Evans Hybrid Sensory Percussion: Eine Frage des Trainings
Sobald die Sensoren an den Trommeln angebracht sind, geht es ans Training. Und keine Sorge, dabei müssen weder Gewichte gestemmt noch sonst irgendein unliebsamer Sport betrieben werden. Es geht vielmehr darum, den Algorithmus so zu trainieren, dass er später gut zwischen den vielen verschiedenen Spieltechniken unterscheiden kann. Im ersten Schritt gibt man an, wie viele Sensoren angeschlossen sind und an welcher Art von Trommel sie sitzen – also Bassdrum, Snaredrum oder Tom. Und auch die Größe der Trommel und der Typ des Fells (regulär oder Mesh) sind wichtig.
Das „richtige“ Training beginnt im nächsten Schritt. Dabei müssen für jede Zone oder Spieltechnik mehrere Beispielschläge gemacht werden, die sich das System als Referenz für die Erkennung merkt. Sollten später Probleme mit der Unterscheidung auftreten, ist es jederzeit möglich, an diesen Punkt zurückzukehren. Sogar das Abspeichern von Varianten der Input-Konfiguration und des Trainings ist möglich. Sehr fein!
Hochleveln à la Sensory Percussion
Manch einer ist froh, wenn er eine Trommel überhaupt trifft. Von Anfang an zehn verschiedene Zonen zu bedienen, kann durchaus fordernd wirken. Von daher ist es sinnvoll, dass man die Zonen in mehreren Levels Schritt für Schritt freischaltet.
Level 1 begnügt sich mit vier Spielzonen, während Level 2 bereits sieben Zonen und Level 3 die volle Packung mit allen zehn Zonen enthält. Snare und Toms entsprechen sich dabei weitgehend. Einen Überblick gibt es in der folgenden Tabelle.
Für dich ausgesucht
Lv1 | Center | Mitte des Fells | einfacher Schlag |
Lv1 | Edge | Rand des Fells | einfacher Schlag |
Lv1 | Rim-Shoulder | Spannreifen | Schaft des Stocks |
Lv1 | Rim-Tip | Spannreifen | Bereich um die Stockspitze |
Lv2 | Rimshot-Center | Mitte des Fells | Kantenschlag (Fell & Spannreifen) |
Lv2 | Rimshot-Edge | Rand des Fells | Kantenschlag (Fell & Spannreifen) |
Lv2 | Cross-Stick | Spannreifen | klassische Cross-Stick-Technik |
Lv3 | Damped | Rand des Fells | Gedämpft mit der Hand |
Lv3 | Stick-Shot | Mitte/Rand des Fells | Schlag auf aufliegenden Stock |
Lv3 | Shell | Kessel | einfacher Schlag |
Bei der Bassdrum weichen die Spieltechniken natürlich ab. Hier wird zwischen offenen Schlägen und abgedämpften Schlägen („bury the beater“) unterschieden. Und auch Schläge an Spannreifen, Böckchen und Kessel erkennt das System. Dazu kommen bei allen Trommeln und Zonen die Anschlagstärke und die Schnelligkeit, über die ebenfalls Klänge und Effektparameter beeinflusst werden können. In manchen Fällen ist zudem die genauere Position des Stocks auf dem Fell ausschlaggebend. Es gibt dann also nicht nur Mitte und Rand, sondern auch Schattierungen dazwischen. In Sensory Percussion wird das als Timbre bezeichnet. Man sieht: Die Möglichkeiten, den Klang zu beeinflussen sind vielfältig.
Soundpacks, Sets und Sessions
Die Sensory Percussion Software (getestet in Version 2.1) bietet sechs Soundpacks aus unterschiedlichen Kategorien. Enthalten sind insgesamt 120 Sets. Das sind sozusagen die Presets des Systems, die wiederum Sounds für verschiedene Trommeln und Zonen in sich vereinen. Die Benutzeroberfläche wird dabei sehr liebevoll und passend zum gewählten Set in einem bestimmten Thema dargestellt. Zudem finden sich Informationen zu den teilweise recht komplexen Zusammenhängen – und diese sind nicht nur hilfreich, sondern oftmals auch unterhaltsam.
Sessions sind dagegen Container, die mehrere Sets enthalten. Das ist z.B. sinnvoll, wenn man eine Art Setliste für Konzerte erstellen möchte. Sehr schön: Zum Kennenlernen gibt es pro Soundpack eine Session, die alle zugehörigen Sets enthält.
Viele der Sets sind wirklich inspirierend. Mehrmals habe ich während des Tests beim Spielen die Zeit vergessen. Auch wenn die Audiobeispiele meines Hybrid-Setups schon eine gewisse Aussagekraft haben, werden die Zusammenhänge im Video noch viel klarer. Gesagt sei an dieser Stelle nur: Wer seine eigenen Sets mit eigenen Sounds zusammenbauen möchte, der sollte bereit sein, sich auf ein sehr komplexes System einzulassen. Eine gute Möglichkeit für den Anfang ist, bestehende Sets zu modifizieren und zum Beispiel mit eigenen Samples zu bestücken.
Und wozu das jetzt alles?
Die Frage, was man nun mit Sensory Percussion anfangen soll, ist durchaus berechtigt. Ich persönlich sehe das System als eine Möglichkeit, sich auf der Bühne mit vielfältigen elektronischen Sounds auszuleben. Dabei muss es nicht zwangsweise um avantgardistischen Electro-Jazz gehen. Auch in „bodenständigeren“ Genres ist der Einsatz von Sensory Percussion definitiv denkbar. Der Anteil von melodischen Elementen und Akkorden überzeugt mich dagegen nicht vollständig und wird vom Publikum vermutlich oft als ein laufendes Playback wahrgenommen werden.
Zum Basteln von Beats im Studio gibt es meiner Meinung nach bessere Alternativen. Ein wesentliches Kriterium ist dabei, dass man mit Sensory Percussion nicht ohne weiteres auf dem gleichen Rechner spielen und aufnehmen kann. Noch wesentlicher ist aber, dass das Editieren des Materials dann nicht mehr so einfach möglich ist, da man bereits mit starrem Audio arbeitet. Systeme wie Ableton Push oder NI Maschine sind da besser geeignet. Dies sind allerdings prinzipbedingte Punkte, die ich dem System nicht anlasten möchte.
Als Zubehör für ein leises Übe-Set mit Mesh Heads sehe ich Sensory Percussion ebenfalls nicht. Erstens gibt es keine Trigger für Becken (bzw. Silent Cymbals) und zweitens ist der Toontrack EZdrummer 3 um Welten detailreicher gesampelt als die akustischen Kits der Library. Da helfen auch keine zehn Zonen pro Trommel. Ein gut zugängliches internes Metronom wäre übrigens auch allgemein hilfreich.