Praxis
Oszillatoren
Der Parva hat pro Stimme drei identisch aufgebaute, digital stabilisierte, analoge Oszillatoren (DCOs). Suboszillatoren gibt es nicht, aber bei drei vollwertigen DCOs kann man auch mal einen davon für Tiefton-Aufgaben reservieren. Die Oszillatoren beherrschen die Schwingungsformen Sägezahn, Dreieck und variable Pulsschwingung mit PWM. Die Dreieckschwingung hat für mein Empfinden ungewöhnlich viele Obertöne und leider machen sich bei Sägezahn und Dreieck im oberen Frequenzbereich heftige Störgeräusche bemerkbar:
Auf die Wünsche einiger Kickstarter-Unterstützer nach einem raueren Sound hat Brad mit dem Setting “Clean OSC” reagiert, dass sich im Voice-Menü verbirgt. Steht es auf “On”, so bleibt der Sound stets recht clean und HiFi-mäßig. Wenn man “Clean OSC” abschaltet, kann man die Oszillatoren im Mixer leichter in die Sättigung fahren und erhält so einen kraftvolleren, erdigeren Sound. Hier hört ihr einen Sound mit drei gleich eingestellten Oszillatoren, deren Levels alle voll aufgedreht sind. Zunächst ist “Clean OSC” eingeschaltet, dann aus.
Im Menü Global OSC findet man Parameter, die alle drei Oszillatoren betreffen. Hier lässt sich zum Beispiel die Glide Time einstellen und ein in 16 Stufen regelbarer Slop-Parameter sorgt auf Wunsch für leichte Schwebungen:
Voice Modes
Wo wir gerade im Voice-Menü waren: Hier lassen sich auch die drei Betriebsarten polyphon, monophon und unisono auswählen. Im Unison-Modus spielen alle acht Stimmen unisono, was einen sehr fetten Sound ergeben kann. Unterstützen lässt sich das neben dem bereits erwähnten Slop-Parameter noch mit einem Detune-Setting, das die Voices automatisch leicht gegeneinander verstimmt. Das Voice-Menü hält weiterhin einen Spread-Parameter bereit, der die Stimmen mit einstellbarer Intensität zufällig im Stereobild verteilt. Das führt bei Pads und Unison-Sounds zu einem breiten Klangbild und kann auch bei monophonen Arpeggios reizvoll sein. Hier hört ihr zunächst den Voice Mode mono, dann Unison ohne Detune und schließlich mit einer ordentlichen Portion Detune und Spread. Was jedoch auffällt: Die ganz dicke Analogpower kommt auch nach dem Drehen an all diesen Stellschrauben nicht so recht rüber. Da kann der Parva nicht leugnen, dass er ein waschechter DCO-Synthesizer ist.
Filter
Der Parva verfügt pro Stimme über zwei in Reihe geschaltete Multimodefilter mit 12dB/Okt. Flankensteilheit auf OTA-Basis. Bedientechnisch fühlt sich das wie ein einzelnes Filter an: Je nach Filtertyp-Setting werden die beiden Filter automatisch so kombiniert, dass sich der gewünschte Typ ergibt. (Schaltet man zwei 12dB-Filter mit gleichen Grenzfrequenzen in Reihe, so erhält man ein 24dB-Filter). Man hat also keinen Zugriff auf die beiden Einzelfilter, sondern nur auf das gesamte Arrangement. Insgesamt ergeben sich daraus fünf mögliche Charakteristiken: Tiefpass 12dB und 24dB, Hochpass 12 und 24dB und Bandpass 12dB.
Den Grundsound des Filters finde ich durchaus ansprechend, allerdings ist das Resonanzverhalten für meinen Geschmack gewöhnungsbedürftig. Zwar hatte mir Brad im Interview erklärt, welche Überlegung von seiner Seite aus dahintersteckt (er wollte den Regelbereich an der Schwelle zur Eigenschwingung möglichst breit gestalten), aber in der Praxis funktioniert das in meinen Augen nur bedingt. Sounds mit moderater Resonanz sind kaum möglich, und bei viel Resonanz ist das Filter kaum noch zu zähmen. Hier gibt es meiner Meinung nach definitiv noch Abstimmungsprobleme, und an diesem wichtigen Punkt sollte sich ein Synthesizer natürlich eigentlich keine Schwäche leisten. Schön ist wiederum die Möglichkeit der Frequenzmodulation durch DCO3, die sich einfach im Filtermenü hineindrehen lässt.
Hier hört ihr die fünf Filtertypen des Parva, jeweils mit verschiedenen Resonanz-Settings:
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Envelopes, LFOs und Modulationsmatrix
Vier ADSR-Envelopes und vier LFOs, dazu eine umfangreiche Matrix: Modulationsseitig kann man beim Parva aus dem Vollen schöpfen. Mit der neuen Firmware-Version kam eine Loop-Funktion für die Envelopes hinzu. Envelope 1 ist standardmäßig für den VCA zuständig, während Envelope 2 sich um das Filter kümmert. Beide lassen sich in der Modulationsmatrix aber auch anderweitig verwenden. Die Hüllkurven 3 und 4 stehen zur freien Verfügung, bei ihnen enthält das Menü einen zusätzlichen Eintrag zur Wahl des Modulationsziels. Zwei schöne Details: Im Voice-Menü lässt sich die Envelope-Charakteristik zwischen linear und exponentiell wählen (allerdings nur für alle vier Envelopes gemeinsam), und im Display wird beim Drehen an den Hüllkurvenreglern eine praktische grafische Darstellung des Verlaufs angezeigt.
Etwas unglücklich finde ich, dass es in der Filtersektion keinen direkten Regler für die Hüllkurvenintensität gibt. Um die Wirkung der Filterhüllkurve zu regeln, muss man in das Menü für Envelope 2 navigieren, mit dem Encoder zum Wert für die Intensität scrollen, drücken und kann erst dann den Wert einstellen. Dass dieser wichtige Regler weggelassen wurde, hat mich immer wieder frustriert und den Wunsch nach einem externen Controller hervorgerufen.
Die vier LFOs sind identisch aufgebaut und können die Schwingungsformen Dreieck, Sägezahn steigend und fallend, Rechteck und Sample&Hold produzieren. Sie lassen sich zum Keyboard Gate (Key Sync) und/oder zu einer MIDI-Clock synchronisieren. Der Frequenzbereich reicht in den hörbaren Bereich hinein. Wie alle Modulationsquellen lassen sich die LFOs 47 verschiedenen Zielen zuweisen und können sich auch selbst modulieren.
Damit wären wir bei der Modulationsmatrix, die über die beiden Encoder in Reihe 5 programmiert wird. Sie ermöglicht in 16 Slots die freie Verknüpfung von derzeit elf Quellen (4x Envelope, 4x LFO, Velocity, Aftertouch, Modwheel) mit 47 Zielen. Für ein zukünftiges Update wurde ein benutzerdefinierter MIDI CC als weitere Quelle angekündigt. Die Liste der Modulationsziele ist lang und enthält neben den Oszillator-Frequenzen und -Levels und den Filterparametern auch zahlreiche Parameter der LFOs und Envelopes, wodurch diese sich gegenseitig und auch selbst modulieren können. Hier ist also beinahe alles möglich, und spätestens an diesem Punkt kam bei mir dann doch der leise Wunsch nach einem Software Editor oder zumindest einem größeren Display auf, um einen besseren Überblick über die Matrix zu haben.
Beim Stichwort Modulation darf ein wichtiges Detail nicht fehlen: Der Parva unterstützt polyphonen Aftertouch, eine absolute Rarität. Kaum ein heute erhältliches Masterkeyboard kann mit dieser musikalisch eigentlich so wertvollen Funktion aufwarten, mit Ausnahme einiger exzentrischer Spezialisten wie CME X-key und ROLI Seaboard Rise. An adäquaten Tastaturen mangelt es derzeit also ein bisschen, aber vielleicht ändert sich das ja in Zukunft. Die Möglichkeit, beim Spielen eines Pad-Sounds einzelne Noten gezielt per Aftertouch zu modulieren, ist jedenfalls ausgesprochen reizvoll. Bei meinem Besuch in seiner Werkstatt verriet Brad mir, dass er durchaus über eine Tastaturversion des Parva nachdenkt, aber noch auf der Suche nach einer geeigneten Klaviatur mit polyphonem Aftertouch ist.
Sound
So, wie klingt der Parva denn nun in der Praxis? Ich muss gestehen, dass ich letztlich etwas enttäuscht war. Sicherlich kann man dem Synthesizer schon alleine wegen seiner recht üppigen Ausstattung mit Oszillatoren und Modulationsquellen eine große Bandbreite von Sounds entlocken, aber so richtig wollte der Funke nicht überspringen. Die Bedienung mag daran einen gewissen Anteil haben (dazu komme ich gleich noch), aber für mein Empfinden fehlt es ihm grundsätzlich ein bisschen an klanglicher Persönlichkeit und Eigenständigkeit. Er kann viele Standards ganz gut abdecken, wirkt dabei aber in meinen Ohren stets ein wenig farblos. Wo große Analogsynthesizer oft schon bei den ersten Tönen ihren ganz eigenen Charakter offenbaren und sich als ausdrucksstarke, eigenständige Instrumente präsentieren, gelang es dem Parva letztlich nicht, mich klanglich in den Bann zu ziehen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Schlecht klingt er nicht und der eine oder andere Sound gefiel mir auch richtig gut, aber er lässt für mein Gefühl eine individuelle klangliche Handschrift vermissen. Das mag zum Teil an den DCOs liegen, denen ja gern ein sterilerer Klang als VCOs vorgeworfen wird. Allerdings liebe ich zum Beispiel meinen Juno-60 sehr, habe also grundsätzlich nichts gegen DCOs. Irgendwie hat’s halt nicht richtig gefunkt zwischen dem Parva und mir …
Bedienung
Ich hatte es ja schon hier und da angedeutet: Das Bedienfeld ist ein Kompromiss. Und ich möchte noch weiter gehen und behaupten: Wer wirklich Spaß an diesem Synthesizer haben möchte, der sollte sich nach einem passenden Hardware-Controller umsehen, um mehr Parameter im Zugriff zu haben. Zwar ist das Bedienkonzept durchaus gut durchdacht und konsequent umgesetzt, aber als wirklich intuitiv habe ich die Bedienung nicht empfunden. Einen komplexen Patch nur mit den Parva-eigenen Bedienelementen zusammenzubauen, ist aus verschiedenen Gründen eine etwas langwierige und wenig inspirierende Angelegenheit.
Wie bereits erwähnt, schalten die Encoder auf der linken Seite nicht nur zwischen den verschiedenen Oszillatoren, Envelopes und LFOs um, sondern dienen auch zur Navigation durch die Menüs, die die nicht direkt über das Panel erreichbaren Parameter enthalten, und zur Einstellung von Werten darin. Das sind eine Menge Aufgaben für einen einzelnen Encoder, der damit nicht nur als Datenrad, sondern zugleich auch als Enter- und Exit-Knopf und Cursor-Tasten herhalten muss. Ein kleines Beispiel: Sagen wir, ich möchte die Velocity-Empfindlichkeiten der Hüllkurven 1 und 2 einstellen. Dazu muss ich zunächst mit dem Encoder der Envelope-Sektion das Menü für ENV 1 anfahren und mich mit einem Druck hinein begeben. Nun kann ich durch Drehen am Encoder zum Velocity-Parameter scrollen, der sich in diesem Beispiel auf der zweiten Displayseite befindet. Ein weiterer Druck wählt den Parameter zur Bearbeitung aus und ich kann ihn durch Drehen einstellen. Durch einen langen Druck auf den Encoder kann ich das Menü nun wieder verlassen und zur nächsten Envelope wechseln, wo sich das Spiel wiederholt. Dieses Prinzip, bei dem der Encoder sowohl zum Werte einstellen als auch zur Navigation dient, spart zwar Bedienelemente, aber optimal gelöst finde ich das nicht. Dass der Parva als kompakter Desktop-Synth nicht für jeden seiner zahlreichen Parameter einen eigenen Regler haben kann, liegt auf der Hand, aber dass auch die Menüführung und Werteeingabe mit dem absoluten Minimum an Bedienelementen umgesetzt wurde – nämlich mit genau einem pro Sektion / Menü – macht die Sache nicht gerade komfortabler.
Ein weiteres Problem ist, dass man an den Encodern teilweise ziemlich kurbeln muss, um von einem Ende des Wertebereichs zum anderen zu kommen. Bleiben wir beim Beispiel von eben: Um die Velocity-Intensität von Null auf 127 aufzudrehen, braucht man etwa sechseinhalb Encoder-Umdrehungen. Einige andere Hersteller haben sich für dieses Problem intelligente Lösungen ausgedacht, so kann man zum Beispiel bei den Instrumenten von Elektron durch Druck auf den Encoder eine Art „Turbo-Modus“ aktivieren. So etwas fehlt beim Parva, bei dem die Druckfunktion ja für die Navigation gebraucht wird.
Kommen wir zum Positiven: Die schwarzen Regler jeder Sektion bieten die wichtigsten Parameter im direkten Zugriff, und zwar jederzeit. Ganz egal, was man vielleicht gerade im Menü auf der linken Seite macht: Es genügt ein Griff zu einem der schwarzen Potis und das Display der betreffenden Sektion springt sofort zum jeweiligen Wert. Nach dem Einstellen landet man nach einer halben Sekunde automatisch wieder beim zuvor angezeigten Displayinhalt. Diese Funktion lässt sich auf Wunsch abschalten (Setting „Param Zoom“ im Global-Menü), aber mir fällt kein Grund ein, weshalb man das tun sollte, zumal die Wechsel wirklich sehr „snappy“ und schnell passieren. Gut gelungen finde ich auch die Displays, die mit ihrer hohen Auflösung sehr gut aussehen. Sie sind in einem weiten Winkel ablesbar und arbeiten absolut verzögerungsfrei. Maximal vier Menüeinträge lassen sich pro Sektion / Display gleichzeitig darstellen. Die Menüs sind höchstens zwei Seiten lang und „endlos“ – man kommt in jedem Fall durch Drehen in beide Richtungen irgendwann zum Ziel.
Insgesamt musste ich nach längerer Beschäftigung mit dem Parva dann aber doch feststellen, dass ich mit der Bedienung einfach nicht richtig warm wurde. Ein externer Controller könnte hier Abhilfe schaffen. Brad erzählte mir, dass einige seiner Kunden einen Access Virus TI als Controller für den Parva einsetzen, und tatsächlich kann ich mir das mit Blick auf die Strukturen der beiden Synths und das Bedienfeld des Virus gut vorstellen. Eine andere Möglichkeit wäre ein Software Editor, der laut Futuresonus auch angedacht ist. In der (noch vorläufigen) Anleitung findet man zur Konfiguration externer Controller eine vollständige Liste der MIDI-CC-Belegungen.
Community und Updates
Wie bei einem Crowdfunding-Projekt zu erwarten war, hat sich seit der Ankündigung des Parva eine aktive Nutzergemeinschaft zusammengefunden, in der Probleme und Ideen für zukünftige Updates diskutiert werden. Das ist das Schöne an einem solchen Projekt: Es gibt einen direkten Draht zum Entwickler und man kann den Synth auch ein Stück weit mit gestalten. Während der Parva zum Start beileibe nicht frei von Problemen und Bugs war (und ist), findet sich im Forum so mancher User, dem mit einem schnellen Bugfix geholfen werden konnte. Zwar merkt man schon, dass Brad die Entwicklung bislang im Alleingang stemmt und manche Baustellen wie etwa der zu Anfang erstmal deaktivierte Multimode konnten erst deutlich später beseitigt werden als ursprünglich versprochen. Das weckt aber zugleich auch die Hoffnung, dass die Entwicklung noch nicht am Ende ist und der Parva in Zukunft noch mit einigen überraschenden Funktionen glänzen könnte. Zum Beispiel wurde mit der neuen Loop-Funktion für die Envelopes ein Benutzerwunsch umgesetzt. Die Firmwares für Mainboard und Voicecards sind zum Abschluss dieses Tests im Juli 2016 gerade einmal bei den Versionsnummern 0.50 bzw. 0.45 angekommen – man darf gespannt sein, was da in Zukunft noch passiert.