Praxis
Verwendungszweck
Die offene Bauart des Focal Clear Professional schließt die Verwendung des Studiokopfhörers zum Monitoring während einer Aufnahmesession aus. Sein klar anvisierter Einsatzort ist die Regie eines Tonstudios oder meinetwegen auch der sogenannte “Bedroom” ambitionierter Home-Producer zum Mischen und Mastern auf professionellem Niveau.
Tragekomfort
Der Clear Professional bringt solide 450 g auf die Waage, die den Tragekomfort für mein Empfinden allerdings überhaupt nicht negativ beeinflussen. Ob es an den bemerkenswert komfortablen Polstern aus Mikrofaser liegt oder ich durch das Testen der deutlich schwereren Magnetostaten Audeze LCD-X und Audeze LCD-XC bereits eine ausgeprägte Nackenmuskulatur entwickelt habe, kann ich nicht zweifelsfrei sagen. Der Focal-Kopfhörer gehört zu der bequemen Sorte Kopfhörer, dessen leicht elliptisch geformte Ohrpolster meine Ohren großzügig umschließen. Der mehr als ausreichend gepolsterte Bügel schmiegt sich meiner Schädeldecke perfekt an ohne zu drücken, allerdings passt sich der Sitz der Ohrmuscheln eher zu 95 statt 100 Prozent meiner Kopfform an, was an der vergleichsweise geringen Flexibilität der Aufhängung (vertikale Achse) liegt. Das ist kein Drama, aber ich ertappe mich hin und wieder beim Versuch, die Ohrmuscheln auf dieser Ebene nachjustieren zu wollen. Die teilweise flexibleren Ohrmuschelaufhängungen anderer Hersteller/Modelle machen in diesem Detail einen besseren Job. Dennoch kann man die Trageeigenschaften des Focal-Kopfhörers in der Summe durchaus positiv bewerten.
Klang
Testbedingungen
Über die Notwendigkeit des “Einspielens” von Kopfhörern findet man unterschiedliche Aussagen und selten konkrete Informationen. Einige Hersteller geben beispielsweise an, dass ihre Wandler bereits eingespielt sind, andere bitten vor einer Beurteilung darum, den Kopfhörer einzuspielen. Dritte sind der Meinung, dass eine eventuell empfundene Klangverbesserungen nach der “Einspielphase” ein nicht messbarer, psychologischer Gewöhnungseffekt ist. Nichtsdestotrotz habe ich den Focal Clear Professional vor diesem Test mehrere Tage an meinen alltäglichen DAW-Tätigkeiten teilhaben lassen und auch zwischendurch musikalisch beschallt.
Der Test erfolgte an den folgenden Kopfhörerausgängen/Verstärkern:
- Lake People G93
- iPhone SE
- SPL 2Control
- UAD Apollo
Neben diversen akustischen Experimenten (Sinus Sweeps, übliche DAW-Tätigkeiten) habe ich einen stilübergreifenden Mix vertrauter Eigen- und Fremdproduktionen über den Clear Professional angehört und analysiert.
Der erste Eindruck
Der Name “Clear Professional” erzeugte in mir eine gewisse Erwartungshaltung. Umso überraschter war ich beim ersten Hörcheck über die vergleichsweise unspektakuläre Wiedergabe des Focal-Kopfhörers mit einem milden Höhenband – andere Kandidaten unseres Testmarathons “Referenzkopfhörer fürs Studio” klingen teilweise deutlich “clearer” und dennoch “professional”. Die dennoch tatsächlich vorhandenen Qualitäten des Franzosen erschließen sich erst nach einer gewissen Einhörphase. Offensichtlich verfolgt man bei Focal seitens der Hörästhetik einen etwas anderen Ansatz als die Konkurrenz. So erinnert der Charakter des Clear Professional tendenziell eher an einen Yamaha-NS-10-Monitor (ohne Bassmangel) als an einen ultra-detailreichen Adam-Monitor, um es einmal in dieser Lautsprecher-Analogie auszudrücken.
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Frequenzgang
Bereits genannt wurde die verhältnismäßig milde Wiedergabe hoher Frequenzen. Dies ist kein wirkliches Defizit aber eine Eigenschaft, die je nach Aufgabe und Hörpräferenz ihre Vor- oder Nachteile haben kann. Wer auf eine noch detailliertere Darstellung dieses Frequenzbands Wert legt, trifft mit dem Sennheiser HD 800 S, AKG K812, Audeze LCD-XC oder STAX SR-202, um einige Teilnehmer unseres Testmarathons zu nennen, die bessere Wahl. Wem diese Modelle in den Höhen zu prominent sind, der liegt möglicherweise mit dem Focal-Kopfhörer goldrichtig.
Der Clear Professional hat im unmittelbaren Vergleich zu einigen Konkurrenzmodellen eine spürbare Ausprägung in den oberen Mitten, daher wohl meine spontane Assoziation mit dem legendären Yamaha-Monitor. An diesen Charakter gewöhnt man sich aber schnell und eine Beleuchtung dieses Bereichs kann im Gegensatz zu anderen Frequenzbereichen bei der Beurteilung eines Mixes durchaus hilfreich sein. Der Bassbereich ist nicht so prominent wie bei einigen meiner persönlichen Favoriten dieses Vergleichstests, bietet aber dennoch alles (Präzision, Tonalität, Quantität) zu einer professionellen Beurteilung Erforderliche. So empfinde ich die Quantität dieses Frequenzbereichs als deutlich geeigneter für tontechnische Entscheidungen, als es beim ansonsten sensationellen HD 800 S von Sennheiser der Fall ist.
Impulsverhalten
Analog zur milden Abbildung der Höhen werden Transienten nicht so eindeutig und kompromisslos herausgestellt wie von anderen Spitzenmodellen, was eine professionelle Beurteilung und tontechnische Eingriffe aber nicht ausschließt. Da sämtliche Peaks ohne spürbare Kompressionsartefakte wiedergegeben werden, ist die Gesamtdynamik und Lebendigkeit einer Musik- oder Audioproduktion aber sehr authentisch und alles andere als verschliffen oder unscharf.
Räumliche Abbildung
Die Raumabbildung des Focal Clear Professional ist einerseits sehr natürlich (realistische Stereobühne, präzise Ortung) und plastisch, auf der anderen Seite mangelt es gegenüber anderen Spitzenmodellen, etwa HD 800 S, K812 und STAX, etwas an Auflösung, die bei den genannten Modellen bei entsprechend hochwertigen Aufnahmen teilweise das Gefühl vermitteln, bei der Aufnahme anwesend zu sein. Die Auflösung des Clear Professional ist beileibe nicht schlecht, aber es gibt Modelle, die nicht zwingend teurer sein müssen und in diesem Teilaspekt die Nase vorn haben.
Dennoch muss man die insgesamt hohe Natürlichkeit der räumlichen Abbildung des Focal-Kopfhörers, die sich wiederum von anderen Modellen der gleichen Preisregion abhebt, positiv bewerten. Das Marketing-Versprechen des Herstellers, einer mit Studiomonitoren vergleichbaren Wiedergabe, lässt sich tatsächlich ansatzweise nachvollziehen.