Expressive E Touché Test

Mit dem Touché hat die noch junge französische Firma Expressive E ein ausgefallenes Controller-Konzept entwickelt, das optisch sofort ins Auge sticht und mit einer Oberfläche aus Holz versehen ist. Der Controller besteht aus einer Holzplatte, die vorne und hinten auf Druck reagiert, sich aber auch nach links und rechts bewegen lässt und so insgesamt vier verschiedene Parameter kontrollieren kann. Bewegungen nach links und rechts lassen sich dabei nicht gemeinsam betätigen, nach vorne und hinten aber schon.

Mit dem Touché möchten Expressive E Controller intuitiver und expressiver machen.
Der Touché ist kein Schnäppchen, eröffnet aber neue Dimensionen der Kontrolle.


Ist der Touché also der Controller, der endlich Pitchwheel, Modwheel und Aftertouch in einem einzigen Gerät zusammenfasst? In einem Gerät zumal, dass nicht nur das Auge anspricht und sich gut anfühlt, sondern auch zu expressivem Spiel inspiriert und nicht zuletzt dem zuschauenden Publikum vermittelt, was da auf der Bühne passiert? Bonedo hat es ausprobiert.

Details

Äußeres

Der Touché ist ansprechend verpackt und mit nützlichem Zubehör ausgestattet: Dazu gehören ein stoffummanteltes USB-Kabel, ein kleines USB-Verlängerungskabel, ein Kabel zur Vermeidung von Erdschleifen und zwei MIDI-Peitschen. Das ist alles sehr praktisch und nützlich, da hat der Hersteller mitgedacht.
Der Controller selbst ist ein kleines Schmuckstück. Der Fuß aus schwarzem, handschmeichelndem Gummi steht solide und wirkt durch die diskret leuchtenden LEDs und die geschwungenen Formen sehr schick. Die eigentliche Oberfläche ist aus Holz, ganz leicht strukturiert und einfach etwas, was man gerne berührt. Diese Oberfläche fängt schon bei ganz leichter Berührung an sich zu bewegen, aber nie so, dass man das Gefühl hat, es wäre wacklig. Wie schnell Touché reagiert, lässt sich übrigens einstellen, in dem man einfach die Holzoberfläche abnimmt und einen Regler darunter justiert. Das funktioniert ganz leicht, denn die Holzoberfläche wird lediglich durch einen starken Magneten in ihrer Position gehalten. Man muss also nichts aufschrauben, aufhebeln oder ähnliches. Alles in allem ist der Touché dabei etwa so groß wie ein Fußpedal und damit wohl zu groß für die meisten Keyboardoberflächen.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Expressive E Touché ist ein Augenschmaus.

Der Touché verfügt über folgende Anschlüsse: einen USB-Anschluss zur Programmierung und für die MIDI-Übertragung über USB, vier CV-Ausgänge im 3,5-mm-Klinkenformat sowie zwei Eingänge für MIDI In und Out. Da 5-polige DIN Anschlüsse zu groß für das Gehäuse gewesen wären, liegen zwei kleine Adapter dabei, an denen man diese dann anschließen kann, also so ähnlich wie beim CME Xkey oder den aktuellen Korg Electribes.
Auf der Oberfläche befinden sich neben dem eigentlichen Controller zusätzlich noch zwei Taster und ein Rad zum Auswählen von Presets. Das Rad erscheint ein bisschen wackelig, aber weil damit lediglich Presets ausgewählt werden, ist das nicht so tragisch.

Fotostrecke: 2 Bilder Auf der Oberfläche befinden sich zwei Taster, ein Rad und vier LEDs zur Preset-Auswahl.

Zusammen mit dem Controller wird auch die dazugehörige Treiber- und Editorsoftware namens Lié geliefert. Hier bemerkt man zum ersten Mal eine gewisse Ähnlichkeit mit den Produkten von Roli: Die Software hat einen klangvollen Namen, ist optisch sehr schick gestaltet und in schwarz gehalten. Das Design scheint hier eine hohe Priorität zu haben. Darauf kommen wir aber später noch zu sprechen.
Den Touché selbst kann man sich als eine “Holzplatte” vorstellen, die auf Federn aufgesetzt liegt. Das bedeutet, dass man die Platte zum einen nach unten drücken kann und sie danach selbst wieder in die Waagerechte zurück kommt. Man kann sie aber auch nach links und rechts in der Horizontalen verschieben, wobei sie auch hier nach dem Loslassen wieder in ihre Ausgangslage zurückkehrt. Die Bewegung von oben nach unten erfordert dabei mehr Druck und die Platte springt danach auch resolut wieder in ihre Ausgangslage zurück. Bei der Bewegung nach links und nach rechts kann man einstellen, wie schnell sie wieder zur Ruhe kommt. So lässt sich zum Beispiel erreichen, dass die Platte, wie aus Gummi, eine kleine Weile hin und her schwingt und dann erst wieder zur Ruhe kommt.
Bis zu drei Parameter sind somit gleichzeitig erreichbar: Man kann die Platte zum Beispiel nach links bewegen, dann auf der hinteren Seite anfangen, herunter zu drücken und dann langsam nach vorne gleiten. Dabei kann man auswählen, ob man hinten wieder loslässt oder nur ein wenig, oder ob man vielleicht doch nur den vorderen Parameter aktiviert, während man sie langsam von links nach rechts bewegt. Geht man von den typischen Spielhilfen eines Synthesizers aus, so kann der Touché also drei Controller ersetzen: das Pitch Wheel mit der Links-rechts-Bewegung, das Mod Wheel und den Aftertouch durch die Abwärtsbewegung vorne und hinten. Und das alles, das sei schon vorweg genommen, auf eine Art, die ein sehr musikalisches Spielgefühl vermittelt.

Praxis

Installation und Konfiguration

Einmal ausgepackt will der Touché zunächst programmiert und seine Firmware auf den neuesten Stand gebracht werden. Dazu gibt es den Treiber und Editor namens “Lié”. Ich habe nachgeschaut: Das französische Verb “lier” hat etwas mit binden/verknüpfen zu tun. “Décès liés à l’alcool” bedeutet zum Beispiel “alkoholbedingter Todesfall”. Ich sage das nur für alle Fälle, man weiß ja nie.
Lié ist ein komisches Ding, denn es läuft nur unter Mac OS X* und außerdem nicht im Standalone-Betrieb. Das heißt einerseits, dass Windows-Benutzer außen vor sind, zum anderen aber auch, dass man immer erst einen Host, also zum Beispiel eine komplette DAW, aufmachen muss, um irgendetwas am Controller zu verändern. Wenn man dann Lié geladen hat, kann er/es nicht automatisch auf die installierten Plugins zugreifen, sondern muss zunächst danach suchen. Und obwohl Lié selbst ein AU Plugin ist, kann es nur VST Plugins lesen. Daraus soll man erst einmal schlau werden, besser machen könnte man es allemal.
*Anmerkung der RedaktionSeit dem 06.12.2017 ist eine Windows-Version für Lié seitens des Herstellers erhältlich. Diese erlaubt die Verwendung des Epressive E Touché Controllers auch unter weit verbreiteten Windows Rechnerplattformen. Unterstütztes Betriebssystem: Windows 10 / 64 bit. Weitere Informationen dazu sind unter diesem Link zu erhalten.
Auch etwas anderes ist mir ungut aufgestoßen, nämlich die Zwangsbeglückung mit der UVI Workstation. Was Expressive E damit bezwecken will, ist klar und sinnvoll und hat sich beim Roli Seaboard Rise bewährt, denn beim Rise werden einem die Möglichkeiten des neuen Controllers erst so richtig klar, wenn man ihn mit einem darauf zugeschnittenen Synthesizer ausprobiert. Und der von Roli mitgelieferte Equator Synthesizer ist auch eine tolle Maschine. Dass die UVI Workstation dagegen nur so etwas ist wie der NI Kontakt Player stört mich dabei weniger als die Tatsache, dass alles recht umständlich ist: Um den Treiber zu installieren, muss man erst einen Sample Player installieren und um den Treiber überhaupt zu starten, muss man ihn im nächsten Schritt in eine DAW laden. Obwohl OS X auf AUs spezialisiert ist, kann Lié diese gar nicht lesen. Da wäre ein schlichter Editor wie die für Korgs nano Controller oder vielleicht eine Browser-basierte App sicherlich die bessere Wahl gewesen.

Der Editor "Lié" läuft nur als Plugin unter OS X und wirft einige Fragen auf.
Der Editor “Lié” läuft nur als Plugin unter OS X und wirft einige Fragen auf.

Touché in der Praxis

Hat man aber diese Hürden überwunden und probiert dann die Presets mit dem Touché Controller aus, ist man schnell versöhnt. Touché fühlt sich tatsächlich sehr natürlich und sehr expressiv an. Und weil man mit anderen Tools auch anders spielt, fängt man sehr bald an, neue Techniken auszuprobieren. Die Tonhöhe wie einen Gummi hin- und herschnellen zu lassen: kein Problem. Tonhöhe, Filter und Reverb mit einer Hand gleichzeitig zu steuern: kein Problem. Sehr schnell zwischen leichtem Klopfen und massivem Herunterdrücken zu wechseln: kein Problem. Denn Touché reagiert tatsächlich so empfindlich, dass man mit den Fingerkuppen problemlos Handdrum spielen kann.
Expressive E reiht sich damit in eine Reihe von Firmen ein, die die elektronische Musik vom Knöpfchen oder Rädchen drehen erlösen wollen, um eine Expressivität zu ermöglichen, wie sie zum Beispiel für einen Cellisten auf seinem Cello selbstverständlich ist. Während der Keyboarder ein bisschen fester den Aftertouch drückt oder gar an einem schnöden Regler dreht, um ein Vibrato zu erzeugen, kann der Cellist mit seinem (ganzen) Körper mit vollem Ausdruck spielen. Aber nicht nur das: Das Publikum versteht auch sofort, was da passiert, während man beim Musiker vor der modularen Synthschrankwand doch öfter das Gefühl hat, als würde da jemand am Sicherungskasten eine Sicherung wechseln. Und dieses Versprechen kann Touché absolut einhalten. Zunächst denkt man vielleicht, dass man ja jetzt nur noch eine Hand zum Spielen zur Verfügung hat, die andere ist ja mit dem Touché beschäftigt. Aber wenn man Pitchwheel, Modwheel oder andere Regler bedient, ist das ja auch nicht anders und der Vorteil des Touché ist, dass man bis zu acht Parameter gleichzeitig beeinflussen kann.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Expressive E Touché ermöglicht eine ausdrucksstarke Kontrolle mehrerer Parameter.

Das funktioniert allerdings nur über MIDI und damit wieder über den Software Editor. Hier kann man den vier “Shiftings” des Touché einen oder mehrere Parameter der installierten Softsynths zuweisen. Die Zuweisung geht schnell von der Hand und praktischerweise kann man innerhalb von Touché auch die Regelbereiche begrenzen. Damit lässt sich einstellen, ob Touché in Nullstellung auch Null senden soll oder vielleicht doch vielleicht einen anderen Wert. Und andersherum, ob Touche bei maximalem Druck auch den maximalen Wert ausgeben soll, oder nicht. Man kann dabei nicht nur eine Zuweisung pro Bereich vornehmen, sondern gleich mehrere unterschiedliche Regler zum Beispiel auf den vorderen Bereich des Touché Controllers legen, wobei alle ihre eigenen Regelbereiche haben.
Nun fragt ihr euch vielleicht: Aber was ist mit Hardware Synthesizern? Auch daran haben die Entwickler gedacht. Von Haus aus sendet Touché aus seinen vier Bereichen die MIDI CCs 16-19, was man aber über “Lié” ändern kann. Weil es zugegebenermaßen ziemlich lästig ist, in den Bedienungsanleitungen von Synthesizern nach den MIDI-Belegungen der Parameter zu suchen, ist in “Lié” eine ganze Anzahl von Synthesizern und deren Belegungen schon gespeichert. Wer also den Cutoff eines Prophet 6 auf einen der Bereiche legen will, muss nur die Software öffnen, den Propheten suchen und kann dann aus einem Dropdown-Menü den Cutoff direkt auf einen der Bereiche legen und auch gleich den Regelwert festlegen. Das funktioniert auch gleich mit angeschlossenem Hardware Synthesizer, es muss nicht immer hin und her gestöpselt werden. Hat man seine Belegung fertig programmiert, kann man das Ganze auf einem der 24 Speicherplätze im Touché abspeichern. Danach spielt man dann ganz ohne Computer mit Touché und Prophet. Das ist natürlich super komfortabel und toll gemacht von Expressive E.
Mit CV geht das natürlich nicht und weil der Touché Controller für jeden Bereich nur einen CV Ausgang hat, stehen hier nur vier Parameter zur Verfügung. Einstellbare Regelbereiche gibt es aber dennoch und zusätzlich eine Auswahl aus vier verschiedenen Spannungsskalen, also zum Bespiel -5 V bis + 5 V oder 0 V bis 10 V. Außerdem kann man auch hier gleich mehrere Bereiche auf einen Parameter legen.
Schließlich kann man sowohl für MIDI als auch für CV Werte detaillierte Dynamikkurven festlegen, die auch frei mit der Maus gezeichnet werden können. Von linear über exponentiell, on/off oder reverse ist alles möglich. Und wenn man wirklich expressiv spielen will, sollte man sich hier auch die Zeit nehmen und alles auf seine persönlichen Vorlieben einstellen.
Am Touché Controller wählt man Presets über die beiden Drucktaster aus. Daraufhin erstrahlen bis zu vier LEDs, die in unterschiedlichen Farben leuchten können. Wenn zum Beispiel zwei grüne Lämpchen leuchten, dann weiß man: Das ist das zweite Preset der grünen Bank. Nicht schlecht.
Nachdem der Touché selbst auf ganzer Linie überzeugt und die Zuweisung der Controller auch sehr einfach und komfortabel vonstatten geht, muss ich hier aber doch noch einmal über die Software schimpfen: Zum einen ist die Bedienungsoberfläche von “Lié” kritikwürdig, denn hier scheint zuviel Wert auf Design gelegt worden zu sein und zu wenig auf Praktikabilität. Wenn ich bei einer Software die Stelle nicht finde, um das eben geöffnete Fenster wieder zu schließen, weil eine deutliche Markierung das schicke Design zerstören würde, ist das Thema der leichten Bedienbarkeit verfehlt. Ich möchte Musik machen und nicht schöne GUIs betrachten.
Ein anderes Manko ist die ziemlich große CPU-Belastung. Solange das “Lié”-Fenster offen ist, scheint die Darstellung der Bewegungen des Controllers so viel Rechenpower zu benötigen, dass ich meinen Rechner tatsächlich überlasten kann. Das passiert sogar, ohne dass überhaupt Töne hervorgebracht werden. Ist das Fenster geschlossen, ist das allerdings kein Problem mehr und man kann problemlos musizieren. Das gleiche Problem hatte ich übrigens auch schon beim Treiber für das Roli Rise.

Fazit

Der Touché Controller von Expressive E ist eine tolle Sache, ermöglicht er doch auf sehr expressive Weise, die übliche Verwendung der Pitch- und Modwheels sowie den Aftertouch zu ersetzen. Er fühlt sich gut an, ist toll zu bedienen, ermöglicht ein schnelleres und intuitiveres Musizieren und nicht zuletzt kann auch das Publikum sofort nachvollziehen, was oben auf der Bühne passiert. Preislich ist das mit rund 400.- Euro für einen Controller natürlich keine schnell gemachte Investition und der Touché wird damit sicherlich keine Massenware. Aber er ist aufgrund seiner enormen Spielbarkeit ein Gewinn für jedes Setup, egal ob Software, Hardware oder Modularsynthesizer. Allein die unnötig komplizierte und für mein Empfinden „überdesignte“ Treiber- und Konfigurations-Software sorgt für Punktabzug; ansonsten gibt es die klare Empfehlung, den Touché einmal auszuprobieren.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Ersetzt gängige Spielhilfen durch ein einzelnes und expressiv spielbares Gerät
  • Sehr schöne Haptik und Spielbarkeit
  • Rückt den Synthesizer näher an die Expressivität klassischer Musikinstrumente
  • 4 CV-Ausgänge
  • Läuft unter Mac OS X und WIN 10 / 64 bit
Contra
  • Treiber- und Editorsoftware Lié läuft nicht stand-alone
Artikelbild
Expressive E Touché Test
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Der Touché ist kein Schnäppchen, eröffnet aber neue Dimensionen der Kontrolle.
Der Touché ist kein Schnäppchen, eröffnet aber neue Dimensionen der Kontrolle.
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