Praxis
Installation und Konfiguration
Einmal ausgepackt will der Touché zunächst programmiert und seine Firmware auf den neuesten Stand gebracht werden. Dazu gibt es den Treiber und Editor namens “Lié”. Ich habe nachgeschaut: Das französische Verb “lier” hat etwas mit binden/verknüpfen zu tun. “Décès liés à l’alcool” bedeutet zum Beispiel “alkoholbedingter Todesfall”. Ich sage das nur für alle Fälle, man weiß ja nie.
Lié ist ein komisches Ding, denn es läuft nur unter Mac OS X* und außerdem nicht im Standalone-Betrieb. Das heißt einerseits, dass Windows-Benutzer außen vor sind, zum anderen aber auch, dass man immer erst einen Host, also zum Beispiel eine komplette DAW, aufmachen muss, um irgendetwas am Controller zu verändern. Wenn man dann Lié geladen hat, kann er/es nicht automatisch auf die installierten Plugins zugreifen, sondern muss zunächst danach suchen. Und obwohl Lié selbst ein AU Plugin ist, kann es nur VST Plugins lesen. Daraus soll man erst einmal schlau werden, besser machen könnte man es allemal.
*Anmerkung der Redaktion: Seit dem 06.12.2017 ist eine Windows-Version für Lié seitens des Herstellers erhältlich. Diese erlaubt die Verwendung des Epressive E Touché Controllers auch unter weit verbreiteten Windows Rechnerplattformen. Unterstütztes Betriebssystem: Windows 10 / 64 bit. Weitere Informationen dazu sind unter diesem Link zu erhalten.
Auch etwas anderes ist mir ungut aufgestoßen, nämlich die Zwangsbeglückung mit der UVI Workstation. Was Expressive E damit bezwecken will, ist klar und sinnvoll und hat sich beim Roli Seaboard Rise bewährt, denn beim Rise werden einem die Möglichkeiten des neuen Controllers erst so richtig klar, wenn man ihn mit einem darauf zugeschnittenen Synthesizer ausprobiert. Und der von Roli mitgelieferte Equator Synthesizer ist auch eine tolle Maschine. Dass die UVI Workstation dagegen nur so etwas ist wie der NI Kontakt Player stört mich dabei weniger als die Tatsache, dass alles recht umständlich ist: Um den Treiber zu installieren, muss man erst einen Sample Player installieren und um den Treiber überhaupt zu starten, muss man ihn im nächsten Schritt in eine DAW laden. Obwohl OS X auf AUs spezialisiert ist, kann Lié diese gar nicht lesen. Da wäre ein schlichter Editor wie die für Korgs nano Controller oder vielleicht eine Browser-basierte App sicherlich die bessere Wahl gewesen.
Touché in der Praxis
Hat man aber diese Hürden überwunden und probiert dann die Presets mit dem Touché Controller aus, ist man schnell versöhnt. Touché fühlt sich tatsächlich sehr natürlich und sehr expressiv an. Und weil man mit anderen Tools auch anders spielt, fängt man sehr bald an, neue Techniken auszuprobieren. Die Tonhöhe wie einen Gummi hin- und herschnellen zu lassen: kein Problem. Tonhöhe, Filter und Reverb mit einer Hand gleichzeitig zu steuern: kein Problem. Sehr schnell zwischen leichtem Klopfen und massivem Herunterdrücken zu wechseln: kein Problem. Denn Touché reagiert tatsächlich so empfindlich, dass man mit den Fingerkuppen problemlos Handdrum spielen kann.
Expressive E reiht sich damit in eine Reihe von Firmen ein, die die elektronische Musik vom Knöpfchen oder Rädchen drehen erlösen wollen, um eine Expressivität zu ermöglichen, wie sie zum Beispiel für einen Cellisten auf seinem Cello selbstverständlich ist. Während der Keyboarder ein bisschen fester den Aftertouch drückt oder gar an einem schnöden Regler dreht, um ein Vibrato zu erzeugen, kann der Cellist mit seinem (ganzen) Körper mit vollem Ausdruck spielen. Aber nicht nur das: Das Publikum versteht auch sofort, was da passiert, während man beim Musiker vor der modularen Synthschrankwand doch öfter das Gefühl hat, als würde da jemand am Sicherungskasten eine Sicherung wechseln. Und dieses Versprechen kann Touché absolut einhalten. Zunächst denkt man vielleicht, dass man ja jetzt nur noch eine Hand zum Spielen zur Verfügung hat, die andere ist ja mit dem Touché beschäftigt. Aber wenn man Pitchwheel, Modwheel oder andere Regler bedient, ist das ja auch nicht anders und der Vorteil des Touché ist, dass man bis zu acht Parameter gleichzeitig beeinflussen kann.
Das funktioniert allerdings nur über MIDI und damit wieder über den Software Editor. Hier kann man den vier “Shiftings” des Touché einen oder mehrere Parameter der installierten Softsynths zuweisen. Die Zuweisung geht schnell von der Hand und praktischerweise kann man innerhalb von Touché auch die Regelbereiche begrenzen. Damit lässt sich einstellen, ob Touché in Nullstellung auch Null senden soll oder vielleicht doch vielleicht einen anderen Wert. Und andersherum, ob Touche bei maximalem Druck auch den maximalen Wert ausgeben soll, oder nicht. Man kann dabei nicht nur eine Zuweisung pro Bereich vornehmen, sondern gleich mehrere unterschiedliche Regler zum Beispiel auf den vorderen Bereich des Touché Controllers legen, wobei alle ihre eigenen Regelbereiche haben.
Nun fragt ihr euch vielleicht: Aber was ist mit Hardware Synthesizern? Auch daran haben die Entwickler gedacht. Von Haus aus sendet Touché aus seinen vier Bereichen die MIDI CCs 16-19, was man aber über “Lié” ändern kann. Weil es zugegebenermaßen ziemlich lästig ist, in den Bedienungsanleitungen von Synthesizern nach den MIDI-Belegungen der Parameter zu suchen, ist in “Lié” eine ganze Anzahl von Synthesizern und deren Belegungen schon gespeichert. Wer also den Cutoff eines Prophet 6 auf einen der Bereiche legen will, muss nur die Software öffnen, den Propheten suchen und kann dann aus einem Dropdown-Menü den Cutoff direkt auf einen der Bereiche legen und auch gleich den Regelwert festlegen. Das funktioniert auch gleich mit angeschlossenem Hardware Synthesizer, es muss nicht immer hin und her gestöpselt werden. Hat man seine Belegung fertig programmiert, kann man das Ganze auf einem der 24 Speicherplätze im Touché abspeichern. Danach spielt man dann ganz ohne Computer mit Touché und Prophet. Das ist natürlich super komfortabel und toll gemacht von Expressive E.
Mit CV geht das natürlich nicht und weil der Touché Controller für jeden Bereich nur einen CV Ausgang hat, stehen hier nur vier Parameter zur Verfügung. Einstellbare Regelbereiche gibt es aber dennoch und zusätzlich eine Auswahl aus vier verschiedenen Spannungsskalen, also zum Bespiel -5 V bis + 5 V oder 0 V bis 10 V. Außerdem kann man auch hier gleich mehrere Bereiche auf einen Parameter legen.
Schließlich kann man sowohl für MIDI als auch für CV Werte detaillierte Dynamikkurven festlegen, die auch frei mit der Maus gezeichnet werden können. Von linear über exponentiell, on/off oder reverse ist alles möglich. Und wenn man wirklich expressiv spielen will, sollte man sich hier auch die Zeit nehmen und alles auf seine persönlichen Vorlieben einstellen.
Am Touché Controller wählt man Presets über die beiden Drucktaster aus. Daraufhin erstrahlen bis zu vier LEDs, die in unterschiedlichen Farben leuchten können. Wenn zum Beispiel zwei grüne Lämpchen leuchten, dann weiß man: Das ist das zweite Preset der grünen Bank. Nicht schlecht.
Nachdem der Touché selbst auf ganzer Linie überzeugt und die Zuweisung der Controller auch sehr einfach und komfortabel vonstatten geht, muss ich hier aber doch noch einmal über die Software schimpfen: Zum einen ist die Bedienungsoberfläche von “Lié” kritikwürdig, denn hier scheint zuviel Wert auf Design gelegt worden zu sein und zu wenig auf Praktikabilität. Wenn ich bei einer Software die Stelle nicht finde, um das eben geöffnete Fenster wieder zu schließen, weil eine deutliche Markierung das schicke Design zerstören würde, ist das Thema der leichten Bedienbarkeit verfehlt. Ich möchte Musik machen und nicht schöne GUIs betrachten.
Ein anderes Manko ist die ziemlich große CPU-Belastung. Solange das “Lié”-Fenster offen ist, scheint die Darstellung der Bewegungen des Controllers so viel Rechenpower zu benötigen, dass ich meinen Rechner tatsächlich überlasten kann. Das passiert sogar, ohne dass überhaupt Töne hervorgebracht werden. Ist das Fenster geschlossen, ist das allerdings kein Problem mehr und man kann problemlos musizieren. Das gleiche Problem hatte ich übrigens auch schon beim Treiber für das Roli Rise.