Praxis
Die HSS-Variante der Fender American Professional II Stratocaster präsentiert sich direkt aus dem Koffer mit einer gelungenen und akkuraten Werkseinstellung und spielt sich demzufolge ab der ersten Minute sehr leicht. Das hängt zusätzlich natürlich auch mit den dünnen Saiten in den Stärken .009″ – .042“ zusammen, die naturgemäß einen geringen Widerstand aufweisen, gleichzeitig aber in ihrem Intonationsverhalten auch hörbar empfindlicher sind. Wie schon erwähnt, sorgt der recht schlanke Hals mit seinem Satin-Finish für ein sehr angenehmes Greifgefühl. Die absolut tadellos abgerichteten Narrow Tall-Bünde bilden dabei für mich im ersten Moment einen spürbaren Kontrast zum schlanken Halsprofil und in der Tat schmeichelt der angepasste Hals-Korpusübergang der Hand beim Spiel in den hohen Lagen. Allerdings muss ich dazu ebenfalls sagen, dass mich in dieser Hinsicht die traditionelle Variante nie gestört hat. Akustisch offenbart die Gitarre die typisch knackige und spritzige Ansprache. Das freischwebende Tremolo erlaubt eine Modulation der Tonhöhe bis zu einer kleinen Terz nach oben und arbeitet wirklich butterweich. Ein Umstand, der für manchen Spieler eventuell aber auch erstmal etwas gewöhnungsbedürftig sein könnte, da das System recht empfindlich reagiert. Dafür lässt sich der Ton aber auch sehr feinfühlig und mit wenig Kraftaufwand modulieren. Was die Stimmstabilität betrifft, kann man mit dem Zweipunkt-Tremolo ebenfalls sehr gut arbeiten, solange man sehr starke Verstimmungen außen vorlässt. Ich bin mir aber sicher, dass das System mit ein bisschen Finetuning hier und da bestimmt auch noch stimmstabiler gemacht werden könnte. Ansonsten hängt die Gitarre mit ihren 3,7 kg ausgewogen am Gurt und spielt sich wie gewohnt auch im Sitzen sehr bequem.
Jetzt wird es aber Zeit, die neue Fender American Professional II Stratocaster HSS auch am Amp zu hören. Für den Praxisdurchlauf stehen drei Klassiker parat, die die prägenden Klangrichtungen des E-Gitarren-Sounds wiedergeben. In Sachen Clean-Ton kommt ein Fender Silverface Bassman zum Einsatz, für die Zerr-Sounds wärmen sich außerdem ein VOX AC15 und ein Marshall Mini Silver Jubilee auf. Zum Anblasen der Vorstufe nutze ich stellenweise außerdem ein Maxon OD808 Tubescreamer-Pedal.
Wir starten mit den unverzerrten Tönen am Bassman und hören zunächst eine schlichte Bestandsaufnahme der sieben möglichen Pickup-Einstellungen, beginnend mit dem Single-Coil am Hals. Der Humbucker läuft außerdem vorerst im Split-Modus als Einspuler. In den letzten beiden Varianten arbeitet er dann konventionell als Humbucker.
Die Pickups wirken gut aufeinander abgestimmt. Dabei finde ich im Besonderen die Split-Coil-Sounds des Humbuckers sehr gelungen, auch wenn der Bridge-Pickup als Einspuler etwas mittiger und eine Spur höhenärmer wirkt, als man es von einem Single-Coil in dieser Position normalerweise gewohnt ist. Kleine Kompromisse muss man bei dieser Schaltung aber immer eingehen. Die Single-Coils lösen im Detail eher schlank und mit einer gewissen Präsenz in den Hochmitten auf, ohne dabei aber überzeichnet zu wirken. In meinen Ohren wirken sie recht klassisch und vertraut, wollen sich aber mit ihrem Charakter auch gleichzeitig nicht allzu sehr nach vorne drängeln. Wer also mit anderen Worten beispielsweise einen wuchtigen Strat-Ton mit viel Punch a la Stevie Ray Vaughan sucht, wird hier wohl eher nicht fündig. Wobei in diesem Zusammenhang natürlich auch noch weitere Komponenten, wie beispielsweise die Saitenstärke oder das Halsprofil Einfluss auf die klangliche Ansprache nehmen. Zumindest bei den Saiten bleibt hier also noch Raum zum Experimentieren. Es folgt ein Beispiel mit ganz klassischen Zutaten: Hals-Pickup und mittlerer Pickup gepaart mit einem amerikanischen Clean-Ton und Federhall. In dieser traditionellen Kombination muss sich auch unsere Strat aus dem Jahr 2020 nicht verstecken.
Wie die Kombination aus mittlerem Single-Coil und Steg-Pickup als Humbucker und als Split-Coil im Vergleich klingt, könnt ihr in den folgenden Beispielen hören. Ich finde, die etwas mittigere und voluminösere Variante mit hinzugeschaltetem Humbucker ist auch bei diesem Modell eine interessante Alternative. Im dritten Beispiel schalte ich einen Tubescreamer vor den Bassman und sattele auf den Single-Coil am Hals um. Auch mit diesem vertrauten Sound lässt sich auf Anhieb sehr gut arbeiten.
Die Gitarre wird nun vom Vox Amp verstärkt, der in den folgenden Beispielen für leichte Crunch-Sounds und auch schon satte Overdrive-Färbungen sorgt. Erneut sagt mir der Sound des Humbuckers sowohl als Split-Coil als auch im regulären Betrieb zu und sorgt für griffige Classic-Rock-Sounds. Der typischerweise etwas glasig daherkommende Hals-Pickup macht am Vox-Amp ebenfalls eine tolle Figur.
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Wie ihre Vorgänger wurden auch die neuen Modelle mit einer Treble-Bleed-Schaltung ausgestattet, die einem Abfall der Höhen beim Zurückdrehen des Volume-Potis entgegenwirkt. Wie sich zeigt, greift diese Schaltung aber nur beim Humbucker an der Bridge bzw. im Zusammenspiel mit diesem. Die Single-Coils hingegen weisen einen deutlich wahrnehmbaren Abfall der Höhen auf, sobald man das Poti zurücknimmt. Nun muss man sagen, dass diese Schaltung je nach Tonabnehmer-Typ unterschiedlich abgestimmt werden muss und daher eine HSS-Tonabnehmer-Bestückung von vornherein kompromissbehaftet ist. Wie aus dem Schaltplan der HSS-Modelle aus der ersten American Professional Serie ersichtlich wird, hatten die Gitarren ein Stereo-Volume-Poti an Bord, um diesen Kompromiss zu umgehen. Wie es sich beim neuen Modell verhält oder ob hier eventuell auch einfach ein Defekt vorliegt, kann ich nicht abschließend sagen. Wir hören dazu noch einmal eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Pickup-Einstellungen am zerrenden Amp, wobei ich das Volume-Poti mit einbinde. Für einen besseren Überblick findet ihr diesen Soundcheck im Video ab Minute 5:21. Wie man gut hören kann, behält das Signal im Zusammenspiel mit dem Bridge-Pickup auch bei wenig Output seine Präsenz in den Höhen und lässt sich zudem feinfühlig im Zerrgrad dosieren.
Abschließend hören wir die Gitarre noch am weit aufgerissenen Marshall-Amp. Auch bei härteren Spielweisen, wie im letzten Beispiel, setzt der Humbucker sich gekonnt in Szene, sodass sich die Vielseitigkeit dieses Modells hier noch einmal voll bestätigt.