Praxis
Prinzipbedingt robust und zuverlässig
Im schlimmsten Fall muss ein Reporter den ganzen Tag lang Fußgängerzonen auf- und abrennen, um mehr oder weniger sinnvolle Ergüsse der Menschen einzufangen. Insofern ist es natürlich vorteilhaft, wenn das Mikrofon, mit dem man vor den Gesichtern herumstochert, gut in der Hand liegt. Rein gewichtsmäßig trifft das auf das Electro-Voce RE50B zu, denn mit 270 Gramm ist es etwas leichter als etwa ein SM58, aber dennoch nicht so leicht, dass es schnell aus der Hand fällt. Das 20 Zentimeter lange Mikro könnte für größere Hände gerne etwas dicker sein oder zumindest konisch geformt, weil man es üblicherweise weit unten am Schaft hält. Ich habe recht große Hände und mich bei Nutzung eines ähnlichen Mikros schon mal dabei erwischt, das Kabel um den Korpus zu wickeln, um bei langem Gebrauch besser greifen zu können. Wichtiger in jedem Fall: Das Ding wirkt sehr robust, es gibt eigentlich nichts, was abbrechen oder sonst wie kaputtgehen könnte. Körbe mit Dellen kann man austauschen, Kratzer nennt man „Patina“ und Tauchspulenmikros arbeiten auch bei -20 Grad genauso zuverlässig wie bei 40 Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit.
Klang variiert kaum
Die Soundbeispiele zeigen, dass (wie zu erwarten) der Klang nicht sonderlich variiert, wenn man vergisst, dem Gegenüber das Mikrofon rechtzeitig auf die Nasenspitze zu richten und sich Einsprechwinkel und Abstand ändern. Das stabilste Polardiagramm hat die Richtcharakteristik Acht eines Einzelmembran-Mikros, Kugeln haben immer eine leichte Höhenanhebung bei frontaler Besprechung, weil sich für rückwärtigen Schall das Mikrofon quasi selbst im Weg ist – und das macht sich bei geringen Wellenlängen, also hohen Frequenzen zuerst bemerkbar. Dennoch ist es klanglich zu verzeihen, wenn etwas Bewegung im Spiel ist oder zwei Takes zusammengeschnitten werden müssen. Die Höhenanhebung durch den nur bei Druckempfängern auftretenden Druckstau fällt erst bei geringer Besprechung ins Gewicht, aber auch das nicht sonderlich stark.
Natürlicher Klang
Ganz generell klingt eine Kugel sehr natürlich, das gilt auch für das EV RE50B. Natürlich nimmt man mit der Kugel viele Umgebungsgeräusche auf und kann in lauten Umgebungen schlecht freistellen. Im Audiobeispiel fährt gerade die Bahn vorbei – da spart man sich quasi die zusätzliche Atmo-Aufzeichnung. Im Vergleich zu richtenden Mikros wie dem Shure 545SD oder dem Sennheiser MD 441 fällt auf, dass der Bass deutlich trockener und schwächer ist, die Natürlichkeit kann auch als „Langweiligkeit“ interpretiert werden. Das gilt aber nur im Direktvergleich, langfristig sind Kugel-Klänge durchaus angenehmer. Mit dem Electro-Voice erhält man ein rauscharmes Signal, das frei von Popplauten ist und auch extremes Umgreifen, ja sogar Schlagen gegen einen Gegenstand nicht mit einem irrsinnigen Pegelschub und einer automatisch unbrauchbaren Aufnahme quittiert.
Für dich ausgesucht
Hohe Sprachverständlichkeit
Das Mikrofon ist darauf getrimmt, Sprache verständlich aufzunehmen und nutzbar zu machen, wenn es mal schnell gehen muss, auch ohne den Einsatz von EQ und ausgefuchster Kompression. Während die Dynamik erstaunlich weit ist und auch Details sehr flott wiedergegeben wird, ist die Präsenzanhebung durchaus merklich. Diese der Verständlichkeit von Sprache zuträgliche Eigenschaft ist zunächst vorteilhaft und genau passend für typische kurze Radio- oder EB-Beiträge, bei längeren Interviews oder Dokumentationen stellt sich ein, dass der Charakter etwas zu bissig wirkt und das Gehör überanstrengt. Schlimm ist das überhaupt nicht, denn längere Beiträge werden ja üblicherweise geschnitten und auf diesem Wege auch audiomäßig optimiert (sofern es Budget und Kompetenzen/Personal zulassen). Bell-Filter bei 7 kHz, Q von 1,5, Gain von -3 dB – fertig ist man mit dem Thema und hat das EV „entschärft“.