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RAW bedeutet übersetzt rau oder roh. So richtig roh ist der Proband indes nicht einzusetzen. Denn als reiner MIDI-Controller schluckt er weder optische Datenträger noch Wechselspeicher. Der „raue Bursche“ erfordert einen zusätzlichen Computer mit einem DJ-Programm. Sein Interface kann direkt an die Anlage gestöpselt oder alternativ an einem externen Mischpult betrieben werden. Auf den ersten Blick könnte man dazu neigen, ihn als Turntable oder CDJ-Ersatz für alle DJs zu deklarieren, die sich zu einer vollständig Laptop-gesteuerten Performance entschließen. Dabei kann der Nordländer genauso gut in einem klassischen Plattenspieler-Setup zur Geltung kommen. Zum Beispiel als Zuspieler für Songs, die nicht auf Vinyl gepresst wurden. Kein uninteressantes Konzept – mit dem er sich von Gerätetypen a la VCI-300 oder Traktor S4 distanziert. Sie ersetzen vielmehr das komplette Set inklusive Mixer (womit sich mancher Vertreter der auflegenden Zunft schwer tut). Konzeptionell konkurriert der Finne eher mit Numarks V7 (UVP 775 € – Test hier) oder einem American-Audio Radius 2000 (UVP 509€, mit SD-Card-Slot, Test hier). Aber auch kleinere Steuereinheiten, wie der Denon DN-SC2000 (UVP 239 €, kein Interface, Test hier) gehören zum Kreis der Ersatzdecks. Bei einer Preisempfehlung von 832 Steinen hat der Otus nicht den Einsteiger-DJ im Partykeller im Visier. Vornehmlich sind es semiprofessionelle und professionelle Anwender und die Betreiber der globalen Club- und Barlandschaft. Also, ihr progressiven Damen und Herren. Wie wäre es mit einem kleinen Ausflug in die Erlebniswelt „Otus Exotus“, dem digitalen Kampfgefährten für das restliche Equipment?
Erstkontakt – Beschnuppern
Eine gewisse Vorliebe für Star-Treck Hardwaredesign und den Hang zum Live-Remixing sollte der zukünftige Besitzer ruhig mitbringen. Aber DJs sind ja bekanntlich Individualisten par excellance und so wird es manchen gar nicht stören, dass größtenteils auf Beschriftungen am Gerät verzichtet wurde. Frei nach dem Motto: Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Das lädt ja auch irgendwie zum Experimentieren ein und macht den Nordländer offen für weitere Programme. Nach dem Otus kam der Otus plus und nun der Otus Raw. Ein nicht mehr überraschendes, aber immer noch erfrischendes Design, keine Frage. Sauber verarbeitet und trotz ihres Fliegengewichtes einigermaßen robust sind sie alle. Bis auf die schwarze Färbung hat sich in dieser Hinsicht auch beim jüngsten Spross nichts Einschneidendes verändert. Auf der Website sind aktuell noch alle drei Versionen des Otus zu kaufen. Wie lange das so bleibt, bleibt abzuwarten.
Ausgepackt
Zum Lieferumfang gehören der Otus Raw, die zum Betrieb erforderlichen Anschlusskabel (2x Cinch, 1x USB) und die bereits erwähnte gepolsterte Transporttasche. Eine Installations-CD konnte ich leider nicht im Karton finden. Stattdessen begnügt sich der Hersteller mit einem Quickstartguide, dem ich einen Verweis auf die Internetpräsenz zum Download der Audio- und ASIO-Treiber entnehme. Auch eine DJ-Software suche ich vergebens. Das ist unter Berücksichtigung des Verkaufspreises wirklich schade, auch wenn kleinere Hardwaremanufakturen sicherlich anders kalkulieren müssen als die Big-Player und manche potenzielle Kunden wahrscheinlich schon mit ihrem Lieblings-Programm ausgestattet sind. Falls nicht müssen diese, wenn keine Freeware zum Einsatz kommen soll, eine weitere Investition zwischen 100 und 300 Euro für eine MIDI-Learn fähige Software einplanen. Mit zwei Otus-Controllern, einem Mixer, DJ-Software und Laptop kommt schon ein Sümmchen zusammen, das locker mit der Investition in ein komplettes CDJ- oder High-Class Turntable-Mixer-Set samt musikalischer Erstausstattung mithalten kann. Da staunt das Portemonnaie nicht schlecht.
…und plötzlich ist es wieder da. – Das Oktopus-Syndrom. Wie es sich äußert? – Nun, zunächst bekommen die Augen einen seltsamen Glanz und können kaum vom Gerät ablassen. Dann kribbelt und zuckt es heftig in den Fingern. Und dann dieses Verlangen nach so vier bis acht Armen, um die fünf Jogdials, vier Pads, zwei Fader, 23 Buttons, sechs Drehregler und den Vierfach-Switch aus allen Rohren zu befeuern. Nicht selten tritt nach dem direkten Kontakt in den ersten Tagen auch ein akutes Schlafdefizit auf. Nur Rückenschmerzen gehören nicht zum Krankheitsbild. Denn obwohl die Konsole mit 36 x 33,5 Zentimeter schon ein ordentlicher Brocken ist, wiegt sie nur 1,5 kg und ist leicht genug für den Trip mit dem Rad oder den Öffentlichen. Was dem Besitzer eine gewisse Flexibilität am Set verschafft, sollte die nette Brünette vom Dancefloor auf einen gemeinsamen Humpen nach dem Set bestehen.
Für dich ausgesucht
Zweitkontakt – Die Hardware
Das hintere Anschlussfeld offeriert zwei Paar analoge Stereo-Cinch-Ausgänge, zwei digitale S/P-DIF-Outs, eine USB-Buchse Typ-B und einen Netzteilanschluss. Dazu gesellt sich ein 6,3-Millimeter-Kopfhörerausgang, dessen rückseitige Position zwar etwas ungewöhnlich ist, aber wahrscheinlich der Tatsache geschuldet ist, dass der Otus primär für den Einsatz an einem externen Mischpult konzipiert ist. Hat er aus diesem Grund etwa keinen Lautstärkeregler für die Vorhöre spendiert bekommen? Mein persönlicher Wunsch für den Fall einer Revision2: Bitte den Kopfhörerausgang vorne platzieren und ihm versenkbare Level und Cuemix-Regler zur Seite stellen. Eine Überlastung am USB-Port war im Übrigen weder am MacBook noch am iMac festzustellen. Wer dennoch aus Gründen der Betriebssicherheit zu einem Netzteil greifen möchte: Fünf Volt und zwei Ampere sind hier angesagt.
Das Herz der Space-Age-Konsole ist ein 6-Kanal-Interface Marke Burr-Brown. Die beiden I2S Konverter arbeiten mit maximal 48 kHz und 24 Bit. Der Frequenzbereich reicht laut Hersteller von 4 Hz – 24 kHz bei einem Rauschabstand >115 dB. Diese Nennwerte entsprechen exakt denen des ersten Otus und es wird klar, dass sich die Ingenieure aus dem hohen Norden in den letzten beiden Jahren um Detailverbesserungen gekümmert haben. Laut Supportanfrage gilt dies auch für das Audio-Interface. Klanglich gibt es von meiner Seite nichts zu beanstanden. Wer den Otus im Solo-Betrieb an die PA oder Monitorboxen anklemmt, stellt schnell fest, dass die Audiohardware einen vergleichsweise hohen Ausgangspegel, sowie einen transparenten und druckvollen Sound ausspielt. Klasse. Auch der Kopfhörerausgang klingt glasklar. Dem nachfolgenden Foto könnt ihr entnehmen, wie das Backpanel des EKS Otus Eins konzipiert ist.
Ausschwärmen
Im Wesentlichen besteht der Otus aus vier unterschiedlichen Funktionsbereichen. Sie sind rund um das zentrale Jogwheel verteilt. Der Reigen beginnt links oben, wo vier griffige gummierte Endlosdrehregler ohne Rasterung für Effektwerte und Equalizer zuständig sind. Die Zweite EQ-Sektion auf der rechten Seite musste weichen. DJs, die mit dem internen Mixer arbeiten, können nun nicht mehr simultan auf die EQs beider Decks zugreifen, sondern müssen den Layer wechseln. Ein Indiz mehr, das der Standalone-Betrieb eines einzelnen Otus nicht die ausschlaggebende Kraft für das Layout des Endproduktes war. Etwas weiter südlich sind ein Crossfader-Drehregler als Spezialbeauftragter für interne Mixangelegenheiten und der Regler für die Hauptlautstärke platziert.
Auf der gegenüberliegenden rechten Seite sehe ich sechs beleuchtete Hartplastik-Buttons vom Typus Klick-Klack, die zu meiner Freude in ihrer Größe mächtig zugelegt haben. Die Schaltflächen bieten sich zum Beispiel für manuelle oder automatische Loops an. Durch den Vierfach-Drehregler ist es möglich, pro Deck vier Mal sechs Noten-Befehle zu senden. Prima. Eine sinnvolle Verbesserung. Werkseitig funken die Buttons auf den Kanälen eins und zwei, der EKS-MIDI-Mapper re-konfiguriert dies auf Wunsch.
Wo vorher der etwas ungenaue Geschwindigkeits-Touchslider gesessen hat, verbauen die Produktentwickler nun zwei sanfte 100-Millimeter-Flachbahnregler, die keinen manuellen Pitch-Prozess scheuen müssen. Wie bei Vestax CDX- und PDX-Geräten wandert der Pitchfader durch den Nullpunkt ohne einzuschnappen. Die Otus Fader sind jedoch nicht so fest eingebaut, wie bei den zuvor erwähnten Modellen. Aber sie haben einen angenehmen Gleitwiderstand und lösen sehr präzise auf. Ihre Feinabstufung unter Traktor liegt bei circa 2/100 auf der niedrigsten Stufe (+/-4) und etwa 8/100 auf der höchsten Stufe (+/- 100). Eine deutliche Steigerung zur Slider-Variante – auch hier heißt es: Daumen hoch! Falls die DJ-Software dies unterstützt schaltet SCALE die Pitch-Auflösung um und MODE (de)aktiviert den Keylock. Im rechten unteren Drittel ersetzen vier 25 Quadratmillimeter große Triggerpads die sechs sensitiven Felder des Otus Eins.
Das Touchpad dient gleichzeitig als Mausersatz und als Zwei-Achsen-Bedienung von Effekten. Neben seiner zentralen Zeigegerätfunktion mit den obligatorischen Schaltflächen versteckt es an der linken Seite und am unteren Rand einen 5 Millimeter breiten Streifen, der im MIDI-Mapper mit Notenwerten bestückt werden kann, sodass beide Funktionen auf Wunsch simultan zur Verfügung stehen. Durch Zuweisung eines leeren Wertes wird die Maus-Funktion des teilweise etwas hakeligen Pads unterdrückt. Mir hätte es besser gefallen, das Feld per Buttonkombination im laufenden Betrieb abzuschalten und zwischen einem kompletten Effekt- oder Mousepad zu wechseln. Mal sehen, ob da noch etwas per Firmware-Upgrade nachgereicht wird.
Unter dem Pad sitzt der Dual-Layer-Switch. Mit ihm wechselt der DJ auf die zweite virtuelle Kontrollebene. Die Beleuchtung schaltet von Mandarine auf Limette und signalisiert so deutlich, welches Deck gerade bespielt wird. Möchte er Player zwei nur kurz ansprechen, hält er den Button wie eine Shift-Taste fest. Der Controller springt auf den ersten Layer zurück, sobald er wieder loslässt. Ein Doppelhieb hingegen ändert den MIDI-Kanal dauerhaft. Die beleuchteten Bedienelemente und der Farbwechsel sorgen auch in dunklen Kaschemmen für den nötigen Durchblick.
Auf der prominenten Rechtsaußen-Position sitzt die Transportsteuerung mit zwei großen CDJ-typischen Tastern für Play und Cue. Daneben sind sechs weitere, teilweise sehr kleine Tasten platziert, die durch die Favoritenlisten wandern, aber genauso gut Pitchbending oder Trackscanning übernehmen könnten.
Selection-Jogwheels
Sage und schreibe fünf Jogdials schickt die Entwickler-Crew ins Rennen. Die vier kleineren, beleuchteten Selection-Jogs sitzen direkt in den schwingungsdämpfenden Standfüßen. Sie haben eine praktische Button-Funktion integriert und können einen Durchmesser von etwa zwei Zoll vorweisen. Der Druckpunkt ist gut zu ertasten und angenehm schwergängig, damit kein versehentlicher Auslösevorgang stattfindet. Zum Scratchen sind sie selbstverständlich nicht gemacht. Statt dessen navigieren die unteren beiden Tellerchen durch die Seitenleiste und die Playlist der Musikbibliothek, öffnen Verzeichnisse und beladen die Decks. Sehr schön. Die oberen beiden Räder steuern unter Traktor das Mischungsverhältnis der Effekt-Units eins und zwei. Sie weisen eine Regelgenauigkeit von etwa drei Prozent auf. Wem das zu wenig ist, der setzt die Sensibilität des Encoders im Controller-Editor von den voreingestellten 210 auf 100 Prozent herab. Dann sind FX-Überlagerungen noch etwas filigraner zu dirigieren, aber auf der anderen Seite sind zwei volle Umdrehungen nötig, um den Klangverbieger voll aufzureißen. Man sollte jedoch nicht unsachgemäß fest auf ihren äußeren Rand drücken, da sie sonst ein wenig schleifen.