Seit das Eurorack-Format für modulare Synthesizer einen enormen Boom erlebt hat, lernen immer mehr Musiker den Modultyp Lowpass-Gate kennen. Meist wird dabei gesagt, dass es sich dabei um eine Kombination aus Filter und VCA handelt. Das ist auch richtig – aber was genau ändert das am Sound? Und wie kann man Filter und Lowpass-Gates im Eurorack flexibel einsetzen?
In diesem Workshop geben wir einen Überblick über die verschiedenen Arten von Filtern und Lowpass-Gates im Eurorack. Außerdem stellen wir einige Module vor, sodass Interessierte einen Überblick über das Angebot und gleichzeitig fundiertes Wissen über die Funktionen der beiden Gerätetypen erhalten. Also, los geht’s!
Filter und Lowpass-Gates im Eurorack: Welche Filtertypen gibt es?
Beginnen wir mit dem notwendigen Grundwissen über Filter. Detailverliebte Modularisten werden das meiste über Filter aber bereits in unserem Sounddesign-Crashkurs über Filter aller Art erfahren haben. Daher nur ein kurzer, auf das Eurorack bezogener Überblick: Filtermodule dienen in modularen Synthesizern – wie auch in vielen klassischen Desktop-Synths – dazu, die Frequenzstruktur der Klänge von Samples oder Oszillatoren zu bearbeiten. Sie filtern unterschiedliche Frequenzen. Ein Tiefpassfilter reduziert die Lautstärke hoher Frequenzen, ein Hochpassfilter die tiefen Frequenzen und ein Bandpassfilter beides. Je nachdem, wie stark sie dies tun und ob sie die Frequenzen, ab denen gefiltert wird, durch eine Resonanz-Schaltung noch verstärken, klingt die Filterung unterschiedlich. Es gibt noch weitere spezielle Filtertypen, wie beispielsweise das Notch-Filter, auf die wir hier jedoch nicht weiter eingehen.
Was sind Lowpass-Gates?
Lowpass-Gates – um die es hier in erster Linie geht – sind, wie der Name schon sagt, immer mit einem Tiefpassfilter ausgestattet. Dieser hat in der Regel keine oder nur eine geringe Resonanz. Das hat natürlich einen Grund: Im Gegensatz zu den meisten Filtern reduzieren LPGs (so die Kurzform) parallel zur Filterung auch die Lautstärke des Gesamtsounds: Filter- und Lautstärkeregler sind bei ihnen eins. Im Eurorack haben sie auch einen CV-Eingang, um diese Kombination aus Cutoff und Lautstärke zu steuern. Das macht sie recht flexibel in der Anwendung – allerdings werden sie vorwiegend auf eine bestimmte Art und Weise eingesetzt.
Filter und Lowpass-Gates im Eurorack: Lowpass-Gates klingen besonders „organisch“
Diese bestimmte Art und Weise sieht so aus: Ein Sound von einem Oszillator geht in den Audioeingang eines Lowpass-Gates und von dort aus in einen Mixer, einen Effekt oder direkt ins jeweilige Aufnahmegerät. Während der Oszillator von einem Controller oder Eurorack-Sequenzer Melodieinformationen erhält, patcht man in den CV-Eingang passende Hüllkurven. Diese artikulieren die einzelnen Töne der Melodie. Der Sound ist dabei anders als bei einem Filter oder einem einzelnen VCA, obwohl man beide Modultypen ebenfalls so patchen kann. Denn: Immer, wenn der Ton lauter wird, öffnet sich das Filter – und wenn es wieder leiser wird, schließt es sich. Damit kommen LPGs dem Sound akustischer Instrumente nahe. Denn wenn man eine Gitarre stark anschlägt, ist der Ton zunächst auch sehr laut und hell, wird dann aber genauso schnell wieder dunkler und leiser.
Für dich ausgesucht
Optokoppler sorgen für die echte Magie
Darüber hinaus haben Lowpass-Gates eine weitere (historisch begründete) Klangeigenschaft, die auf einem bestimmten Bauelement beruht. Die ersten LPGs wurden von Don Buchla für sein gleichnamiges Modularsystem mit sogenannten Optokopplern (engl. Vactrols) entwickelt. Diese kleinen Bauteile bestehen aus einer LED und einem Lichtsensor und werden auch heute noch, wenn auch nicht mehr ausschließlich, in solchen Modulen eingesetzt. Trifft nun eine Hüllkurve auf den Optokoppler, so steigt die Intensität des Lichts mit der ansteigenden Attackphase der Hüllkurve an und fällt dann mit der Decayphase wieder ab. Das Licht der LED erlischt jedoch nicht sofort, wenn die Hüllkurve vorüber ist. Dadurch entsteht eine kleine zusätzliche Abklingphase, das „Ringing“ des Lowpass-Gates.
Filter und Lowpass-Gates im Eurorack: Welche Lowpass-Gates für Eurorack gibt es?
Mit diesem Grundwissen wären wir bei der nächsten Frage angelangt: Wann braucht man ein Lowpass-Gate anstelle eines Filtermoduls – und welches sollte man sich dann kaufen? Zunächst zum ersten Teil der Frage: Ein Lowpass-Gate kann eine gute Ergänzung für fast jedes Eurorack sein. VCAs zur Lautstärkemodulation von Sounds kann man immer gut gebrauchen, genauso wie Filter. Deshalb gibt es viele Modularsysteme, die sowohl Filter als auch Lowpass-Gates enthalten. Die Frage nach dem konkreten Modell ist dagegen etwas komplexer. Sie hängt von mehreren Faktoren ab, von denen der wichtigste – neben dem Grundsound – die Anzahl der Kanäle ist.
Die günstigste Option: Das Doepfer A-101-2 LPG
Mittlerweile gibt es ein-, zwei- und sogar vierkanalige Lowpass-Gates für das Eurorack. Wer günstig, aber dennoch klanglich hochwertig einsteigen will, greift nach wie vor am besten zum Doepfer Lowpass-Gate A 101-2. Für knapp 100 Euro bietet es authentischen Vactrol-Sound, flexible CV-Kontrolle über gleich zwei Modulationseingänge und auch in dichten Patches zugängliche Drehregler. Bei Bedarf kann es auch als analoger VCA ohne Filter oder nur als Filter eingesetzt werden. Hier bekommt man alle drei Funktionen in einem Modul!
Das kann heutzutage nicht mehr jedes Lowpass-Gate im Eurorack, obwohl diese Funktion schon im Vorbild von Buchla, dem 292 Lopass Gate Modul, so angelegt war. Eine noch schmalere, ähnliche Möglichkeit bietet neben dem Doepfer-Modul das Erica Synths Pico LPG.
Unser Favorit ist das Make Noise Optomix
Wenn es etwas teurer sein darf, empfehlen wir das (manchmal etwas schwer erhältliche) Make Noise Optomix. Es bietet nicht nur zwei Audiokanäle, sondern kann deren Lautstärke auch auf zwei unterschiedliche Arten artikulieren. Zum einen gibt es den klassischen CV-Eingang, der wie oben beschrieben funktioniert – und zusätzlich den „Strike“-Eingang. Hier kann ein Gate-Signal eingespeist werden, das den Optokoppler kurzzeitig triggert. Dadurch entsteht ein spezieller, perkussiver Sound. Ideal für schnelle Sequenzen, abstrakte FM-Sounds und natürlich die klassischen „Buchla-Bongos“.
Zudem verfügen beide Kanäle über ein Hochpassfilter vor der VCA-Stufe. Damit können Musiker die Sounds noch weiter schleifen. Das Optomix-Modul kombiniert die beiden Signale zusammen mit einem Aux-Eingang zu einem Mono-Ausgang – es ist also auch ein kleiner, flexibler Mixer. Und einen solchen kann man bekanntlich immer gut gebrauchen.
Rabid Elephant baut ein Premium-LPG ohne Optokoppler
Das dritte Modul auf unserer Liste stammt aus der Premium-Kategorie. Außerdem ist es eine kleine Legende in der Eurorack-Welt. Die Rede ist natürlich vom Rabid Elephant Natural Gate. Wie das Optomix Modul hat es zwei Kanäle. Allerdings ist es nicht analog und arbeitet ohne Vactrols. Der interne Algorithmus emuliert jedoch den klassischen Sound eines LPG so perfekt, dass es einen klassischen und gleichzeitig modernen Sound bietet. Es kann aber auch als reines Filter verwendet werden. Dafür stehen dann drei verschiedene Modi und noch mehr Modulationseingänge als beim Optomix zur Verfügung. Allerdings kostet es weit über 500 Euro – und auf dem Gebrauchtmarkt oft noch mehr, da der Hersteller nicht viele Geräte pro Jahr baut.
Filter und Lowpass-Gates im Eurorack – Patchtipps
Anstelle einer Aufzählung weiterer Module folgen nun einige Patch-Tipps. Denn natürlich ist die dritte und letzte große Frage, wie man die LPGs abseits der beschriebenen Hüllkurventechnik kreativ nutzen kann. Hier gilt zunächst, dass man das jeweils gewählte Modul am besten im Kontext des gesamten Cases denken sollte. Man sollte sich überlegen, welche Modulations- oder Effektmodule zum Sound des LPGs passen. Beispielsweise ergänzen Delays den Sound von Lowpass-Gates hervorragend, da sie die perkussiven Sounds kreativ vervielfältigen. Außerdem sollte man auf Details der Module achten, zum Beispiel, ob sie sich auch sinnvoll mit LFOs oder Oszillatoren modulieren lassen. Beim Optomix funktioniert das perfekt. So kann ein LPG auch für experimentellere Klänge zur Verfügung stehen.
Besonders auf die Hüllkurven achten
Am wichtigsten ist es jedoch, genau darauf zu achten, wie das eigene Lowpass-Gate auf eingehende Hüllkurven und Gates reagiert. Die exponentiellen Hüllkurven eines Funktionsgenerators wie Make Noise Maths können bei einigen LPGs sehr kurze, perkussive Sounds erzeugen. Bei anderen Optionen sind die Klänge eher länger, da die Bauteile für ein längeres Ausklingen sorgen. Je nachdem, wie die Module reagieren, ist es mehr oder weniger sinnvoll, Attack und Decay bzw. Release der Hüllkurven zu modulieren. Schließlich kann es auch Spaß machen, den CV-Eingang des LPG nicht mit Hüllkurven, sondern mit Modulationssequenzen zu nutzen. Dann hört man noch einmal auf andere Weise, wie stärker gefilterte Sounds leiser sind als schwach gefilterte. Auch hier zeigt sich die rhythmische Ausrichtung vieler Lowpass-Gate-Patches.
Zum Schluss
Filter sind schon etwas Tolles, vor allem solche mit mehreren Modi. Aber Lowpass-Gates sind mehr als nur ein Filter, sie sind einfach etwas Besonderes. Es ist also auf jeden Fall sinnvoll, sich mit den hier beschriebenen Unterschieden zu beschäftigen und bei Gelegenheit auch mal eines der Module zu testen. Das erwähnte Doepfer-LPG ist ein guter und preiswerter Einstieg zum Ausprobieren. Und wir garantieren: In 95 Prozent der Fälle wird man den Sound so schnell nicht wieder los. Er ist einfach ikonisch, einzigartig – wenn man ein bisschen experimentiert, wie immer im Eurorack. Und wenn er einem nicht so gut gefällt, kann man die LPGs immer noch als Filter benutzen. Umgekehrt geht es manchmal auch. Einfach mal den Cutoff des eigenen Tiefpassfilter-Moduls komplett schließen und dann mit einer kurzen Hüllkurve modulieren. Vielleicht steckt ja in ihm auch ein LPG-Sound …