2HE? Nur in der Theorie.
Der Electric & Company ist qualitativ von allererster Güte. Die beiden großen Kappen für Input und Output sind wundervoll anzufassen, auch Attack und Release liegen perfekt und lassen sich gut und sicher drehen. Dass Bypass immer die Attack-Settings „löscht“, kennt man vom 1176 – ich bin eher ein Freund von separaten Bypass-Schaltern oder hätte mich über ein Pull-Poti gefreut. Im Rack sollte man unbedingt darauf achten, dass die Abwärme des Geräts entweichen kann und dass es Zuluft für ausreichende Ventilation gibt. Es glüht ordentlich auf der Rückseite, bei über das Gehäuse ragendem Gerät oberhalb des EC5B sind Lüftungsgitter Pflicht, ich habe dem Gerät insgesamt drei HE im Rack gegönnt, mit je einer halben HE Lochblende über und unter dem Röhrenmonster.
Warten auf den Electric & Company EC5B: Geduld lohnt sich
Ungefähr 20, 30 Minuten Aufwärmzeit sollte man dem Gerät einräumen, wenn man seine vollen klanglichen Vorzüge genießen will. Vor allem in den ersten Minuten ist der Texaner etwas fahl und eindimensional. Warten ann in diesem Falle ganz schön die Ungeduld fördern, denn das Gerät ist eine absolute Wucht. Es zeigt sich, dass Electric & Company nicht nur ein gutes Design auf die Beine gestellt haben, sondern auch die Bauteile sorgsam ausgewählt haben, denn der EC5B wirkt ahnsinnig gut abgestimmt und klingt auch in allen Extremsettings einfach nur hervorragend. Auch, wenn die Dynamik eines Signals unangetastet bleiben soll, ist es eine hervorragende Idee den Limiter im Bypass zu durchlaufen und als THD-Veredler zu nutzen.
Der EC5B ist kein One-Trick-Pony – und wenn doch, dann viele
Darf der Sidechain aber von der Leine und dem Signal Dynamikänderungen aufdrücken, wird es so richtig spannend. Von sehr vorsichtigem Eingrenzen zur gemächlichen Verdickung über das gezielte, schnelle Absäbeln von Peaks bis hin zu wirklich klangformenden, heftigen Regelvorgängen macht das Gerät alles so, als sei es ganz genau dafür gebaut. Kein One-Trick-Pony, nicht einfach ein Allrounder, sondern eine ganze Herde One-Trick-Ponys in einem Gehäuse.
Electric & Company als Vocal Compressor
Vocals gewinnen durch das bei Bedarf starke Anreichern mit Harmonischen. Eher zu kalte Kondensatormikrofon-Signale, besonders von eher analytischen Transistormodellen, können gezähmt werden und klingen „teurer“, sanfte und weiche Bändchenmikrofonstimmen können bei nicht zu geringen Attackzeiten Biss und, durch das reichere Spektrum harmonischer Verzerrungen mehr Durchsetzungskraft bekommen.
Röhrendimension
Akustikgitarren sind so wundervoll griffig geworden, dass es eine untragbare Enttäuschung war, den EC5B wieder aus dem Signalweg zu entfernen. Wie bei Bässen, Rhodes und vielen anderen Signalen zeigt der Electric mit Bravour, was viele Engineers an Vari-Mus finden: „Dreidimensionalität“. Bei passenden Settings wird der Klang überlebensgroß, plastisch und konturiert, als würde man eine riesige Lupe in die Mischung halten.
Für dich ausgesucht
Der E&C ist bei den meisten Settings dennoch tendenziell auf der etwas weicheren Seite unterwegs, wenn man auf die Transienten achtet. Nichtsdestotrotz konnte ich Drums ordentlich knallen lassen, wenn die Attack hoch und die Release recht kurz war und das SC-Filter den Detektorweg unter 200 Hz beschnitten hat. Bei zu hohem Maß an Verzerrungen entsteht dann aber natürlich dennoch ein vielleicht für manche Mischungen zu breites Signal. Das wäre dann eher ein Bedien- oder Mixing-Fehler, dennoch konnte bei ähnlichen Settings mein Fairchild-Derivat Amtec 099 (nicht mehr erhältlich) knackiger zu Werke gehen – das ist aber auch eine seiner ausgewiesenen Spezialitäten.