PRAXIS
Die erste Aufgabe des Electro-Voice RE320 im Studio ist die Aufzeichnung der menschlichen Stimme, was ich auch direkt mit R’n’B-Sänger Chul-Min Yoo ausprobieren konnte. Wie ich es von meinem Mikrofon der gleichen Bauform – dem RE20 – gewohnt bin, zeigt sich auch der schwarze Schallwandler für ein dynamisches Mikro recht schnell und sogar äußerst transparent. Horcht man ein wenig in den Sound hinein und vergleicht man es mit der beige-grauen Verwandtschaft, fällt auf, dass der Klang sogar durchaus höhenreicher wirkt und eine verblüffende Nähe zu Großmembran-Kondensern aufweist.
Nachteilig finde ich jedoch, dass die Stimme im Präsenzbereich etwas kratziger, reibender und hauchiger klingt, was besonders der klaren Stimme im Beispiel nicht gerade zuträglich ist. Die Natürlichkeit, mit der das RE20 S- und T-Laute überträgt, kann das RE320 nicht in diesem Umfang liefern. Ich muss unweigerlich an den immer etwas resonierend-schleifenden Charakter eines Sennheiser MD 421 denken, wenngleich diese Eigenschaft beim 421 wesentlich ausgeprägter ist. Doch wenn man RE320 und RE20 häufiger im Vergleich hört, wirkt das hellere Mikrofon (RE20) etwas runder, ausgewogener, unaufgeregter und bodenständiger als das RE320. Eine interessante Variation des Sounds gibt der Bassdrum-Modus. Denn nur weil er so heißt, ist es schließlich nicht verboten, ihn auch bei anderen Signalen zu verwenden, gell?
Es ist wirklich praktisch, eine schaltbare Bassdrum-Optimierung zu haben, besonders, wenn man wirklich eine „große Trommel“ mikrofonieren will. Denn ganz unter uns: Es ist schon ungemein praktisch, einen Schalter zu bedienen, das Mikro in die Bass zu hängen und einen nutzbaren Sound zu bekommen. Live ist manchmal einfach nicht viel Zeit, mit dem EQ und womöglich noch umfangreicher Positionierungsarbeit einen optimalen Sound zu erhalten: Nächste Band, Line-Check, los! Ich muss nicht verheimlichen, dass ich im Prinzip lieber ausreichend viel Kontrolle über mein Signal habe und schnell genervt bin, wenn mir das Mikrofon vorlaut in die Arbeit hineinredet. Schön ist deswegen, hier bei Bedarf einfach schalten zu können! Im Übrigen sorgt das auch für eine weitaus höhere Flexibilität des Werkzeugs als bei reinen Bassdrum-Mikros. Ein RE20 beispielsweise klingt auch hervorragend an Blech und Holz, an anderen Trommeln, mit Sprache, Gesang und an Verstärkern. Das ist beim RE320 nicht anders. Natürlich muss man zugunsten der Frequenzgangänderung auf das Hochpassfilter verzichten, doch ist das im Zweifel auch am Preamp einstellbar. Eine Kombination beider wäre natürlich ideal, denn etwa am Gitarrenamp möchte man vielleicht nur den Präsenzboost mitnehmen.
Für dich ausgesucht
Das Ergebnis des schwarzen Rüssels in der Großen Trommel ist tatsächlich ein dicker Bassdrumsound mit patschigem und sehr durchsetzungsfähigem, aber immer kontrolliertem Attack. Doch auch hier ist es meist ratsam, in den Tiefen etwas anzuheben – da tut es zur Not auch ein simpler Low-Shelf-EQ. Im Vergleich zum weicheren RE20 klingt das RE320 an der Bassdrum weitaus moderner. Wofür man sich letztlich entscheidet, ist dabei natürlich Geschmackssache.
Bonedoleser sagt:
#1 - 25.07.2012 um 08:29 Uhr
Hallo Nick,
das RE20 wird ja auch ganz gerne zur abnahme von Amps, sowohl Gitarre als auch zB an einer 8x10 Bassbox, eingesetzt.
Eignet sich da das RE320 deiner Meinung nach gleichermaßen?
Hel sagt:
#2 - 25.07.2012 um 15:56 Uhr
Klar, siehe dazu auch EV's homepage...ideal for capturing the critical details of voice, amplified, and acoustic instruments. Bereits selbst ausprobiert und für sehr gut empfunden.
Nick sagt:
#3 - 25.07.2012 um 23:12 Uhr
Hallo "Bonedoleser",ich kann mich "Hel" und EV anschließen. Natürlich ist die Frage nach der Eignung von vielen Faktoren (vor allem der Soundvorstellung) abhängig, aber verkehrt ist auch das RE320 sicher nicht. Die Charakterunterschiede, die bei der Stimme deutlich geworden sind, lassen sich auch auf andere Schallquellen übertragen.Beste Grüße,
Nick