gar nicht vorwärts kommt. Die Idee oder das Puzzle, das man umrisshaft im Kopf hatte, will einfach nicht (mehr) zusammenpassen und die anfängliche Inspiration weicht einem Stillstand im Kopf. Vor lauter ergebnisloser Grübelei läuft man Gefahr, eher schlechte Laune zu kriegen als mit seinem Text weiterzukommen. Und genau für diese Momente sollte man ein paar wirksame „Strategien“ zur Hand haben, die über solche Hürden hinweghelfen. Was also tun, wenn man „steckenbleibt“?
Rein praktisch gesehen dürfte zunächst ein entspanntes Verhältnis gegenüber den Erwartungen an sich selbst dabei helfen, schneller zu Erfolgserlebnissen zu kommen! Oder auch Misserfolge besser wegzustecken. Warum immer auf Anhieb gleich den Superhit schreiben wollen? Auch mit kleinen Schritten kann man einem großen Ziel näher kommen. Und letztlich sollte man niemals vergessen, dass es beim Schreiben von Songtexten um Musik und nicht um Denksport-Aufgaben geht. Ein guter Text kann in der Regel nicht durch maximale Konzentrationsanstrengung „gelöst“ werden! Er entsteht vielmehr in einem spielerischen, kreativen Prozess, Inspiration lässt sich nicht erzwingen, allenfalls herauslocken. Die Aufgabe des Texters ist es daher zunächst, diese Prozesse herbeizuführen. Das geht im besten Fall von ganz allein oder auch mit gewissen Methoden und Hilfsmitteln, die wir in diesem Workshop erörtern wollen.
Sasha, Simon Triebel und Bosse gewährten uns Einblicke in ihren “Erste-Hilfe-Kasten für Texter”. Darin befinden sich u.a. „Weglegen, ruhen lassen und später fertigmachen“, „den Blickwinkel ändern“, „Reinzoomen in Details“, den Text an seine Mitschreiber übergeben (sofern man im Team arbeitet), „einfach mal an die frische Luft gehen“ oder einen über den Durst trinken, um die „Schleusen zu öffnen“.
Simon Triebel
Was machst du, wenn du “festhängst” beim Schreiben?
Simon Triebel: “Es ist besonders dann immer gut, Situationen aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, um seinen Kopf zu resetten. Es kann helfen, mehr auf kleine Details zu achten, die vielleicht gar nicht vordergründig die Geschichte erzählen. Vom Makrokosmos reinzoomen in den Mikrokosmos. Ein abstraktes Beispiel: Mal angenommen, die Geschichte spielt in einem Raum. Dann fallen einem erstmal die Standards ein wie: Man liegt auf dem Bett, der Fernseher läuft und so weiter. Ab einem gewissen Punkt ist es aber wichtig, tiefer zu gehen, genauere Details zu bringen, damit das Ganze anfängt zu leben. Zum Beispiel der knarrende Boden, beschlagene Scheiben, das Rauschen des Fernsehers, Bilder auf dem Tisch, irgendwelche Dosen, die auf dem Boden herumliegen. Hier kann man sich wirklich eine Kulisse ausmalen, auf die man dann beim eigentlichen Schreiben zurückgreifen kann. Das eben waren natürlich etwas ausgelutschte Beispiele, aber je echter die Details wirken, desto besser.”
“(…) es kommt auch vor, dass ich einen Song, an dem ich nicht weiterkomme, mal drei Wochen liegen lasse. Danach höre ich ihn immer mit ganz anderen Ohren und weiß dann sofort, was zu tun ist. Das ist auch bei Demo-Abmischungen super, weil man sie mit etwas Abstand viel besser bewerten kann. Zumindest bilde ich mir das ein … (lacht)”
Bosse
Gibt es ein Patentrezept, in diese Phasen zu kommen, in denen es gut läuft?
Bosse: “Ich denke nicht, das passiert einfach. Obwohl ich sagen muss, dass ich auch ein Arbeitstier bin, auch oft schon früh anfange am Tag und mir sage: „So, Alter, jetzt mach mal was!“ Das kann dann schon gerne mal einige Stunden dauern, aber irgendwas kommt immer dabei herum. Auch wenn es in dem besagten Moment nicht weitergeht, ist man ja immer auch noch Jäger und Sammler. Sammeln heißt in dem Fall bei mir, dass ich mir Ideenzettel anlege mit Themen, die mich interessieren. Zum Beispiel: „Die Gesellschaft steht kurz vor dem Abgrund, weil alle gerade dabei sind, sich zu überarbeiten“. Ein Thema, über das man bestimmt 15 verschiedene Lieder schreiben könnte. Das schreibe ich mir dann auf, habe es mir dann sozusagen „gesichert“. Irgendwann bin ich dann vielleicht in der richtigen Situation, in der mir dazu Textideen kommen, und dann werde ich versuchen, einen Song darüber zu machen.”
Was machst du, wenn du festhängst, wenn du einen Anfang hast, aber einfach nicht weiterkommst?
Bosse: “Weglegen! Ich bin total der „Wegleger“. Das ist oft schwierig für meine Band, meinen Produzenten und meinen Manager, weil ich selbst immer nicht so richtig einschätzen kann, wann es denn fertig werden wird. Jetzt zum Beispiel ist es so, dass wir demnächst aufnehmen und ich bisher nur acht Lieder vorweisen kann, weil ich jetzt gerade dabei bin, das Weggelegte fertigzumachen. Ganz oft lege ich Lieder aber auch extra weg, ganz systematisch. Weil ich dann denke: Da ist ein guter Anfang gemacht und jetzt kann das noch etwas ruhen, wie ein guter Käse. Und irgendwann habe ich dann die Muße, es wirklich fertigzumachen.”
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Sasha
Was machst du, wenn du festhängst, wenn du einfach nicht weiterkommst mit einem Text?
Sasha: “(überlegt) Da ich ja meistens nicht alleine bin beim Schreiben, gebe ich das dann an Ali, Robin oder auch andere Leute, mit denen ich zusammenarbeite, ab. Oder ich breche es ganz ab. Klar, es gibt Fälle, da kann es nützten, sich zu zwingen, aber – wie schon gesagt – Druck funktioniert bei mir nicht gut. Druck führt eher nur zu einer Bremse im Kopf, es kristallisiert sich dann alles zusammen und es läuft gar nichts mehr. Dann muss man dafür sorgen, dass der “Pfropfen sich wieder löst”. Zum Beispiel feiern gehen und schön einen ballern, dann ist man am nächsten Tag schön im Eimer und die Schleusen sind auf. Verkatert sein ist super zum Schreiben, finde ich. Ich glaube, ich schreibe die besten Lieder verkatert, da bin ich am emotionalsten, alles ist offen, der Kopf, das Herz. Manchmal ist man dann ja nur dull, aber wenn ich in so einem Zustand erstmal loslege, geht es meistens gut.”
“Auch eine gute Methode den Kopf freizukriegen ist, einfach mal rausgehen an die Luft, laufen, Sport machen. Das löst Blockaden! Das machen wir auch öfters, wenn wir stundenlang im Studio hocken, mit schmerzverzerrten Gesichtern und denken, “jetzt hab ich’s” – und dann kommt doch nichts. Wenn wir zum Beispiel auf Mallorca sind, gehen wir einfach mal ne Runde schwimmen, um danach neu starten zu können. Eine weitere Strategie kann auch sein, die Nummer erstmal weglegen und an anderen Songs arbeiten. Zu einem späteren Zeitpunkt fließen die Ideen dann oft wieder.”
Gibt es da vielleicht bestimmte Techniken, Mittel und Wege, um in solche Zustände zu kommen, in denen es wieder fließt?
Sasha: “Nein, glaube ich nicht, so ein Zustand passiert. Oder auch nicht. Vielleicht könnte man es mit mentalem Training oder so versuchen, aber ich kann das bei mir nicht erzwingen. Wenn ich zum Beispiel mit den Jungs wegfahre zum Schreiben, sagen wir auch immer: Wenn nichts dabei herumkommt, ist es wurscht. Hauptsache, wir haben es gemacht, Druck bringt zumindest bei mir nichts. Zumindest nicht Druck von außen. Es gibt aber viele Leute, die unter Druck besser arbeiten können!”