Bereits vor drei Jahren hatte ich die Ehre, den weltbekannten Keyboarder Derek Sherinian (Alice Cooper, Ex-Dream Theater, Black Country Communion) in seinem eindrucksvollen Studio in Los Angeles zu besuchen. In diese Zeit fiel auch die Fertigstellung des Debut-Albums „Psychotic Symphony“ der Super-Group Sons Of Apollo, für welches er u. a. viele Titel komponiert hatte. Schon alleine für einen Blick in sein Studio hatte sich der Besuch gelohnt, denn Derek besitzt wirklich alles, was ein Keyboarder-Herz höherschlagen lässt: Rhodes, Wurlitzer, Hammond-Orgel, diverse Verstärker, Moog, Prophet 5 und nahezu alle kultigen Vintage-Synthesizer, die man sich nur vorstellen kann.
In der Zwischenzeit ist natürlich viel passiert: Derek hat mit seiner Band Sons Of Apollo bereits drei Alben veröffentlicht, er ist als Studio-Keyboarder auf vielen weiteren Aufnahmen zu hören und hat jüngst am 18. September 2020 sein achtes Solo-Album „The Phoenix“ veröffentlicht. Viele seiner Fans haben gerade dieses Album lange herbeigesehnt, denn das letzte Solo-Album „Oceana“ wurde 2011 veröffentlicht.
Für das aktuelle Album kollaborierte Derek Sherinian erneut mit seinem langjährigen Weggefährten Simon Phillips, welcher auf dem Album nicht nur als Schlagzeuger auf allen Titel mitspielte, sondern auch als Toningenieur und Co-Produzent mitwirkte. Die lange Liste der Gastmusiker liest sich wie das ‚Who Is Who‘ der Rockmusik: neben den Bassisten Billy Sheehan, Jimmy Johnson und Tony Franklin wirken großartige Gitarristen wie etwa Joe Bonamassa (Black Country Communion), Zakk Wylde (Black Sabbath), Ron ‚Bumblefoot‘ Thal (Sons Of Apollo) mit. Daneben hat auch der Star-Gitarrist Steve Vai sowie Kiko Loureiro (Megadeth) einen Gastauftritt. Ein weiterer Special Guest ist der armenische Theremin-Spieler Armen Ra.
Höchste Zeit also, dass Derek Sherinian uns auf den neuesten Stand bringt.
Interview
Hi Derek, herzlich willkommen zu unserem Exklusiv-Interview und Geartalk für bonedo.de. Wir freuen uns darauf dich wieder interviewen zu können. Gerade ist dein achtes Solo-Album „The Phoenix“ veröffentlicht worden – wann hast Du angefangen die Stücke zu komponieren?
Ich habe damit vor 18 Monaten begonnen – es war nach dem letzten Album „Oceana“ nach neun Jahren endlich an der Zeit! Ich hatte einen neuen Platten-Deal bekommen und danach sofort Simon Phillips angerufen. In nur fünf Tagen haben wir dann das grobe Konzept und die Struktur von „The Phoenix“ erarbeitet. Dabei hatten wir auch eine klare Vision welche Musiker wir dafür gerne einladen würden.
Simon Phillips gehört zu deinen langjährigen Weggefährten – zusammen habt ihr ja bereits zahlreiche Alben aufgenommen und produziert. Wie ist das mit den Kompositionen, arbeitet ihr auch schon in dieser Phase zusammen?
Ich kenne Simon schon sehr lange. Menschlich und musikalisch stimmt die Chemie einfach, und das gilt auch für das Songwriting. Meistens komme ich mit ein paar Ideen und verschiedenen Parts zu ihm, wobei ich nie vollständige Songs „abliefere“. Manchmal schreibe ich zwar auch alleine, oftmals aber gebe ich mit meinen Ideen erstmal Anstöße und lasse noch etwas Raum, damit Simon den weiteren Weg mitbestimmen kann. Er hat immer viele großartige Ideen und ein gutes Ohr für Melodien und Rhythmen: So entstehen weitere Song-Parts, die perfekt zu meinen Ideen passen. In der Zusammenarbeit liegt also das Geheimnis, denn da entstehen viele großartige Dinge. Das ist für mich einer der Gründe, warum ich so gerne mit Simon Phillips kollaboriere.
Schon die erste Kollaboration von Simon und Dir auf dem zweiten Solo-Album „Inertia“ hat mich damals stark beeinflusst. Damals hatten wir noch ein 56k Modem und ich habe Minuten warten müssen, um den Teaser zu dem Song zu hören. Jedenfalls hat mich der Titelsong Inertia mit den imposanten und vielschichtigen Klangwelten sehr begeistert. Dazu der bombastische Sound von Simon Phillips – die Platte gehört musikalisch und klanglich bis heute zu meinen absoluten Favoriten.
Das freut mich! Einer der Gründe, warum wir so gut miteinander arbeiten können liegt alleine schon darin, dass Simon Phillips einen so großen Einfluss auf mich selbst hatte! Ich habe ihn 1980 zum ersten Mal gehört: auf einem Album von Michael Schenker und kurz darauf auf Jeff Becks „There And Back“. Was mich dabei wirklich beeindruckte war die Tatsache, dass dieser Drummer beide Musikstile so großartig bediente und dabei auch noch so einen eigenständigen Sound hatte. Immerhin waren diese beiden Alben doch so unterschiedlich. Ich wollte genau diesen Einfluss und diese Wirkung auch auf meine musikalischen Projekte haben. Bis heute gehört das zu meinem absoluten Ziel: Vielseitig zu sein und einen hohen Wiedererkennungswert zu haben!
Für dich ausgesucht
Für mich hast Du diesen Wiedererkennungswert schon immer gehabt. Aufgefallen ist mir dein sehr prägnanter Lead-Sound auf dem Dream Theater Album „Falling Into Infinity“, was mich als 16-jähriger sehr stark beeinflusst hat. Damals habe ich es aufgrund des interessanten Covers einfach gekauft, ohne zu wissen was mich erwarten würde. Dabei hat diese CD meine musikalische Entwicklung dann nachhaltig geprägt. Gibt es diesen Lead-Sound eigentlich heute noch, und womit erzeugst Du ihn? Damals konnte man dich live immer mit Korg Trinity oder Korg Triton sehen.
Tatsächlich gibt es diesen Sound auch heute noch – allerdings spiele ich ihn mit einem Korg Kronos. Ich bin seit vielen Jahren Korg Endorser. Damals habe ich zusammen mit dem Korg Sounddesigner Jack Hotop nach einem Sound gesucht, der meinen Wünschen entspricht. Das Ergebnis war der berühmte „Monster Lead“ Sound, den es auch als Preset auf der Trinity gab. Den Sound verwende ich heute immer noch, und mache Gebrauch von verschiedenen Controllern: Dazu gehören Ribbon-Controller und Joystick, um Artikulationen zu spielen, wie sie ein Gitarrist benutzt. Palm-Muting, Squeels – es gibt so viele klangliche Layer, die ein Gitarrist benutzen kann. Dabei geht es mir nicht nur um die Noten, sondern auch sehr um die spezifischen Artikulationen, die auch mein Spiel ausmachen. Es ist viel mehr als nur ein Verzerrer, der in den Signalweg eingeschliffen wird.
Hat sich dein Lead-Sound über die Zeit denn weiterentwickelt? Ich erinnere mich daran, dass ich bei meinem Besuch in deinem Studio vor knapp drei Jahren einen kleinen Vorgeschmack auf einen Sound aus dem Nord Lead bekommen habe. Ich erinnere mich auch an einen Eddie Van Hallen Verzerrer, den Du ausprobiert hattest.
Mit der Zeit habe ich mich tatsächlich wieder etwas vom Monster-Lead wegbewegt. Ich spiele den Monster-Lead zwar immer noch – so z. B. auch auf einigen Tracks auf „The Phoenix“ – allerdings kommt mein primärer Lead-Sound mittlerweile aus dem Nord Lead 3, welchen ich seit dem Jahr 2000 besitze. Diesen schicke ich durch Gitarren-Amps, z. B. Marshall oder Engl Amps und mikrofoniere sie. Aktuell probiere ich einen Friedman Steve Stevens Verstärker aus, ansonsten benutze ich gerne den Engl Invader. Zusätzlich benutze ich in der Signalkette ein Delay-Pedal, oder einen Flanger. Was nicht fehlen darf ist der genannte EVH Overdrive. Wie mein Setup genau aussieht, das zeige ich euch später noch in einem Video.
Du bist in deinem Spiel sehr von Gitarristen beeinflusst worden. Bleiben wir also beim Thema: Auf deinem neuen Album spielen einige der weltbekanntesten Gitarristen. Wie kam es zu dieser Auswahl?
In der Eröffnungs-Nummer wollte ich unbedingt Zakk Wylde als Gast haben. Außerdem wusste ich, dass Steve Vai mitwirken würde. Ich hatte ihm bereits einen Entwurf eines Songs gespielt und er hatte sofort zugesagt. Bumblefoot ist mein Bandkollege bei Sons Of Apollo und spielt auf einigen Tracks mit, die ich ursprünglich für Steve Lukather vorgesehen hatte. Steve war allerdings so sehr in Ringo Starrs Band involviert, dass er leider keine Zeit hatte das Album einzuspielen. Mit Ron „Bumblefoot“ Thal hatte ich eine so großartige Zeit in der Band Sons Of Apollo, dass ich ihn dann auch für mein Solo-Album gefragt hatte. Simon kannte ihn noch nicht und er war überaus begeistert. Bumblefoot ist ein Super-Talent und er hat eine vielversprechende Zukunft – ganz egal, was er macht. Sein Stil ist großartig, außerdem ist er einer der lustigsten Menschen die ich kenne!
Daneben hast Du einen ganz besonderen Gast auf deiner Platte: Der armenische Theremin-Spieler Armen Ra wirkt auf einigen Songs mit. Deine Familie hat ebenfalls armenische Wurzeln – kanntet Ihr euch schon vor dieser Kollaboration?
Ich habe Armen Ra bisher tatsächlich noch nicht real kennengelernt. Meine Freundin hatte mich auf sein großartiges Spiel aufmerksam gemacht. Ich hatte häufiger mal mit einem Theremin-Patch auf dem Keyboard gespielt und wollte diesen Sound benutzen. Aber als ich Armens Spiel gehört habe, war mir klar, dass er diese Parts mit einem echten Theremin einspielen musste. Tatsächlich hat Armen alle Spuren innerhalb eines Tages aufgenommen und mir online zugeschickt.
Außerdem hat der brasilianische Gitarrist Kiko Loureiro mitgewirkt. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Ich kenne Kiko schon aus meiner Zeit bei Dream Theater. Er war damals mit der Band Angra unterwegs und wir haben gemeinsam einige europäische Festivals gespielt. Vor etwa sieben Jahren wurde er dann plötzlich mein Nachbar – hier in Kalifornien. Wir hingen zusammen ab und ich dachte es wäre eine schöne Idee, zusammen mit ihm zu arbeiten. Also lud ich ihn in mein Studio ein. Zusammen schrieben wir den Song Pesadelo. Diese Nummer ist besonders „heavy“ und hat außerdem ein sehr schönes Flamenco Interlude in der Mitte des Songs.
Du hattest eingangs erwähnt, dass der Großteil der Musik auf deinem Album schon vor 18 Monaten geschrieben wurde. Habt ihr alle zusammen im Studio aufgenommen?
Ein großer Teil der Aufnahmen entstand schon letztes Jahr. Ich habe die Drums mit Simon im Studio aufgenommen. Einige der Gäste haben wir allerdings per Overdub aufgenommen. Im Übrigen befindet sich auf der Platte auch ein Cover: „Them Changes“ ist ein Song von Buddy Miles, und Joe Bonamassa hat ihn gesungen.
In der Zeit der Album-Produktion hat sich sicherlich einiges geändert. Wie bist Du mit dem Corona-Lockdown umgegangen und inwiefern hat dich die Situation beeinflusst?
Die Corona-Situation stellt uns Künstler natürlich vor besondere Herausforderungen. Für keine Band ist es gerade möglich, auf Tour zu gehen. Und dennoch gibt es Wege und Möglichkeiten, weiterhin aktiv zu bleiben. Ich habe in der Zwischenzeit eine Vielzahl an Studio-Sessions aus meinem eigenen Studio gemacht. Das mache ich schon seit langer Zeit, aber gerade jetzt ist es eine besonders schöne Sache. Erst letzten Monat hatte ich die Ehre für den großartigen deutschen Gitarristen Michael Schenker ein paar Keyboards aufzunehmen. Ich habe damals auf einem Album anlässlich seines 50. Jubiläums mitgewirkt und er war sehr zufrieden mit meinen Spuren. Jetzt hat er mich erneut gefragt. Außerdem habe ich gerade für die Band Whitesnake aufgenommen. „The ROCK Album“ heißt es und ist kürzlich veröffentlicht worden. Sie haben mich gleich schon für zwei weitere Alben gebucht, die bald aufgenommen werden.
Gestern habe ich beispielsweise für drei unterschiedliche Gitarristen aufgenommen, die aus Finnland, Texas und Schottland kommen. Und das alles an einem Tag! Ich befinde mich in der glücklichen Lage, für Musiker aus aller Welt aufnehmen zu dürfen. Wer mich für eine Aufnahme buchen möchte, der kann mich über Instagram oder Twitter kontaktieren – so einfach ist das. Was zunächst als kleiner Nebenverdienst anfing hat sich mittlerweile zu einem richtigen Business entwickelt. Die Technik macht außerdem möglich, dass wir diese Wege gerade jetzt besonders gut nutzen können. Wer Derek Sherinian auf seiner Platte haben möchte, der darf mich also gerne kontaktieren!
Gerade in dieser Krise zeigt sich auch, wer sich schnell anpassen kann. Vielleicht gehört das zu den Fähigkeiten, die uns als Menschen ausmacht: neue Umstände erfordern eben ein wenig Umdenken. Kreativ sein.
Das sehe ich genauso. Wir müssen uns sowieso immer wieder anpassen. Jeder muss herausfinden, welche Wege es noch gibt, um Geld zu verdienen. Seien es Live-Streams, Online-Unterricht oder eben Studio-Sessions aus dem Heimstudio. Für mich ist Letzteres auf jeden Fall eine sehr willkommene Option. Immerhin habe ich alle möglichen Instrumente hier – früher musste ich sie immer leihen und heute habe ich die Möglichkeit, alles von hier aus aufzunehmen. Dazu habe ich das Privileg mit den weltbesten Musikern zusammen arbeiten zu dürfen.
Bislang waren deine Solo-Projekte immer reine CD-Veröffentlichungen. Gibt es Pläne, dein Solo-Programm live auf die Bühne zu bringen?
Diese Pläne existieren tatsächlich. Allerdings ist es gerade schwierig, Live-Shows zu planen. Mit meiner Band Sons Of Apollo mussten wir gerade Termine absagen und wir hoffen, nächstes Jahr im Frühling wieder in Europa auf Tour zu sein. Zudem brauche ich für mein Programm einen großartigen Gitarristen, der die vielen Songs mit verschiedenen Gitarristen live gut umsetzen kann.
Lass’ uns ein wenig über Songwriting sprechen. Wie gehst Du an das Thema heran – hast Du eine Routine? Wie war das z. B. bei dem Song Dragonfly?
Ich starte den Tag meistens damit morgens in mein Studio zu gehen und aufzunehmen. Dann setze ich mich z. B. ans Klavier oder an einen Synthesizer und spiele meistens ein wenig drauf los. Eine Stunde in etwa. Hier kommen mir oft gute Ideen. Außerdem höre ich mir die Aufnahmen oft an und merke mir die Stellen, die mir gut gefallen. Diese Dinge schaue ich mir dann genauer an und versuche daraus etwas zu machen. Bei Dragonfly war das der Fall. Ich hatte eine Idee und habe sie dann mit zu Simon gebracht. Er fand es großartig und hat diese Idee dann zusammen mit mir weiterentwickelt. Wie haben den Song zusammen fertiggestellt.
Simon Phillips spielt außerdem mit der japanischen Pianistin Hiromi und schlug mir bei Dragonfly vor, die Nummer nur am Flügel zu spielen – so wie es auch bei Hiromi der Fall ist. Bislang waren meine Nummern eher weniger akustisch. Die Resonanz auf das Video zu Dragonfly war dann aber so groß, dass mich sogar verschiedene Promoter und Booker anriefen und mir z. B. anboten eine Trio-Tour mit Simon zu spielen, oder ein akustisches Solo-Album zu veröffentlichen. Am Klavier ist man ja gewissermaßen „nackt“ und das ist sehr „ehrlich“. “. Jedenfalls ist das eine besondere Herausforderung und gehört zu den Dingen, die ich sehr gerne in der Zukunft umsetzen möchte.
Neben dem akustischen Piano ist eine Menge Hammond-Orgel zu hören. Wer sind deine Einflüsse, wenn es um das Thema Hammond geht?
Der erste wichtige Vertreter ist Jon Lord (Deep Purple). Ich war etwa 16 Jahre alt als ich das Highway Star Solo hörte. Für mich gibt es keinen besseren Sound als die verzerrte Hammond B3. Der Sound ist fett, komplementiert die Rhythmus-Gitarre und macht alles sehr „heavy“. Es gibt sehr viele Keyboarder, die diesen Rock-Sound nicht wirklich wiedergeben können. Das ist etwas, was mir persönlich sehr wichtig ist: Großartige, zeitlose Rock’n’Roll Sounds. Daneben gehören Bands wie Boston und Kansas zu meinen Einflüssen – weil sie diesen Hammond-Sound hatten.
Und wie sieht das in der Welt der Synthesizer aus?
Hier gehört Jan Hammer zu meinen großen Einflüssen. Er hat einen Lead-Sound, der sehr Gitarren-ähnlich ist: mit allen Artikulationen und Spielweisen. Außerdem klingt sein Lead-Sound nicht nach einem billigen Computerspiel und war nie cheesy.
Steht dahinter also eine gewisse Philosophie?
Ich orientiere mich oft an zeitlosen Klängen. Manche Sounds sind einfach so zeitlos und unverkennbar, dass sie vor 50 Jahren großartig klangen und es auch noch in 50 Jahren werden. Nehmen wir z. B. den Rhodes-Sound von Led Zeppelins „No Quarter“. Das ist einfach ein großartiger Sound. Und so habe ich es auch auf meinem Album vorgesehen. Kein „cheese“ sondern ‘All Killer, no Filler’!
Darüber hatten wir uns schon beim letzten Gear-Chat unterhalten. Du hast da eine klare Haltung: Als Keyboarder bist du sowohl im Rock sowie auch Jazz-Fusion-Bereich unterwegs. Ein gewisser Rock- und Blues-Einfluss ist trotzdem immer zu hören. Tatsächlich gibt es auch Jazzpianisten, denen dieser Spagat nicht gelingt, weil die Rock- und Blues-Einflüsse nicht so stark zu hören sind oder gar fehlen.
Das ist einer der Gründe, warum ich mit Simon Phillips so gut harmoniere. Wir können beide Jazzrock spielen und brauchen nur einen Schalter umlegen und spielen dann Hardrock. Und das mit den besten Musikern aus diesem Genre. Diese Vielseitigkeit ist für uns unerlässlich.
Deine Einflüsse hört man sehr gut auf der ersten Single, die aus dem Album ausgekoppelt wurde. Auf „Empyrean Sky“ hört man z. B. einen sehr interessanten Sound im Intro. Klingt fast nach einem Layer. Welchen Synthesizer benutzt Du dafür?
Dabei handelt es sich tatsächlich um einen Layer, bestehend aus dem Memory Moog und einem Polysynth aus dem Plug-In Omnisphere. Wobei der Memory Moog etwa 85% des Klangs ausmacht und Omnisphere mit etwa 15% etwas Unterstützung liefert. Der Hauptcharakter stammt also aus dem analogen Memory Moog.
Seit einigen Jahren sind die analogen Synths wieder ganz weit vorne. Viele analoge Synths werden wieder neu hergestellt und es gibt jede Menge Re-Issues oder Anlehnungen an Vintage-Klassiker. Setzt du solche Instrumente auch ein?
Nein, ich nutze sie nicht. Ich zähle mich tatsächlich auch nicht zu den Synth-Nerds. Ich besitze vor allem die Original-Synthesizer. Und für mich kommt es vor allem auf die Basics an – Grundsounds wie z. B. einen Lead-Sound, Pads und einige andere Sounds.
Wenn ich das richtig beobachtet habe, dann hast Du für Solo-Spots live sogar ein Moog Taurus Basspedal verwendet.
Das stimmt! Das gehörte ursprünglich Billy Sheehan. Mit der Zeit ist das aber stark abgenutzt und ich habe davon selber Samples hergestellt, die ich über den Korg Kronos abspiele.
Du stellst selber Samples her? Gilt das für viele deiner Vintage-Synths?
Diesen Trick verwende ich mittlerweile sehr häufig: Ich erstelle ein paar Samples von einzelnen Klängen oder sogar Melodien und lade diese Samples dann in den Korg Kronos. Manchmal lege ich einen weiteren Sound aus dem Kronos darunter, dann habe ich sozusagen einen Hybrid-Sound. Die analogen Sounds sind sehr warm und das hört man ganz einfach. Außerdem bekomme ich damit etwas „analoge DNA“ in meine Workstation. Der Sound wird dadurch fetter. Und wenn ich auf Tour gehe ist das ein wirklich hilfreicher Trick, den ich sehr empfehlen kann!
Welches Equipment nimmst Du mit auf Tour? Gibt es da ein Standard-Setup?
Der Korg Kronos gehört natürlich immer zu meinem Equipment. Außerdem spiele ich live immer eine echte Hammond B3 inkl. Leslie, sowie den Nord Lead. Letzteren schicke ich dann durch Verstärker. Das zeige ich euch auch im Video unten.
Gerade bei deiner Hammond gibt es einige sehr interessante Modifikationen. Könntest Du uns erklären, welche das sind?
Die B3 schicke ich durch einen Engl „Steve Morse“ Vollröhrentop. Dann geht es zum Leslie weiter: hier haben wir den Jensen Poweramp herausgenommen, da der Engl-Amp ja das Leslie anfeuert. Der Horn-Treiber und der Speaker aus dem Leslie wurden ausgetauscht und durch Vintage-JBL-Modelle ersetzt. Die normalen Treiber sind nämlich nicht in der Lage, die Power meiner Amps auszuhalten. Und wenn man mit Gitarristen wie Zakk Wylde mithalten möchte, dann braucht man das ganz einfach. Ich setze außerdem fast immer zwei Leslies ein und jeder, der das hört, ist total begeistert, wie gut es mit zwei Leslies klingt. So wie John Lord es gemacht hat!
Verwendest du auf der Bühne dann eigentlich ein In-Ear-Monitoring System? Die Leslies und Amps stehen ja meistens direkt neben deinem Setup. Gibt es da auch Momente, wo es Dir zu laut ist?
Tatsächlich benutze ich nie In-Ear-Monitoring – ich kann es einfach nicht leiden. Und was die Lautstärke betrifft: Ja, es ist laut. Aber wir spielen ja auch Rockmusik – da muss es laut sein!
Könntest Du uns ein paar Beispiele geben, wie Du z. B. deinen Lead-Sound spielst, und wie die Signalkette aussieht? Ebenfalls bei der Orgel?
Natürlich – das mache ich gerne. Ich zeige Euch, wie der Signalfluss aufgebaut ist und welchen Einfluss er auf meinen Klang hat.
Darauf sind wir sehr gespannt!
Exklusiver Video-Workshop mit Derek Sherinian:
Herzlichen Dank für das sehr informative Interview, die vielen Einblicke in deine Arbeit und deinen Video-Workshop. Wir wünschen viel Erfolg mit dem neuen Album „The Phoenix“! Herzlichen Dank auch an Manuel Berger und Yasemin Kaymaz von der Agentur Head of PR.