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Erwartungshaltungen, Rechte und Pflichten beim Instrumentalunterricht

Für die einen ist das Erlernen eines Instrumentes die pure Freude und die Verwirklichung eines Traumes, für die anderen ist die Erinnerung an den Klavierlehrer, den man in seiner Grundschulzeit hatte, der reine Horror und mit Üben, Arbeit und mit Druck seitens der Eltern verbunden. Auch als Instrumentallehrer kennt man beide Seiten der Medaille und so stehen den Schülern, die täglich fleißig üben, auch eine Vielzahl von Schülern gegenüber, die nur auf Wunsch ihrer Eltern Musikunterricht nehmen und damit Diskussionen und häuslicher Auseinandersetzung vermeiden möchten.

(Bild: © Shutterstock Learning to play the guitar. Music education. Von: franz12)
(Bild: © Shutterstock Learning to play the guitar. Music education. Von: franz12)


Auch wenn es sehr viele Junginstrumentalisten gibt, bei denen der Instrumentalunterricht auf fruchtbaren Boden fällt, so empfindet das Dreigestirn Eltern-Kind-Lehrer oder manchmal auch nur das Schüler-Lehrer-Duo das Erlernen bzw. Vermitteln der musikalischen Fähigkeiten in manchen Fällen als Belastung, und das sollte definitiv nicht so sein. Der Grund liegt häufig in sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Wahrnehmung der Bringschuld, die jede Partei in den Prozess einfließen lässt und die manchmal zu Verhärtung der Fronten und zu Rollenmustern führt, die ein konstruktives Arbeiten erschweren oder unmöglich machen.
Hier soll der Versuch unternommen werden, Klarheit in die Rollen- und Aufgabenverteilung zu bringen und die Verantwortungen zumindest grob zuzuweisen, um einen attraktiveren Unterricht und allen Beteiligten positive und motivierende Ergebnisse zu ermöglichen.

1. Der Lehrer

Viele Instrumentalpädagogen an kommunalen Musikschulen sind studierte Musiker, die neben der Ausbildung an ihrem Hauptfach-Instrument auch eine pädagogische Unterweisung in ihrem Studium genießen, die je nach Hochschule qualitativ und in der Gewichtung unterschiedlich ausfallen kann.
Kommunale Musikschulen legen häufig Wert auf ein Diplom, Bachelor oder Masterstudium, was bedeutet, dass dort ein gewisses Mindestmaß an fundierter Ausbildung zu erwarten ist.
Andere Schulen, z.B. von privaten Trägern, führen häufig auch nicht-studierte Lehrkräfte, die durchaus ebenfalls solide Arbeit verrichten und möglicherweise auch das Geschick besitzen, Schüler zu motivieren.
Das Thema der Qualifikation und der Aussagekraft wurde übrigens bereits in diesem Artikel: “Welche Gage kann ich verlangen?” näher ausgeführt.
Vom Lehrer kann erwartet werden, dass er in der Lage ist, nach Einschätzung von Kenntnisstand, Reife und Alter des Schülers die adäquate Unterrichtsmethode individuell festzulegen. Das beginnt mit der Auswahl der Literatur: Unter Umständen hat ein flexibler Lehrer zum Beispiel für Erst-, Dritt- und Fünftklässler vollkommen verschiedene Lehrbücher zur Hand, die er gut kennt und dann gezielt einsetzen kann. Ich persönlich habe während meiner Lehrtätigkeit sogar das Bestellen dieser Unterrichtsmaterialien übernommen, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Das zusätzliche Empfehlen und Einschieben von Spielheften, Extrastücken oder Ähnlichem muss hier ebenfalls von Lehrerseite erfolgen. Hat ein Schüler beispielsweise Probleme mit einem gewissen Thema, einer Technik oder einem Stück, wird ein guter Pädagoge letzteres nicht acht Wochen lang spielen lassen, sondern eventuell ein anderes mit identischem Thema dazugesellen. So wird Langeweile vermieden und das Problem von einer zusätzlichen Seite angegangen.
Insgesamt sollte es dem Lehrer gelingen, ein Arbeitsklima aufzubauen, das den Schüler begeistert und darauf basierend die notwendigen Themen angemessen und altersgerecht aufzubereiten. Das schließt ein, auch selbst einmal etwas vorzuspielen, denn Lernen geschieht natürlich auch über das klangliche Vorbild, sei es bewusst oder unbewusst. Auch das Einbinden von Überraschungen wie z.B. nach Übung 15 nicht Übung 16 zu spielen, sondern in ein zusätzliches Heft auszuweichen oder etwas anderes folgen zu lassen, kann Abwechslung in das Unterrichtsgeschehen bringen.
Darüber hinaus kann der Lehrer gelegentlich auch gerne auf die Wünsche der Schüler eingehen und aktuelle oder vertraute Stücke, die ihn ansprechen und motivieren, heraushören und vorbereiten, sofern sie zum Stand des Schülers passen und didaktisch sinnvoll sind. Hier gilt es natürlich aus Lehrersicht auch, eine ordentliche Balance zu finden, denn zum einen ist man nicht primär als Transkriptionist beauftragt und zum anderen sollte man sich auch nicht zu oft von einem durchdachten Unterrichtsablauf abbringen lassen.
Die Arbeit des Lehrers in der Unterrichtsstunde besteht zum einen aus dem verdauungsgerechten Portionieren des Unterrichtsmaterials und dem didaktischen Aufbau der Präsentation. Ziel sollte es sein, den Schüler weder zu unter-, noch zu überfordern. Das verlangt pädagogisches Feingefühl, das ein erfahrener und gut ausgebildeter Lehrer jedoch mitbringen sollte. Dafür muss er die Unterrichtsstunden angemessen vorbereiten und kann z.B. auch ein kleines Protokoll führen, in dem er sie dokumentiert und die Hausaufgaben notiert.
Themen wie Körperhaltung, korrekte Handpositionierung etc. sind Aspekte, auf die der Lehrer konsequent hinweisen muss, und das unter Umständen über Jahre. Für besonders sinnvoll erachte ich es auch immer wieder, allgemeinmusikalische Aspekte wie z.B. Rhythmenklopfen, allgemeine Musiklehre, Harmonielehre, Notenschreiben, evtl. Geschichte u.v.m. in der Unterricht einfließen zu lassen. Das lockert den Unterrichtsalltag auf und trägt auch losgelöst vom Instrument zur nicht nur musikalischen Allgemeinbildung bei.
Ebenfalls nützlich finde ich es, Vorspiele als Kurzzeitziele anzusetzen und zum Mitmachen bei Bands oder kleinen Ensembles zu animieren, bei denen man ein paar Schüler zu einer Gruppe zusammenfasst. Musik vorzustellen und Empfehlungen zu geben kann ebenfalls helfen, dem Schüler die Augen und Ohren für die breite Palette an Musikstilen und große Künstler zu öffnen. Außerhalb des Unterrichtsgeschehens sollte der Instrumentalpädagoge auch telefonisch für Elterngespräche bereitstehen, Übetipps geben und über den Stand des Schülers informieren.
Häufig hört man von Instrumentalpädagogen auch Sätze wie: “Der Schüler kommt nur zum Reden und übt eigentlich nie, dann begreife ich mich halt als Gesprächs- und Beschäftigungstherapeut”. Diese Haltung wäre dann legitim, wenn sie mit den Eltern abgesprochen ist, entspricht aber nicht dem eigentlichen Sinn und Zweck des Instrumentalunterrichts. Auch kann man sie nicht von einem Instrumentallehrer erwarten und es ist durchaus angemessen, sich mit Verweis auf die fehlende Qualifikation für eine solche “Therapieform” gegen ein solches Vorgehen zu entscheiden.

(Bild: © shutterstock / franz12)
(Bild: © shutterstock / franz12)

2. Anfängerunterricht und Eltern

Die Schülereltern nehmen eine wesentlich wichtigere Rolle im Gelingen des Instrumentalunterrichts ein, als ihnen womöglich bewusst ist, denn ohne ein wirklich kooperatives Elternhaus kann der Unterricht in den allermeisten Fällen nicht gelingen. Das beginnt mit der Anschaffung des Instrumentes in einer angemessenen Qualitätsstufe. Häufig sieht man Schüler mit extrem geringwertigen Instrumenten, auf denen das Spielen und Üben nur begrenzt Freude bereiten kann. Hier sollte in jedem Fall dem Rat des Instrumentalpädagogen Folge geleistet werden. Natürlich kostet gutes Equipment normalerweise etwas mehr, aber man muss sich vergegenwärtigen, dass Einstiegsinstrumente, die die Mindestanforderungen erfüllen, auch sehr gut wieder über den Lehrer an Neuschüler verkauft werden können, wenn der Schüler aufhört oder ein größeres oder besseres Modell benötigt.
Auch das Schaffen eines angemessen Arbeitsplatzes ist essenziell für den Erfolg. Schüler sollten ungestört und ohne Ablenkung an einem halbwegs attraktiven Platz üben können, sei es im Wohnzimmer am Klavier oder im Kinderzimmer mit Notenständer und ausreichend Licht.
Die höchste Belastung für die Eltern ist jedoch sicherlich das Einfordern des regelmäßigen Übens, und diese Verantwortung liegt auch eindeutig und überwiegend bei ihnen, denn ein Instrumentallehrer, der den Schüler nur 30 Minuten pro Woche sieht, hat darauf nur begrenzten Einfluss. Selbstverständlich gibt es Schüler, die vollkommen freiwillig und selbstbestimmt zu ihrem Instrument greifen und jeden Tag ihre 20 Minuten üben, aber das ist sicherlich die Minderheit. Als Richtwert für das absolute Minimum empfehle ich: 15 Minuten an 5 Tagen pro Woche – ideal wären 20-30 Minuten.
Sollte dieses Mindestmaß nicht erfüllt werden, muss man konstatieren, dass Unterricht weder sinnvoll noch zielführend ist und sich als Lehrer das Recht vorbehalten, das Unterrichtsverhältnis zu beenden. Dem Schüler und den Eltern muss klar sein, dass man ein Instrument nicht in der Unterrichtsstunde, sondern dazwischen lernt! Sehr häufig sind mir Sätze begegnet wie: “Also ich möchte ihn nicht jeden Tag ans Üben erinnern”, “Aber er hat keine Lust zu üben”, “Ich habe keine Zeit”. Das alles ist durchaus legitim, aber dann gehört es auch zur Ehrlichkeit einzusehen, ab wann Unterricht sinnlos ist.
Natürlich vermittelt man auch Schülern, die kaum Üben, möglicherweise einen Zugang zur Musik, der ihnen zu einem späteren Zeitpunkt ein anderes Verständnis für das Konsumieren, Erlernen oder Praktizieren eines Instrumentes ermöglicht, doch das ist sicher nicht die Regel. Hilfreich für ein regelmäßiges Üben ist z.B. das feste Einbetten des Übeprogramms in den Tagesablauf oder sogar in die Schul-Hausaufgaben. Etwas Abwechslung zwischen Mathematik und Englisch kann sehr erfrischend sein!
Das Thema Üben und Lust darauf ist demnach ein Teufelskreis, denn der Spaß kommt mit dem Erfolg und der Erfolg mit dem Üben. Die Kunst ist, dem Schüler Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, die seine eigene, innere Motivation anfachen und ihn ohne äußeren Zwang oder Druck zum Üben anspornen. Die muss zwar auf der einen Seite der Lehrer einleiten und auch realistisch ermöglichen, aber das funktioniert nur durch enge Kooperation mit den Eltern, die ansonsten täglich das Übe-Pensum einfordern müssen und hier eine extrem hohe Verantwortung besitzen, von der man sie nicht freisprechen kann. Einmal pro Woche das Kind beim Unterricht abzusetzen, reicht bei den meisten Schülern leider bei weitem nicht aus, will man Erfolge sehen.
Mein Tipp an die Eltern: Ab und zu beim Stundenwechsel an der Musikschule vorbeischauen und einfach mal nachfragen, ob alles in Ordnung ist.
Auch ist es ein Trugschluss zu glauben, dass das Erlernen eines Instrumentes ununterbrochen “Spaß” machen muss. Ganz im Gegenteil: Musik ist ein hochkomplexes Feld, das unglaubliche kognitive und motorische Leistung abverlangt. Das Spielen macht zwar meistens Spaß, aber der Weg dorthin ist oft auch harte Arbeit, die bestimmt nicht immer nur Freude bereitet, sondern eher einer Berg- und Talfahrt gleicht. Neue Themen lösen alte Themen ab, Schwieriges folgt auf Leichtes. Zu glauben, dass Kinder diese Veränderungen mit immer gleichem Gemütszustand mitmachen, ist eine Illusion. Dass sie sich immer freiwillig hinsetzen, um nach der Schule noch zu üben, häufig ebenfalls. Wer hier bereits aufgibt, den Schüler abschreibt und ihn nicht zum Durchhalten animiert, beraubt ihn der wertvollen Erfahrung, eine schwere Hürde aus eigener Kraft genommen zu haben. Natürlich kann es vorkommen, dass dem Schüler das Instrument oder Musik generell keine Freude bereiten, und falls dies über einen längeren Zeitraum so bleibt, besteht natürlich Handlungsbedarf – Zwang bringt dann herzlich wenig. Entsteht partout keine Lust und Freude am Musizieren, sollte man das auch nicht als eine Niederlage oder Scheitern empfinden, denn es stellt sich generell die Frage, ob jedes zweite Kind in Deutschland tatsächlich ein Instrument lernen muss, und das am besten noch neben Fußball-, Tischtennis- und Basketballtraining zusätzlich zu einem G8-Gymnasien-Alltag. Nicht jeder besitzt die notwendige Affinität zur Musik und den wirklich tiefen Willen, ein Instrument zu beherrschen, und das ist auch vollkommen in Ordnung.
Dennoch gilt es, eine temporäre Unlust von einer generellen zu unterscheiden und sehr häufig ist nach meiner Erfahrung erstere der Fall. Daher lautet mein Rat, seine Kinder durch diese Talsohlen zu begleiten, sie zu animieren und sich grundsätzlich regelmäßig etwas vorspielen zu lassen, denn das zeigt Interesse und nimmt Auftrittsangst.
Ein Kollege von mir sagte einst zu Schülereltern im Anfängerunterricht: “Wenn ihr Kind ein Instrument lernt, müssen sie es eigentlich mitlernen”.

(Bild: © Foto: © fotolia / bdavid32)
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3. Der Schüler

Schüler haben in einem Unterrichtsverhältnis normalerweise den Anspruch auf regelmäßigen Unterricht. Auch wenn Unterrichtsvereinbarungen manchmal unterschiedlich und individuell ausgehandelt werden, garantieren Verträge in der Regel, dass die Stunden wöchentlich während der Schulzeit erteilt werden. Sagt der Lehrer eine Stunde (Ausnahme: Krankheitsfall) ab, so hat der Schüler das Recht auf einen Ersatztermin. Im umgekehrten Fall, also falls der Schüler aus Krankheit oder anderen Gründen absagt, entsteht in der Regel kein Anspruch auf Erstattung oder Nachholung.
Schüler dürfen zu Recht erwarten, dass der Instrumentalpädagoge seine Aufgabe gewissenhaft angeht und sich auf die Stunde gut vorbereitet. Die Haltung der sogenannten “Hammer-Lehrer” (“Was ham’ mer denn in der letzten Stunde gemacht?”), die keine Ahnung mehr haben, was in der letzten Stunde erarbeitet wurde, ist bestimmt kein Zeugnis für eine gute Unterrichtsvorbereitung.
Auf der anderen Seite darf der Lehrer erwarten, dass der Schüler seine Hausaufgaben erledigt und das Mindest-Übepensum erfüllt. Auch wenn jeder Schüler individuell gefördert werden muss, so gibt es dennoch losgelöst von persönlichen, geschmacklichen und stilistischen Präferenzen ein Grundstock an Handwerkszeug, das schlichtweg jeder erlernen muss. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass man sich als Junginstrumentalist etwas gedulden muss, bis die favorisierten Stücke oder Künstler behandelt werden können.
Eigene Vorschläge mitzubringen sollte grundsätzlich möglich sein, allerdings hat man als Schüler keinen Anspruch darauf, dass alle immer umgesetzt werden. Hier sollte man lernen, dem Lehrer zu vertrauen, dass er Vorschläge in das Unterrichtsgeschehen einfließen lässt, wenn sie thematisch passen. Mein Tipp an Schüler ab einem gewissen Stand auf dem Instrument lautet: Gebt eurem Lehrer eine Liste mit Stücken, die ihr gerne mal im Unterricht behandeln würdet und überlasst ihm dann die Auswahl und den passenden Zeitpunkt.
Auch sollte man keine Angst davor haben, sich einzugestehen, wenn ein Unterrichtsverhältnis einfach menschlich nicht “passt” oder wenn schlichtweg kein wirkliches Interesse vorhanden ist. Jeder Lehrer wird dafür Verständnis aufbringen und Alternativen oder Lösungen anbieten.

Fazit

Ziel einer solchen Bestandsaufnahme soll es natürlich nicht sein, Schuldzuweisungen für das Nichtgelingen des Instrumentalunterrichts auszusprechen, sondern vielmehr, einen konstruktiven Zugang zu diesem Thema zu gewinnen. Jeder der beteiligten Parteien muss sich seiner Verantwortung bewusst werden, soll das Erlernen eines Instrumentes gute Ergebnisse erzielen. Dazu gehört auch ein offener Umgang mit den Wünschen und Problemen, die jeder in das pädagogische Verhältnis einbringt.
Als Lehrer sollte man ganz klar kommunizieren, was man von Schülern und Eltern erwartet, auf der anderen Seite hingegen ist es notwendig, dem Lehrer die eigenen Wünsche und Möglichkeiten mitzuteilen, um einen fruchtbaren Lernweg beschreiten zu können.
Wenn alle Beteiligten diese Grundsätze beherzigen, kann das Erlernen eines Instruments ungeheuren Spaß bereiten und jedem Schüler den Zugang in eine fantastische Welt ermöglichen, von der er möglicherweise sein ganzes Leben profitieren wird.

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