Viele Bassisten kennen dieses Problem: Beim Umstieg von der Finger-Spieltechnik auf Slap Style ändert sich nicht selten das gesamte Sound- und Dynamikgefüge. Was daheim als geniale Idee begann, scheitert daher im Bandgefüge nicht selten grandios. Warum das so ist und wie wir diese Herausforderung meistern können, wollen wir in diesem Workshop näher beleuchten!
“Wichtiger Gig! Die Hütte ist voll! Alle Freunde sind da! Die Presse steht bereit, um über meine Heldentaten zu berichten. Nur noch acht Takte, dann kommt er: der Pre-Chorus, für den ich diesen coolen Slapgroove vorbereitet habe. Mitmusiker und Publikum werden mich dafür zweifelsfrei gleichermaßen auf Händen tragen und ich bin für mehrere Wochen das Stadtgespräch – und das zu Recht! Los geht’s … Mist, ich höre ja gar keinen Bass mehr, nur die gerissenen Töne auf der G-Saite knallen mir unangenehm aufs Ohr! Sämtliche Dead Notes sind nahezu unhörbar. Die Kollegen schauen verdutzt bis genervt, der Mischer bekommt Schnappatmung und macht Zeichen, die eindeutig Zweifel an meiner geistigen Verfassung signalisieren sollen. Also, das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt! Was ist hier bloß schiefgelaufen?”
Zugegeben, diese Schilderung ist etwas übertrieben, aber wahrscheinlich ist uns allen dieses Phänomen schon begegnet … Was also kann man tun, um diesem Problem Herr zu werden?
Finger Style (Pizzicato)
Beim Anschlag mit den Fingern nutzen wir in der Regel unseren Zeige- und Mittelfinger, um die Saiten in Schwingung zu versetzen (Wechselschlag). Die Auslenkung der Finger ist darauf limitiert, was unser Gelenk zulässt – und das ist nicht allzu viel! Daher ist die Hebelwirkung und somit die dynamische Bandbreite im Vergleich zur Slaptechnik geringer.
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Der Vorteil wiederum ist, dass wir mit den Fingern leicht einen sehr konstanten Sound mit gleichbleibender Lautstärke erzeugen können. Die Dynamik ist somit gut zu kontrollieren. Die Finger sind zudem relativ weich, und wenn wir davon ausgehen, dass wir ungefähr in der Mitte zwischen Hals und Brücke die Saiten anschlagen, entsteht ein natürlicher, voller und runder Bass-Sound, der meist wenig Nachbearbeitung erfordert.
Den Klang können wir natürlich noch durch die Anschlagsposition beeinflussen. Richtung Hals wird er weicher, bassiger und weniger konkret, Richtung Brücke kommt mehr Attack ins Spiel und der Sound wird trockener und direkter, jedoch mit weniger Low End.
Slap Style (Slapping)
Die Slaptechnik ist da ein ganz anderes Tierchen! Hier arbeitet der komplette Unterarm mit einer Dreh- und Hebebewegung. Die Hebelwirkung und der Dynamikbereich sind dementsprechend größer. Mit dem Daumen schlagen wir ca. auf Höhe des ersten Bundes an, wobei die Saiten auf den Bundstab knallen. Dies erzeugt genau jenen drahtig-metallischen und knackigen Ton, den wir hören wollen. Dieser ist aber im Vergleich zum Fingerstyle deutlich schlanker im Bassbereich.
Zusätzlich besitzt die Stelle an unserem Daumen, mit der wir die Saite treffen, auch weniger Fleisch als Puffer als z.B. unser Zeigefinger und ist somit härter. Das unterstützt diese klanglichen Attribute zusätzlich! Beim Reißen der Saiten mit dem Zeige- oder Mittelfinger entsteht der charakteristische Sound ebenfalls durch das Auftreffen der Saiten auf den metallenen Bundstab. Auch hier klingt es knalliger, drahtiger und deutlich weniger bassig als mit Fingern.
Eine andere Komponente, die deutlich häufiger bei geslappten Grooves vorkommt, sind Dead Notes. Dies sind rein perkussive Noten, welche keine eindeutige Tonhöhe besitzen. Dead Notes sind ein wichtiger Bestandteil des authentischen Sounds, besitzen aber natürlich ihr dynamisches Eigenleben – und gehen im Bandgefüge leider gerne mal etwas unter! Natürlich gibt es Dead Notes auch bei Fingerstyle-Grooves, sie sind aber weder so häufig noch ein elementarer Bestandteil des authentischen Styles und Sounds.
Quick Facts – Vergleich Fingerstyle-Slapstyle beim E-Bass
Fingerstyle:
- voller, runder Ton
- ausgewogener Bassanteil
- geringerer Dynamik-Umfang
- wenig perkussive Elemente
Slapstyle:
- drahtiger, metallischer, höhenreicher Ton
- schlank im Bassbereich
- größerer Dynamik-Umfang
- viele perkussive Elemente
Zur Demonstration spiele ich den gleichen Groove einmal mit den Fingern und danach geslappt:
Das folgende Bild ist ein Screenshot aus meinem Recording-Programm und zeigt uns die Wellenform des Grooves. Hier kann man deutlich sehen, wie viel mehr Auslenkung und somit Dynamik-Umfang der geslappte Groove besitzt.
Die Unterschiede zwischen beiden Techniken liegen in der Natur der Sache, sie sind aber auch gewollt und sorgen für das jeweilige authentische Klangbild. Eines sollte man nämlich nicht vergessen:
Jede Spieltechnik produziert in erster Linie einen bestimmten Sound und gibt dem Song eine andere Klangfarbe.
Allerdings machen diese Unterschiede es auch nicht immer einfach, die Tragfähigkeit des Sounds und eine kontrollierte Dynamik aufrechtzuerhalten, wenn wir zwischen beiden Techniken hin und her wechseln. Was können wir also tun?
Finger vs. Slap: Der menschliche Faktor
Bevor wir zur Materialschlacht übergehen, sollten wir unbedingt zuerst auf uns und unser eigenes Spiel blicken. Kontrollierte Dynamik ist das Stichwort! Leider hat dies aber auch einen Haken: Üben! Beim Slappen neigt man gerne (speziell im adrenalingeschwängerten Livebetrieb!) dazu, zu viel Kraft einzusetzen. Diese Technik ist dafür einfach zu verlockend!
Mit Energie zu spielen ist natürlich grundsätzlich etwas Positives, aber die Grenze zwischen “energetisch” und “ungestüm” ist nun einmal häufig fließend. Darunter leiden vor allem die angerissenen Töne. Sie laufen schnell Gefahr, zu stark und harsch aus dem Soundbild herauszustechen. Hör dir dazu einmal das folgende Beispiel an. Version 1 ist die ungestüme Variante, Version 2 ist deutlich kontrollierter, da die gerissenen Töne sich viel besser in das gesamte Klangbild einfügen.
Falls dir das bekannt vorkommt, versuche einmal, die gerissenen Töne im Vergleich zum Daumen mit weniger Kraft zu spielen. Es ist tatsächlich kaum Energie nötig, um die Saite auf die Bünde schnalzen zu lassen. Jeder Kraftaufwand, der darüber hinausgeht, ist eigentlich zu viel des Guten. Ein weiterer Ansatz ist, schlicht den Anteil der gerissenen Töne zu reduzieren.
Ein Meister darin – wie eigentlich in allen Klassen – ist Marcus Miller. Analysiert man sein Spiel, so stellt man fest, dass er Pops (gerissene Töne) nur ganz gezielt als “Salz in der Suppe” einsetzt. Diese besitzen dann aber entsprechend mehr Wirkung. Auch Töne auf der D- oder G-Saite spielt er häufig mit dem Daumen. Das unterstützt das ausgewogenes Klangbild und die kontrollierte Dynamik enorm. Auch hier ein Vorher/Nachher-Beispiel, welches diesen Effekt zeigt.
Die Pops am Ende des zweiten Taktes in Version 2 besitzen eine sehr erfrischende Wirkung. Diese kann sich aber nicht entfalten, wenn gerissene Töne schon zuvor inflationär verwendet wurden. Version 1 klingt insgesamt deutlich weniger dynamisch und irgendwie ordinär im Vergleich zu Version 2.
Meistens ist es in punkto Dynamik ratsam, laute Elemente leiser zu machen und nicht die leisen Elemente lauter. Der Vorteil ist, dass man dann die Gesamtlautstärke anheben kann, aber nicht lauter ist als vorher. Dadurch kommt alles besser zur Geltung und auch Feinheiten wie Dead Notes etc. sind besser zu hören.
Im Wesentlichen ist das ja auch die Wirkungsweise eines Kompressors, zu dem wir später noch kommen werden. Aber die Ideallösung ist natürlich, wenn wir das ohne technische Hilfsmittel schaffen bzw. diese eher als Unterstützung nutzen.
Allgemein formuliert muss das Ziel sein, weiterhin mit Energie zu spielen, dabei jedoch stets Herr über die Dynamik des eigenen Spiels zu bleiben. Das erfordert Disziplin, lohnt sich aber! Hört man sich einmal Größen wie Victor Wooten, Marcus Miller etc. an, so kann man gut feststellen, wie diese ihre Dynamik meisterhaft unter Kontrolle haben und auch gezielt als Stilmittel einsetzen.
Genug geübt, auf zur Materialschlacht!
Finger vs. Slap: Booster
Der einfachste Weg, um Lautstärkeunterschiede zwischen Spieltechniken auszugleichen, ist ein Booster. Er besitzt einzig und allein die Aufgabe, das Signal ohne eine Veränderung des Klanges lauter zu machen. Die meisten Booster verfügen deshalb auch nur über einen Fußschalter sowie einen Knopf zur Lautstärke-Anpassung.
Dies probiert man am besten in einer realen Situation – der Band! Per Knopfdruck lässt sich dann die entsprechende Technik im Level anheben, um sich besser in den Bandsound einzufügen.
Finger vs. Slap: Kompressor
Der Kompressor beschränkt bzw. kontrolliert den Dynamikbereich unseres Spiels. Bei fast allen Kompressoren lässt sich ein Schwellenwert einstellen, den man Threshold nennt. Darunter versteht man nichts anderes als einen bestimmten Lautstärkewert. Überschreitet das Signal diesen eingestellten Wert, fängt der Kompressor an zu arbeiten und quetscht das Signal in einem bestimmten Verhältnis zusammen. Dieses Verhältnis wird Ratio genannt – die Stärke der Kompression. Beträgt die Ratio z.B. 4:1, so bedeutet dies, dass ein um 4 dB lauteres Eingangs-Signal als der eingestellte Threshold-Wert bis auf ein 1 dB Ausgangs-Signal durch den Kompressor zusammengequetscht wird.
Bei Bedarf kann man dann die Gesamtlautstärke auf das ursprüngliche Niveau anheben. Der Sound wirkt so insgesamt kompakter und druckvoller, da die Unterschiede zwischen leisen und lauten Tönen reduziert werden. Feine Details wie perkussive Elemente wirken somit präsenter.
Wie schon angesprochen besitzt die Slaptechnik einen größeren Dynamikbereich. Hier kann der Kompressor durchaus eine große Hilfe sein. Man kann ihn bei geslappten Passagen zuschalten, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Man kann ihn aber auch dauerhaft aktiviert lassen und so einstellen, dass er beim Spiel mit den Fingern noch nicht oder nur sehr wenig eingreift. Im folgenden Beispiel kannst du gut hören, wie der Kompressor den Dynamik-Umfang beschränkt und dadurch vormals leisere Elemente präsenter wirken.
Finger vs. Slap: Preamp/Equalizer
Bisher haben wir nur ja über Dynamik gesprochen. Zu Beginn dieses Artikels haben wir aber auch festgestellt, dass ein deutlicher Unterschied im Klang der beiden Spieltechniken besteht. Dieser lässt sich nicht ganz so leicht mit den eigenen Händen kompensieren. Doch auch dafür gibt es verschiedene kleine Helferlein!
Falls dein Bass eine Aktiv-Elektronik besitzt, kannst du diese als Slap-Preset nutzen und erst aktivieren, wenn tatsächlich ein geslappter Groove ansteht. Das setzt natürlich voraus, dass du die Elektronik während des Fingerstyle-Spiels nicht benötigst. Falls dein Bass keine Aktiv-Elektronik besitzt oder du sie immer im Einsatz hast, gibt es auch externe Preamps von diversen Herstellern.
Sie haben den großen Vorteil, dass man sowohl eingangs- wie ausgangsseitig die Lautstärke einstellen kann. Sie können also auch als Booster dienen. Darüber hinaus haben sie mit dem integrierten Equalizer je nach Ausführung zwei oder mehrere Regler zur Klangformung an Bord. In der Regel lassen sich damit die erwünschten Ergebnisse erzielen.
Grundsätzliche Empfehlungen zu Equalizer-Einstellungen sind allerdings eher schwierig, da sie stark von der individuellen Spieltechnik, dem verwendeten Bass, dem Amp und den Boxen abhängig sind. Ein kleiner Bass- und Höhen-Boost kann aber als Ausgangspunkt sicher nicht schaden.
Die oft angepriesene Badewannen- oder Scoop-Einstellung (Bässe und Höhen anheben, Mitten absenken) kann ich übrigens nicht oder nur bedingt empfehlen. Sie klingt sicherlich zu Hause gut, in der Band geht jedoch aufgrund der fehlenden Mitten der Bass ziemlich schnell verloren. Generell gehen auch extreme Equalizer-Einstellungen gerne nach hinten los. Hier ein Groove mit und ohne zugeschalteten Preamp:
Braucht man nur die Klangregler und möchte keine Lautstärke anpassen, tut es auch ein externer Equalizer, den man dann nur bei Bedarf zuschaltet.
Finger vs. Slap – Fazit
Das waren schon mal eine ganze Menge Ideen, die gestellte Herausforderung zu meistern. Meine Empfehlung ist, immer zuerst einen Blick auf das eigene Spiel zu werfen. Hat man hier unterschiedliche Parameter optimiert, ohne zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, kann man immer noch den Weg ins Musikgeschäft antreten.
Viel Spaß beim Experimentieren wünscht
Thomas Meinlschmidt