Praxis
Praxis und Sound – Soul Food
Da wir es hier im Grunde genommen mit zwei Geräten zu tun haben, splitte ich den Praxisteil auf und beginne mit dem Soul Food. Bei ihm handelt es sich um ein Medium-Gain Overdrive-Pedal, das man aber auch so einstellen kann, dass der Originalsound nur sehr leicht gefärbt wird. Eine Möglichkeit, die mir persönlich sehr gut gefällt, denn so lässt sich das Pedal auch gut als Booster einsetzen.
Hier zunächst ein Gitarrenriff ohne Pedal.
Stellt man den Drive-Regler auf 10 Uhr, erhält man eine leichte und kaum wahrnehmbare Verdichtung des Sounds. Jetzt bringt das Treblepoti in der 12-Uhr-Position ein völlig neutrales Frequenzspektrum, das sich erst mit zunehmendem Verzerrungsgrad allmählich verändert.
Erst ab Halbgaszerre wird eine durchgehende und dynamische Verzerrung generiert, die sich per Anschlag gut kontrollieren lässt. Mit zunehmender Verzerrung kommen die Mitten stärker zum Vorschein, wodurch die tiefen Frequenzen etwas weiter in den Hintergrund geraten.
Ab der 14 Uhr-Stellung des Drive-Reglers kommt das Pedal klanglich endgültig aus seinem Schneckenhaus. Der Ton klingt sehr echt und hat etwas von einer klassischen, dreckigen Verzerrung, die mich an Rusty Anderson erinnert, der seit 2001 Gitarrist von Paul McCartney ist.
Selbst bei maximaler Verzerrung klingen die einzelnen Töne noch gut durch. Ich habe hier übrigens den Amp nicht besonders hart angefahren, damit sich der Eigenklang des Pedal besser durchsetzen kann. Der Nuancenreichtum, den man mit diesem Overdrivepedal erzeugen kann, ist riesig und je nach Amp klingt es sehr unterschiedlich. Hier hört man wieder meinen alten 100 Watt Marshall JMP mit einer leicht gesättigten Endstufe.
Für dich ausgesucht
Der Treble-Regler ist das Herzstück des Pedals, der bei Bedarf ein fast schon Treblebooster-artiges Flair generiert. Mir persönlich hat er in der 12-Uhr-Position zwar am besten gefallen, aber je nach Gitarre und Ampverzerrung kommen mehr obere Mitten einem durchsetzungsfähigen Sound entgegen. Im folgenden Audiobeispiel hört ihr das Pedal wieder mit maximaler Verzerrung. Im ersten Drittel steht der Treble Regler auf 9 Uhr. Der Ton ist hier zwar etwas belegt, aber trotzdem noch transparent. Im zweiten Drittel kommt die von mir bevorzugte 12-Uhr-Stellung zum Einsatz, und zum Schluss hört ihr das Treble-Poti in der 16-Uhr-Position. Jenseits dieser Position wird es für meinen Geschmack viel zu schrill.
Praxis und Sound – Holy Grail Max
Ich kann mich noch an die ersten bezahlbaren digitalen 19-Zoll-Geräte erinnern, mit denen man Ende der 80er Jahre die damals angesagten Berge von Hall und Chorus auch auf der Bühne realisieren wollte. Mittlerweile gibt es dank weitaus höher entwickelter und billigerer Chips sehr gute digitale Effekte zum Schnäppchenpreis. Das Holy Grail Max bietet vier Hallsounds in anständiger Qualität. Obwohl man es hier nicht mit Lexicon- oder Eventide-Qualität zu tun hat, finde ich die leicht rotzigen Hallsounds gerade für den Livebetrieb besser als hochpolierte Edeleffekte. Hier stehen vier Hallarten zur Verfügung. Der erste Effekt ist die Simulation einer Hallfeder, die man mit einer Mischung aus Hall und einem leichten Delay sehr gut simuliert hat. Ich habe es bei den Audiobeispielen mit dem Effektanteil extra ein wenig übertrieben, damit der Hall gut hörbar ist. Zuerst hört man das Riff ohne Effekt und in der zweiten Hälfte mit dem jeweiligen Hallprogramm.
Der sogenannte “Hall” ähnelt dem Springreverb, denn auch er hat einen leichten Federhall-Charakter, klingt aber insgesamt tiefer und wärmer. Die Hall-Länge ist mit dem “Time”-Regler beeinflussbar, Eingriffsmöglichkeiten bei Frequenzgang und Pre-Delay sucht man vergebens. Aber mich hat das in diesem Fall überhaupt nicht gestört, denn die Sounds sind gut vorprogrammiert und absolut praxistauglich. Ich habe mich für mittlere Hallzeiten entschieden, weil sie einen guten Eindruck abgeben, wie die Hallalgorithmen klingen.
Kommen wir zum Plattenhall. Für den Namen dieses Effektes ist übrigens nicht der Hall in den Treppenhäusern der legendären Plattenbauten der DDR verantwortlich, sondern ein deutscher Hersteller von Studiotechnik – vor allem hochwertiger Schallplattenspieler und Tonabnehmer – names Elektromesstechnik Wilhelm Franz, kurz EMT. Federführend bei der Entwicklung des Plattenhalls, der später unter der Produktbezeichnung EMT Karriere in den Studios rund um den Globus machte, war Dr. Walter Kuhl. Er hängte eine Stahlplatte freischwingend auf, die durch einen Wandler (Kontaktlautsprecher) in Schwingungen versetzt wird, die sich ausbreiten und reflektiert werden. Mit Tonabnehmern oder Mikrofonen werden die Schwingungen wieder abgegriffen. Einen richtigen Plattenhall habe ich zuletzt bei einer Session in Los Angeles gehört. Ansonsten kenne ich diesen Sound auch nur als digitale Simulation. Der hier erzeugte Plattenhall klingt nicht wirklich wie das große Vorbild, aber er erzeugt einen griffigen und nicht zu tiefen Sound, den man als Halleffekt auf der Bühne auch gut als Effekt einsetzen kann, ohne gleich ins Nirvana davonzuschweben.
Der Reverse Hall ist ein absolut verrückter Effekt. Hier hat man es mit einer Mischung aus Hall und Delay zu tun. Dabei wird das Originalsignal zunächst einmal “verhallt” und anschließend rückwärts wiedergegeben. Mit dem Timepoti lässt sich die Zeit einstellen, nach der das Reversed Signal wiedergegeben wird.
Praxis und Sound – Beide Effekte in Reihe
Wenn man den Halleffekt hinter die Overdrive-Sektion schaltet, ist man immer auf der sicheren Seite, denn so erhält man einen sehr natürlichen Effekt, wie man ihn auch in der Natur vorfindet. Wenn man das Ganze umdreht, wird plötzlich auch der Hall verzerrt, wodurch sich der Sound, besonders in Spielpausen, merkwürdig verhält. In ruhigen Passagen werden die leisen Hallanteile nun durch die Verzerrung hochkomprimiert und wirken sehr laut, wild und teilweise chaotisch. Im nächsten Audiobeispiel hört man in der ersten Hälfte zuerst die klassische Reihenfolge. Das verzerrte Gitarrensignal geht in das Springreverb. Danach drehe ich den Spieß um und gehe mit dem “verhallten” Gitarrensound in die Overdrive-Sektion.
Zum Schluss noch ein Soundbeispiel mit dem Reverse-Effekt, der es mir irgendwie angetan hat. Zusammen mit dem Soul Food kann man hier völlig kranke Sounds im Stil von Queens of the Stone Age kreieren. Klasse! Im ersten Drittel ist die klassische Reihenfolge zu hören und gleich danach die umgekehrte Reihenfolge mit identischer Einstellung aller Parameter. Im letzten Drittel habe ich dann den Blendregler des Reverse-Halls auf 100 Prozent gestellt, um einen Rückwärtseffekt zu simulieren.